Kommentar
Der Gratis-Comic-Tag 2011 (kurz: GCT) wurde bereits aus verschiedenen Sichtweisen beleuchtet. Die Händler, die Leser, die deutschen Comicschaffenden kamen zu Wort. Etwas unterrepräsentiert war bislang die Situation der Kleinverlage, die teilweise in der Kritik standen, dass ihre Titel weniger beliebt waren, obwohl sie auch Qualitätsprodukte abgeliefert haben.
Guido Weißhahn, Inhaber des Dresdner Holzhof Verlags, schildert seine persönlichen Gedanken zur Thematik.
Der GCT und die Kleinstverleger
Ein Gast-Kommentar von Guido Weißhahn
Vorab: Der Gratis-Comic-Tag 2011 war aus meiner Sicht eine gelungene Sache. Die Produkte des Holzhof Verlags sind in erster Linie aufwändig recherchierte und restaurierte Comics aus Illustrierten und Kinderzeitschriften der DDR, die in A4-Heftform aufbereitet werden und seit fast sechs Jahren vierteljährlich erscheinen. Daneben verlegt Holzhof regelmäßig die Comics der Dresdner Künstlergruppe Beatcomix, die soeben zum dritten Mal in Folge vom ICOM ausgezeichnet wurden, und die Serie Die Virtonauten von Remory des Berliner Zeichners Hagen Flemming.
Der GCT bot mir die Möglichkeit, das Verlagsprogramm einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, und das zu überschaubaren Kosten. Gleichzeitig hatte ich den Anspruch, ausschließlich neues, bisher unveröffentlichtes Material im Heft zu bringen, im Gegensatz zu den meisten größeren Verlagen, die lediglich bereits veröffentlichte Produkte in das Heftformat packen. Also entstand mit Holzhof Comix 1 ein Heft, an dem insgesamt zehn Autoren und Zeichner beteiligt waren und das sechs sehr unterschiedliche Geschichten brachte, die vom kompletten Nachdruck einer 45 Jahre alte Comic-Strip-Serie über ein Science-Fiction-Abenteuer und eine Story aus dem Abrafaxe-Universum bis hin zu einer deftigen Wende-Satire reichten. Holzhof Comix 1 erzeugte bei den meisten, die es tatsächlich gelesen haben und von denen ich Rückmeldung bekam, positive Resonanz, was mir zeigt, dass wir inhaltlich nichts falsch gemacht haben.
Umso bedauerlicher war und ist für mich, dass das Heft wiederholt und anhaltend von den Händlern herausgepickt wurde als Beispiel für angesichts der Fülle von Heften „verzichtbare“ Comics zum GCT. Die von Matthias Hofmann aufgezählten Gründe mögen, jeder für sich genommen, durchaus valide sein – sie stammen aus einer Umfrage nach dem GCT, an der sich gerade mal ein knappes Viertel der teilnehmenden Händler beteiligte. Zieht man ins Kalkül, dass ich eher Rückmeldung gebe, wenn mich etwas stört, und dass selbst unter den Antwortenden KEINER war, der sich beim nächsten Mal nicht wieder beteiligen würde, relativiert sich das Ausmaß an Kritik.
Dennoch ein paar Repliken auf ausgewählte Vorwürfe. Da wäre zunächst das Argument, die Händler müssten Hefte bezahlen, die sie nicht loswürden. Erstens freut sich auch nach dem GCT jeder Kunde über Geschenke, zweitens, und das finde ich viel wichtiger, weil es in der Regel unter den Tisch fällt: Die Händler bekamen in diesem Jahr die 880 Comics zu nahezu demselben Preis wie im vergangenen Jahr die 600 Comics – und zwar, weil sich die Kleinverlage mit der neuen Startgebühr in den GCT einkauften, um die Heftkosten für die beteiligten Händler zu senken.
In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich Max Müller als gutem Geist hinter der Sache danken: Wie er die Fäden zusammenhält, wie er die disparaten Meinungen vermittelt und wie er dabei auf die Fairness zwischen den Beteiligten achtet, das finde ich richtig gut. Und dass die größeren Verlage ohne Vorbehalte der Startgebühr zugestimmt haben, die durch die Teilnahme der Kleinverlage nötig wurde, fand ich auch sehr zuvorkommend.
Das Argument des logistischen Aufwands für die Vertriebe und die Händler kann ich ebenfalls nachvollziehen, aber dabei dürfte es sich um Prozesse handeln, die sich mit wachsender Erfahrung mit dem GCT optimieren lassen, oder? Ich war am GCT mit einem eigenen Stand in Dresden dabei, und es gab hier nicht das geringste logistische Problem: Die 44 Hefte ließen sich sichtbar auslegen, eine mehrere Stunden nicht abreißende Schlange und frohe Gesichter sprachen für sich. Die meisten Kunden bekamen von mir das Holzhof-Heft auf ihre drei ausgewählten Titel noch obendrauf, und dieses Angebot hat keiner abgelehnt – vielleicht nehmen Comic Fans ja doch uneingeschränkt Geschenke an?
Natürlich waren auch in Dresden die bekannten Titel zuerst alle, aber - wiederum aus meiner Sicht als Kleinverleger – wer dann als Alternative Hefte mitnimmt, die er sonst nicht gewählt hätte, bekommt einen gratis Blick über den Tellerrand. Ging es nicht auch darum, die Kundschaft auf die Vielfalt der Comics aufmerksam zu machen?
Aber okay, es besteht nun offensichtlich Konsens darüber, dass die Anzahl der Titel zu groß war. Tatsächlich hatte der diesjährige Free Comic Book Day in den USA auch „nur“ 37 Hefte im Angebot, mit dem Unterschied, dass jeder beteiligte Verlag (einschließlich Marvel und DC) nur einen Titel am Start hatte. Es wird eine Reduzierung geben müssen, aber die Kriterien dafür sind nicht einfach entscheidbar.
Über die Qualität des Inhalts als Teilnahmekriterium lässt sich sowieso nicht diskutieren, denn was gut oder schlecht ist, liegt häufig im Auge des Betrachters. Wer sollte außerdem darüber entscheiden, und wie zeitig müssten die Hefte fertig sein, um der Jury Zeit zu geben? Keine realistische Idee also.
Die Händler an der Auswahl teilhaben zu lassen, wird zu einer Reduktion auf zehn gut gehende Titel der großen Verlage führen, da brauchen wir uns nichts vormachen. Bis auf die regelmäßig bei mir bestellenden Handelspartner hätte sicher niemand Holzhof Comix 1 auf die Liste gesetzt. Im Übrigen – gemessen am lauten Getöse einiger Händler nach dem GCT waren auf der Nachbesprechung in München, zu der man sie ausdrücklich eingeladen hatte, mit gerade mal zwei Vertretern erstaunlich wenig gekommen.
Das Argument, dass nur Verlage teilnehmen sollten, die über die beiden Vertriebe an den Fachhandel liefern, finde ich schlichtweg unfair – erstens, weil meine Produkte mit Endpreisen von durchschnittlich 6 € keinen Spielraum für 55-60% Rabatte für Handel und Vertrieb lassen (abgesehen von den Beatcomix-Alben, die im Fachhandel verfügbar sind), und zweitens, weil es einen Händler gerade mal eine Email kostet, für einen Kunden direkt bei mir zu bestellen und selbst da Rabatt zu bekommen. Gleiches gilt für das Argument eines jährlichen Mindestumsatzes – ich würde dafür bestraft, dass ich Comics mit Herzblut im Nebengewerbe verlege. Wiederum ist es Max Müller, der dieser Argumentation stets mit der Haltung begegnet, Kleinverleger nicht auf dieser Basis ausschließen zu wollen.
Eine Anthologie aus Kleinverleger-Material ist für mich keine Option. Erstens, weil ich selbst eine ganze Anthologie gefüllt habe und nicht wüsste, auf welche Beiträge ich verzichten sollte, zweitens, weil das Argument der Händler, die Kunden interessierten sich für solche Dinge weniger, dann genauso gilt, egal, wer hinter der Mischung steckt. Mix bleibt Mix.
Letztlich wird es sich über eine angepasste Startgebühr regeln. Und auch wenn das ein saurer Apfel ist, bei dem ich noch nicht absehen kann, ob ich nächstes Jahr reinbeiße, ist es doch immer noch das fairste unter den genannten Kriterien. Der GCT war, wie schon am Anfang gesagt, eine gute Sache und ich war mit Holzhof gern dabei. Und wäre es gern wieder, wenn es irgendwie möglich wird.
Abbildungen & Foto © Holzhof Verlag
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GCT 2011: Ein Kommentar von Guido Weißhahn
Guido Weißhahn (Jahrgang 1970) lebt und arbeitet als Psychotherapeut in Dresden. Leser und Sammler von Comics seit früher Kindheit, soweit das in der comicmäßig schwach besiedelten DDR möglich war. Seit 2000 Betreiber der Webseite DDR-Comics.de, die sich der illustrierten Dokumentation der Bildgeschichten und Comics der DDR widmet. Aufgrund zunehmender Nachfrage nach Printfassungen ging aus ihr 2005 der Holzhof Verlag hervor, der in mittlerweile 27 Ausgaben der Reihe Klassiker der DDR-Bildgeschichte lang verschollene Comics ans Licht brachte. Autor diverser Sekundärbeiträge über DDR-Comics in der Jahrbuchreihe Deutsche Comicforschung (comicplus+) sowie in einschlägigen Fanzines der ostdeutschen Szene.
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