»US SALES CHARTS SPOTLIGHTS« Folge 11
März 2012 – Marvel große Superheldenkeilerei auf Platz 1
MARKTBEOBACHTUNGEN VON CRAYTON UND DEM NACHBAR
[Der Nachbar]
Grüße und so!
Es war, wie so oft, nur eine Frage der Zeit, bis Justice League, das Zugpferd von DC, welches seit Monaten die Verkaufszahlen klar dominierte, seine Führungsposition verlieren würde. Nun ist es also passiert: Marvel hat es mit seinem neusten Event »Avengers vs. X-Men« (AvX) geschafft, seit Juli 2011 wieder den ersten Platz des Rankings zu erlangen. Dass DCs Top-Artist Jim Lee erstmals nicht für das Artwork der Gerechtigkeitsliga zuständig war, hat sich überraschenderweise dabei kaum auf die Verkaufszahlen der siebten Ausgabe der Gerechtigkeitsliga bemerkbar gemacht. Ist es doch dieser Ausnahmezeichner, der für viele Leser ausschlaggebend für den Kauf eines Comics ist. Aber das Interesse an Events ist bei den Lesern größer und weiterhin ungebrochen. Mehr zu dem Thema Events wird euch Crayton noch erzählen.
Aber werfen wir nun einen Blick auf die aktuellen Verkaufszahlen. Die Top 30 werden im März gleichmäßig auf Marvel und DC (je 15 Titel) verteilt. Marvel besitzt unter Berücksichtigung der gesamten Top 300 mit 39,94% den größten Marktanteil, dicht gefolgt von DC mit 36,09%. Ein besonderes Augenmerk gilt den Top 10. Nachdem Marvel seit Anfang des Jahres hier nicht ein einziges Heft platzieren konnte, schafft es der Verlag nun mit drei Comics, dieses Manko wieder wett zu machen und sogar die Plätze 1 (AvX #1), 2 (AvX #0) und 5 (Avengers Assemble #1) für sich zu beanspruchen. Die größte Aufmerksamkeit hat dabei fraglos AvX #1 auf sich gezogen, denn mit über 200.000 verkauften Exemplaren ist dieses Ergebnis eine Sensation für heutige Verhältnisse.
Seit Crayton und ich ab 2009 die Comicverkaufszahlen des US-Markts unter die Lupe nehmen, gab es keinen Titel, der die 200.000er-Marke durchbrach (»Captain America Reborn« war im Juli 2009 mit ca. 193k noch am ehsten dran). Weder »Blackest Night« noch »Siege« oder irgendein anderes Event der letzten Jahre konnte sich so gut verkaufen. So etwas gab es zuletzt mit Events wie »House of M« (Marvel), »Infinite Crisis« (DC), »Civil War« (Marvel) und »Secret Invasion« (Marvel), was aber zwischen vier und sechs Jahren zurückliegt. Insofern ist Marvel mit der anstehenden Superheldenkeilerei bereits jetzt ein großer Wurf gelungen. Man darf gespannt sein, wie sich die weiteren Hefte von AvX, welches als zwölfteilige Maxiserie mit diversen Tie-Ins ausgelegt ist, verkaufen werden.
Das restliche Bild der Top 30 ist eher unspektakulär und wenig überraschend. Einzig die Debütausgabe der neuen Marvel-Serie Age of Apocalypse (Platz 17 mit ca. 56k), welche ein Spin-Off der Uncanny X-Force Reihe ist, schafft hier für Abwechslung im Ranking.
Die ersten Nicht-Marvel/DC-Titel sind diesmal:
- Saga (Image) auf Platz 40
- The Walking Dead (Image) auf Platz 54
- Buffy (Dark Horse) auf Platz 70.
TOP 30 US-COMICS
März 2012 (Fachhandel)
Platz | Titel | # | Preis | Verlag | Anzahl |
1 | Avengers vs X-Men | 001 | $3,99 | Marvel | 203.181 |
2 | Avengers vs X-Men | 000 | $3,99 | Marvel | 134.509 |
3 | Justice League | 007 | $3,99 | DC | 131.697 |
4 | Batman | 007 | $2,99 | DC | 127.402 |
5 | Avengers Assemble | 001 | $3,99 | Marvel | 100.883 |
6 | Action Comics | 007 | $3,99 | DC | 91.822 |
7 | Green Lantern | 007 | $2,99 | DC | 90.232 |
8 | Detective Comics | 007 | $2,99 | DC | 89.891 |
9 | Batman The Dark Knight | 007 | $2,99 | DC | 75.297 |
10 | Superman | 007 | $2,99 | DC | 66.588 |
11 | Flash | 007 | $2,99 | DC | 64.975 |
12 | Aquaman | 007 | $2,99 | DC | 62.345 |
13 | Batman and Robin | 007 | $2,99 | DC | 61.209 |
14 | Uncanny X-Men | 008 | $3,99 | Marvel | 57.568 |
15 | Amazing Spider-Man | 682 | $3,99 | Marvel | 57.143 |
16 | Uncanny X-Men | 009 | $3,99 | Marvel | 56.976 |
17 | Age of Apocalypse | 001 | $2,99 | Marvel | 56.426 |
18 | Avengers X-Sanction | 004 | $3,99 | Marvel | 55.677 |
19 | Wolverine and the X-Men | 007 | $3,99 | Marvel | 54.559 |
20 | Avengers | 024 | $3,99 | Marvel | 52.242 |
21 | Avengers | 024.1 | $2,99 | Marvel | 52.164 |
22 | Amazing Spider-Man | 681 | $3,99 | Marvel | 52.143 |
23 | New Avengers | 023 | $3,99 | Marvel | 51.697 |
24 | Teen Titans | 007 | $2,99 | DC | 51.402 |
25 | Wonder Woman | 007 | $2,99 | DC | 51.314 |
26 | Uncanny X-Force | 023 | $3,99 | Marvel | 48.867 |
27 | Green Lantern New Guardians | 007 | $2,99 | DC | 48.422 |
28 | Batwoman | 007 | $2,99 | DC | 46.874 |
29 | Ultimate Comics Spider-Man | 008 | $3,99 | Marvel | 46.290 |
30 | Batgirl | 007 | $2,99 | DC | 45.685 |
[Crayton]
Hallo Leute,
im März diesen Jahres hat mit Avengers vs. X-Men ein weiteres großes Comic-Event begonnen. Passend dazu habe ich mir diesmal das Thema Comic-Events auf die Fahne geschrieben. Gerade in den letzten zwölf Jahren hat die Zahl der Großereignisse immer mehr zugenommen. Natürlich gab es sie auch früher schon, die Serien übergreifenden Comic-Events. Doch bis in die Anfänge der 1990er Jahre waren sie deutlich seltener als heute in der Comic-Landschaft zu finden. Damals war es üblich, einmal im Jahr, meist in den Sommermonaten, mehrere Serien unter einem Event zusammen zu bringen. Heutzutage hat man aber das Gefühl, nur noch von Event zu Event zu eilen. In diesem Artikel werde ich folgenden Fragen nachgehen:
- Führt die Vielzahl der heutigen Comic-Events zu einer Übersättigung des Marktes und damit zu sinkenden Verkaufszahlen?
- Warum sind Comic-Events so erfolgreich?
- Wozu dienen Events eigentlich?
- Wie stehe ich selber zu Events?
Führt die Vielzahl der heutigen Comic-Events zu einer Übersättigung des Marktes und damit zu sinkenden Verkaufszahlen?
Um dieser Frage nachzugehen, habe ich mir alle erstplatzierten Hefte, seit wir auf unserem Blog mit den Verkaufszahlen im Juni 2009 angefangen haben, bis März 2012 angeschaut. 34 sind es an der Zahl. Wie viele dieser Hefte waren eigentlich Teil eines Events?
Mit 17 Heften waren es genau die Hälfte aller Comics, die zu einem Event gehörten. Bei den anderen Heften handelte es sich entweder um Debütausgaben einer neuen Serie oder um Comics, die etwas sehr Markantes enthielten wie z.B. Fantastic Four #587 (Tod von Johnny Storm). Eine Ausnahme der jüngsten Zeit war in dieser Hinsicht nur die neue Justice League Serie, die es nicht bloß mit ihrer Erstausgabe an die Spitze der Charts schaffte, sondern diese auch mit den nachfolgenden Heften #2-#6 jeweils weiter anführte.
Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung lieferte hier im März Avengers vs. X-Men #1, der Beginn des aktuellen Marvel-Events, der sich mit 203.181 Heften so gut verkauft hat wie kein Heft zuvor, in dem von mir hier beobachteten Zeitraum. Das letzte Heft, das sich über 200.000 Mal verkauft hatte (genauer gesagt über 300.000 Mal und mit weiteren Auflagen sogar über 500.000 Mal), war die berühmte Amazing Spider-Man Obama Ausgabe (ASM #583) vom Januar 2009.
Scheinbar sind die Comicleser also nicht durch die Vielzahl an Events übersättigt, sondern verlangen sogar nach mehr.
Warum sind Comic-Events so erfolgreich?
Comic-Events sind bei den Lesern sehr gefragt und liefern den Verlagen entsprechend höhere Verkaufszahlen. Doch warum ist das eigentlich so?
Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe. Zum einen werden solche Events meist von Top-Künstlern geschrieben und gezeichnet. Erfahrene Autoren wie zum Beispiel Geoff Johns (Blackest Night und Flashpoint) oder Matt Fraction (Fear Itself) schreiben die Stories und beliebte Zeichner wie Ivan Reis (Blackest Night), Andy Kubert (Flashpoint) oder Stuart Immonen (Fear Itself) zeichnen die Hauptserien der Events. Da überlassen die Verlage nichts dem Zufall. Als Leser weiss man daher, dass meistens eine hohe Qualität bei solchen Event-Serien vorhanden ist. Dazu kommt noch der Crossover-Gedanke. Fast immer beeinflusst ein solches Event mehrere oder sogar alle Serien eines Comic-Universums. Dadurch liest man als Stammleser einer Serie vielleicht auch weitere Titel, um das Ganze richtig zu verstehen. Im Idealfall für den Verlag schaut man im Zuge eines solchen Events sogar noch bei Serien rein, die man bisher links liegen gelassen hat, was natürlich auch für insgesamt höhere Verkaufszahlen sorgt.
Wozu dienen Events eigentlich?
Als profitorientierte Unternehmen streben die Verlage selbstverständlich eine Gewinnmaximierung an. Dies erreichen sie u.a. durch Umsatzsteigerung, will heißen je mehr Comics sie verkaufen, desto besser. Events sind für diesen Zweck mittlerweile seit Jahren ein bewährtes Mittel, kurzfristig den Verkauf anzukurbeln. Besonders durch den bereits erwähnten Crossover-Charakter vieler Events versucht ein Verlag seine Leser regelrecht dazu „zu zwingen“, möglichst viele Comics mehrerer verschiedener Serien zu kaufen.
Events können aber auch einen anderen Zweck haben. Zum Beispiel haben die Autoren mit Hilfe eines Events eine noch größere Möglichkeit als bei einem einfachen Story-Arc, einen Charakter oder eine bzw. mehrere Serien weiterzuentwickeln. Der Figur oder der Serien kann eine neue Richtung gegeben werden oder man kann sie auch zu alten Wurzeln zurückführen. Das funktioniert auch mit einem Arc, aber bei einem Event ist der Umfang oder die Tragweite einer solchen Aktion einfach größer. Wenn es denn gut gemacht ist, kann so etwas sicherlich ein Genuß für den Leser sein.
Oft nutzen die Verlage große Events aber auch zum Aufräumen ihres Universums. Dadurch, dass gerade Superhelden-Comics im Gegensatz zu Figuren wie Donald Duck, Luky Luke oder Asterix sehr stark von ihrer Kontinuität auch untereinander leben, kommt es mit den Jahren einfach immer wieder zu Unstimmigkeiten und Fehlern in den Superheldenuniversen. Dann benötigt ein Verlag wie DC oder Marvel ein größeres Event, um diese Fehler wieder auszubügeln und frischen Wind in seine Comics zu bringen. Ein gutes Beispiel dafür ist das berühmte DC-Event von 1985 Crisis on Infinite Earth. Um die Ungereimtheiten aus der Vergangenheit zu klären, hatte DC über die Jahre ein Multiversum geschaffen, in dem es viele Parallelerden und von jeder Figur mehrere Versionen gab. Das führte aber mit der Zeit zu einem immer unübersichtlicheren DC-Universum und schreckte viele Fans ab. Mit der „Crisis on Infinite Earth“ wurde damals in einer zwölfteiligen Maxiserie und vielen Tie-Ins dieses Multiversum zerstört und durch ein Universum mit nur einem Superman, einem Batman etc. ersetzt. In einem solchen Fall diente das Event also dazu, Ordnung zu schaffen, was damals auch ganz gut gelungen ist. An diesem Beispiel sieht man, was ein Event so alles bewirken kann, wenn es denn gut gemacht ist.
Wie stehe ich selber zu Events?
In den 1980er Jahren als Kind und in den 1990er Jahren als Jugendlicher haben mich solche Events höchstens am Rande interessiert. Ich habe meist nur die Hefte meiner Stammserien, Superman, Batman, Spider-Man und Hulk gelesen. Waren sie zufällig Teil eines Events, habe ich so oder so gelesen. Hauptserien oder andere Tie-Ins haben mich nicht interessiert. Die meisten Events aus dieser Zeit habe ich mir erst nachträglich in den letzten Jahren geholt. Denn so richtig auf den Event-Zug bin ich erst recht spät mit Infinite Crisis (DC) aufgestiegen. Das hat mir ganz gut gefallen und seitdem erwische ich mich deutlich öfters bei solchen Event-Mini-Serien. Doch auch heutzutage lese ich nicht alles davon. Wenn ich ein Event interessant finde, dann hole ich mir die Hauptserie und die Tie-Ins aus den Serien, die ich sowieso lese. Doch warum hat sich mein Leseverhalten in diese Richtung entwickelt? Das liegt wohl daran, dass ich heute nicht nur an meinen Lieblingshelden festhalte, sondern darüber hinaus am jeweils ganzen Comic-Universum und dessen Entwicklung interessiert bin. Und da liefern eben solche Comic-Events jede Menge sowohl positiven als auch negativen Stoff.
Fazit
Einige Leser (ich eingeschlossen) schimpfen öfters mal darüber, dass besonders die beiden großen Verlage Marvel und DC zu viele Events in zu kurzen Abständen bringen. Doch wenn man die Verkaufszahlen der letzten Jahre sieht, sind es gerade diese Events, die sich mit am besten verkaufen. Und wie soll man gegen 203.181 verkaufte Hefte von Avengers vs. X-Men #1 argumentieren? Es scheint ja offensichtlich von vielen Leuten gewünscht zu sein, ein solches Event aufzuziehen. Und da muss ich mich natürlich auch an die eigene Nase fassen. Einerseits mecker ich über einige Events, andererseits kaufe ich sie dann oft auch selber. Ich und auch die anderen Leser, die so etwas machen, sollten da besser nicht so laut drüber meckern. Wenn man keine oder weniger Events will, sollte man keine oder weniger Hefte davon kaufen. Events sind also weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Superheldencomic-Welt. Und so lange sie sich erfolgreich verkaufen, wird es sie in diesem Maße auch in Zukunft weiterhin geben.
Archiv: US Sales Charts Spotlights (ältere Folgen)
Abbildungen © Marvel, DC Comics, Image, IDW
Hinweis:
Diamond Comics Distributors, Inc., der größte Vertrieb von Comics in Nordamerika, veröffentlicht regelmäßig monatlich eine Verkaufsübersicht. Zwar spiegeln die Zahlen »nur« die Liefermengen des Großhändlers an die US-Comicshops wider (ohne Buchhandel und Diamond UK), aber sie können dennoch gut als Gradmesser für die Verkäufe an der Ladentheke dienen. Jeden Monat werden diese geschätzten Zahlen vom Branchendienst ICv2 bekanntgegeben und analysiert.
Über die Autoren
»Crayton« und »Der Nachbar« (beide Anfang 30, wohnhaft zwischen Köln und Düsseldorf) sind schon seit ihrer Kindheit begeisterte Comicfans. Neben Klassikern wie Asterix, Lucky Luke und Disneys Lustige Taschenbücher kamen auch recht schnell die Superheldengeschichten von Spider-Man & Co. in ihre Finger. Am 16. Juli 2009 startete Crayton seinen gleichnamigen Blog, in dem News, Reviews, TV-Tipps etc. zu US-Superhelden von Marvel und DC veröffentlicht werden. Unterstützt wird er dabei vom Nachbar, der sein Augenmerk mehr auf die kleineren Verlage und z.T. auch Manga legt.
Den Comic-Blog der beiden erreicht man hier: Craytons Comic-Blog