»Da ist zwangsläufig diese Nacktheit, die zum Bad gehört, dann das Ritual rund ums Baden, wie man sich bewegt, wie man die Wände berührt. Das ist für mich einzigartig. Das gibt es so nur hier, nirgends sonst.« (Lucas Harari über die Therme in Vals)
FRISCH GELESEN: Archiv
Der Magnet
Story: Lucas Harari
Zeichnungen: Lucas Harari
Edition Moderne
Hardcover | 144 Seiten | Farbe | 32,00 €
ISBN: 978-3-03731-182-0
Genre: Architekturcomic, Gruselgeschichte
Für alle, die das mögen: Ligne Claire, François Schuiten, die TV-Serie Twilight Zone
Der Schweizer Architekt Peter Zumthor, der 2009 für sein Lebenswerk mit dem hoch angesehenen Pritzker Preis ausgezeichnet wurde, steht für eine sehr klare, massive, manchmal archaisch wirkende Architektur. Mein Lieblingsbau von ihm ist die Bruder Klaus Feldkapelle in der Eifel, die den von der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) geprägten Begriff der »spirituellen Architektur« perfekt verkörpert, doch sein offizielles Meisterwerk ist die Therme im Schweizer Vals, Kanton Graubünden. Das Gebäude besteht aus rund 60.000 Steinplatten mit je einem Meter Länge, die so gestapelt sind, dass sie an einen Steinbruch erinnern, aus dem riesige Quader herausgeschnitten wurden – die Menschen bewegen sich wie in verschachtelten Höhlen. Die Therme wurde 1996 eröffnet und steht seit 1998 unter Denkmalschutz. Ein Einzelstück, das mit nichts vergleichbar ist.
Unvergleichliches Einzelstück: die Therme im Schweizer Vals.
Der Franzose Lucas Harari hat das Gebäude mit seinem Vater besucht, als er 13 war, und war von ihm so beeindruckt, dass er es in den Mittelpunkt seiner ersten Graphic Novel stellte. Der Magnet ist die Geschichte eines von der Therme besessenen Studenten, der während eines Besuchs immer stärker in ihren Bann gerät, von alten Männern alte Mythen über die Gegend zu hören bekommt, eine kurze Liebesgeschichte erlebt, die völlig überflüssig ist, und schließlich in dem Bau verschwindet.
Ein Student verschwindet ...
Hararis Eltern sind Architekten und auch er hat Architektur studiert, ist dann aber auf Kunstdruck an einer Pariser Fachhochschule umgestiegen. Er hat einen fantastischen Blick für Räume und Gebäude, liebt die Ligne Claire, und auch Charles Burns scheint ihm nahe zu sein. Diese Einflüsse führt er zu einem grandiosen visuellen Stil zwischen Tim & Struppi und Black Hole zusammen, der am besten in stummen Passagen funktioniert, wenn die Räume, die Landschaft, die Körper oder die Dunkelheit für sich sprechen.
Hararis Stil funktioniert am besten in stummen Passagen.
Schwieriger wird es, wenn der Protagonist auf Nebenfiguren trifft, die alle abenteuerlich flache Charaktere sind, getrieben von monotonen Neigungen und Interessen, die nur dazu dienen, die dünne Handlung voranzubringen – der Plot hätte, kürzer erzählt und sehr viel schlechter gezeichnet, auch in ein altes Gespenster Geschichten gepasst. Das fällt besonders auf, weil zwischen Grafik und Inhalt ein enormes Gefälle besteht. Glücklicherweise sind die Bilder stark genug, um die kleine Gruselgeschichte zu retten. Sie sorgen für einen schönen Lesefluss, in dessen Sog man sich gerne fallen lässt, ohne groß darüber nachzudenken. Das passt gut zur Therme Vals, der es ebenso unauffällig gelingt, die Besucher vergessen zu lassen, dass sie auch nur ein Schwimmbad ist.
[Peter Lau]
Abbildungen © 2018 Edition Moderne
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