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Frisch Gelesen Folge 58: Asterix 36

asterix 36 teaser

»Ja, viele Leute neigen dazu, zu glauben, was geschrieben steht. Ein seltsames Phänomen!« (Miraculix)


FRISCH GELESEN: Archiv


asterix 36 cover

Asterix Band 36: »Der Papyrus des Cäsar«

Story: Jean-Yves Ferri
Zeichnungen: Didier Conrad

Egmont Ehapa Media
Softcover | 48 Seiten | Farbe | 6,50 €
Ehapa Comic Collection
Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISBN: 978-3-7704-3890-7
Außerdem als: Luxusedition (limitiert auf 999 Exemplare, 49,99 €) und Art Book (limitiert auf 499 Exemplare, 199,0 €)

Genre: Funny

Für alle, die das mögen: frankobelgische Funny-Klassiker, Lucky Luke


 

Man hätte es nicht besser inszenieren können: Kurz vor dem weltweit gesteuerten Erstverkaufstag, dem 22. Oktober 2015, gab es doch tatsächlich ein »Leak« im System des deutschen Buchhandels.

Obwohl es dem Handel strengstens verboten war, das Album früher zu verkaufen, war der Journalist Dorin Popa zwei Tage zuvor in Münchens Hohenzollernstraße unterwegs und … kaufte sich einfach ein Exemplar. Der TZ gibt er später zu Protokoll: »Bei einer Buchhandlung habe ich fast versteckt vor der Tür am Boden zwei Bände des neuen Asterix entdeckt. Ich dachte wirklich, ich sehe nicht recht, aber dann, dass die Veröffentlichung vielleicht vorgezogen wurde oder etwas in der Art. Auf jeden Fall war klar, dass ich sofort einen haben muss. Ich hatte ein Eis in der Hand und sogar Angst, dass mir jemand die Bände wegschnappt, wenn ich das Eis erst zu Ende esse. Ich habe also kurz gefragt, ob ich ausnahmsweise kurz mit Eis in den Laden könnte, nur um schnell den Asterix zu bezahlen. Ich habe mir noch eine Quittung geben lassen und immer noch nicht viel dabei gedacht. Allerdings hab ich ein Foto von den Bänden in der Auslage gemacht, um zu dokumentieren, dass ich sie wirklich dort gekauft habe.«

Und dann twitterte er dies: Erster?. Natürlich mit Fotobeweis. Und löste eine kleine Medienwelle aus, die es bis ins Fernsehen schaffte.

Asterix 36 Leseprobe

Der neue Bösewicht kontrolliet die Medien: Rufus Syndicus

»Der Papyrus des Cäsar« heißt der zweite Band des nicht mehr ganz so neuen Teams, Jean-Yves Ferri und Didier Conrad. Nach dem Reiseabenteuer »Asterix bei den Pikten«, welches vor zwei Jahren wohlwollende Kritiken bekam, war man nun gespannt, ob und wie sich das Duo aus dem Fahrwasser von Goscinny und Uderzo freischwimmen konnte.

Nach der Lektüre des Comics steht nun fest: Ja, das konnten sie. Dieses neue Abenteuer macht nämlich so richtig Spaß. Dass Didier Conrad sein Handwerk versteht und auch die fast schon erdrückende Kunst eines Albert Uderzo in weiten Teilen verinnerlichen kann, nicht ohne sie mit seinem eigenen Strich besonders zu machen, war klar. Bereits sein zweites Album gibt grafisch nicht wirklich Anlass zu Kritik. Die Figuren, die Panelaufteilung, die ganzen kleinen Details, das sitzt und dürfte auch die größten Kritiker zufrieden stellen.

Dass Jean-Yves Ferri schreiben kann, war ebenfalls klar, aber der Schatten des großen René Goscinny überdeckt seit dessen Tod 1977 alles was danach kam.

Die Grundthematik ist so einfach wie clever. Ferri entwickelt mit seinem Plot nicht nur den Ursprung des Journalismus, sondern persifliert auch moderne Kommunikationsmethoden, deckt deren Schwächen auf und schafft das kongeniale Kunststück, zum Ende der Geschichte auch noch den Ursprung der Comicserie Asterix an sich zu erklären. Das Postskriptum am Schluss ist eine echte und überraschende Glanzleistung, die ihm sicher keiner zugetraut hätte. Sie führt den Faden aus der Zeit Cäsars bis nach 2015.

Diese Grundidee schafft, wie bei Goscinny, mehr als eine Ebene der Unterhaltung, so dass der Band sowohl jugendliche als auch erwachsene Leser anspricht: Cäsar hat mit »Kommentare zum Gallischen Krieg« ein Buch geschrieben. Dessen Kapitel XXIV beschreibt die »Rückschläge im Kampf gegen die unbeugsamen Gallier in Aremorica«, was Verleger Rufus Syndicus auf den Plan ruft. Er rät Cäsar, dieses Kapitel zu streichen, wonach plötzlich gelten würde: »Wir befinden uns im Jahre 50 v. Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt … Ganz Gallien? Ja!«

Der Plan geht jedoch nicht auf, denn einem der numidischen Schreiber gelingt es, eine Schriftrolle mit einer Kopie des brisanten Kapitels zu entwenden und Polemix, einem Kolporteur von Neuigkeiten, zuzuspielen: »Der Papyrus des Cäsar! Dieses Dokument wird das Römische Reich bis in seine Grundfesten erschüttern!« Denn natürlich macht sich Polemix auf, um eben diese unbeugsamen Gallier um Asterix zu informieren …

Asterix 36 Leseprobe

Neues Kommunikationsmedium für die Römische Armee:
die Flatrate für Kurznachrichten mittels Tauben

Die Thematik ist hoch aktuell: Nicht nur Wikileaks und Whistleblower Julian Assange, nach dem Polemix gestaltet wurde, werden verarbeitet, es gibt viele Anspielungen auf moderne Kommunikationsmethoden. So wurde die Römische Armee mit der »neusten Nachrichtentechnik« ausgerüstet: Brieftauben, die Kurznachrichten übermitteln können oder auch schon mal aus Versehen ohne Zettel an den Füßen losgeschickt werden (»Wir haben den Anhang vergessen …«). Zwitschernde blaue Twitter-Vögelchen, Missbrauch eines Informationsmonopols, römische Wachen mit Namen wie Datenflus und Antivirus und all der Dinge mehr zeigen wie viel Gedanken sich die Kreativen um die Reichhaltigkeit ihrer Geschichte gemacht haben.

Natürlich gibt es für die Asterix-Kenner haufenweise Running Gags und Wiedererkennungspunkte in der Story. Die Piraten fehlen ebenso wenig, wie das Wildschweinessen. Klaus Jöken, der Übersetzer, trug erneut sein Scherflein dazu bei, dass die deutsche Ausgabe vor Wortspielen nur so strotzt (manchmal etwas zu bemüht, aber das ist zu verschmerzen). »Der Papyrus des Cäsar« ist was für die alten Hasen, die Fans und, das ist besonders erfreulich, auch für die Masse, die einfach mal wieder einen Comic genießen möchte. Ein konzeptioneller Spagat, der heutzutage kaum noch gelingt. Dieser neue Asterix muss in seiner Gesamtheit als gelungenster Asterix nach Goscinny gewertet werden: Es ist das beste Album seit 1977.

Das ist zugegebenermaßen nicht extrem schwierig, da besonders die letzten von Uderzo allein gestalteten Alben grenzwertig schlecht waren, aber es zeigt, dass das Erbe von Goscinny und Uderzo bei Ferri und Conrad in den richtigen Händen gelandet ist. Ideen für das nächste Album hat Ferri schon. So soll's sein.

[Matthias Hofmann]

Asterix 36 Leseprobe

Wiedersehen mit alten Schauplätzen: der Karnutenwald aus »Asterix und die Goten«

Abbildungen © 2015 Les Éditions Albert René / deutsche Ausgabe: Egmont Ehapa Media


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