Frisch Gelesen Folge 274: Donald macht Urlaub



FRISCH GELESEN: Archiv


Donald macht Urlaub

Story: Frédéric Brémaud
Zeichnungen: Federico Bertolucci

Egmont Comic Collection
Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 29,00 €
ISBN: 978-3-7704-0239-7

Genre: Funny, Familie

Für alle, die das mögen: Das Lustige Taschenbuch, Walt Disney, alle alten Disney-Filme, insbesondere Bambi (wegen der Natur)



Ich weiß ja nicht, wie es Euch geht, aber über die Jahre habe ich mir Donald Duck, Micky Maus (nicht Mickey Mouse) und Co. irgendwie abgewöhnt. Aufgrund meines Alters gehöre ich noch zu der Generation, die die ersten Bände der Lustigen Taschenbücher im Original kaufen konnten – aber leider nicht den heutigen Wert abschätzen konnten.

Micky Maus war nicht meine oberste Priorität, aber die Geschichten um Donald Duck, Entenhausen und alles, was dazu gehört, habe ich geliebt. Nach den unzähligen Wiederveröffentlichungen der Geschichten von Carl Barks und Don Rosa hatte ich das Kapitel Disney-Universum für mich persönlich eigentlich beendet. (Was natürlich nicht ganz stimmt, gerade bin ich fasziniert von der Gesamtausgabe von Don Rosa und habe mich erneut in diese Geschichten verliebt. Aber das ist ja im Grunde nur eine Art von Historienbewältigung und hat mit den aktuellen Neuerscheinungen aus dem Disney-Universum, über die ich auch keinerlei Überblick habe, nichts zu tun.) Irgendwann 2017 habe ich dann einen der ersten Bände von Glénats Veröffentlichungen in die Hände bekommen, die eine völlig neue künstlerische Interpretation der Entenhausen-Welt präsentierten. Es war kein Heftchen, es war kein Taschenbuch, tatsächlich war es ein gebundenes Hardcover-Album in einem damals ungewöhnlichen Format und stammte von einem renommierten Künstler der frankobelgischen Comicszene: Coseys Eine geheimnisvolle Melodie oder wie Micky seine Minnie traf.

Seitdem kann ich es kaum erwarten, dass ein neuer Band dieser Reihe erscheint – Donald oder Micky völlig egal, Hauptsache es ist wieder eine dieser neuen Interpretationen, die ein ums andere Mal zu fesseln und zu überraschen wissen. Und auch diesmal ist die Überraschung gelungen. Dass ein Comic auch ohne Sprechblasen und ganz ohne Onomatopoesie wie »uff«, »argh« oder »zack« auskommen kann, beweisen Federico Bertolucci und Frédéric Brémaud alias Brrémaud mit Donald macht Urlaub nicht zum ersten Mal. Schon ihr Comic Love über Raubtiere (Tokyopop, drei Bände) und die Fantasyreihe Brindilla (Splitter, zwei Bände) über eine Fee kam ganz ohne oder mit nur wenigen Worten aus.

Donald, genervt von dem alltäglichen Krach in Entenhausen, beschließt, dem Stress zu entfliehen und macht sich mit Sack und Pack auf, die Ruhe der Natur zu suchen. Schon auf dem Weg dahin, macht er mit Stinktieren, Steinböcken und unleidlichen Eltern kleiner Adler erste unerfreuliche Bekanntschaften, aber das soll nicht alles sein. Tatsächlich entpuppt sich die vermeintliche Ruhe eher als Aufeinandertreffen eines genervten Städters und einem Ökosystem, das wahrlich nicht auf ihn gewartet hat. Jeder Versuch Donalds, sich an der Natur zu erfreuen, scheitert an den natürlichen Lebensgewohnheiten der Tiere, die sich, wie er in Entenhausen, von exogenen Einflüssen mehr als gestört fühlen. Dabei trifft Donald auf viele alte Bekannte wie Ahörnchen, Behörnchen und Humphrey, den Bären.

Letztendlich gibt es für den ganz offensichtlichen Zwiespalt nur eine Lösung, die eigentlich auf der Hand liegt und dazu führt, dass jeder da bleiben sollte, wo er hingehört.
Für diese Geschichte braucht es tatsächlich keine Sprechblasen und keine Lautmalerei, sie funktioniert völlig ohne diese Zutaten, fast cineastisch, ein bisschen wie die uralten Disney-Filme des vorherigen Jahrhunderts.
Aber auch in dieser Herangehensweise gibt es im Ergebnis und Vergleich mit anderen Publikationen ganz immense Unterschiede.

Mit Super Micky – ich kann mich auch nach so langen Jahren nicht daran gewöhnen, dass Mickey Mouse hierzulande Micky Maus ist – hatte der Flame Pieter De Poortere als Autor und Zeichner seine Hommage an das Disney-Universum vorgelegt, die durch einen eigentümlichen, kindlich infantilen Zeichenstil geprägt war und ebenfalls gänzlich ohne Worte ausgekommen ist. Bis auf ein paar wohl unverzichtbare Onomatopöien (»RRRON«, »BIP«, »SCHNUFF«) sparte auch er Comicdialoge komplett aus. Das hatte dieser Geschichte keinen Abbruch getan, die Handlung war ebenfalls ohne Weiteres nachvollziehbar und trotzdem gibt es hier qualitative, ja geradezu »quantenhafte« Unterschiede. Das angesprochene cineastische Gefühl kommt in Super Micky nicht ansatzweise auf und markiert damit den elementaren Gegensatz.

Für diesen cineastischen Eindruck zeichnet nicht zuletzt die Farbgebung Bertoluccis verantwortlich. Sie erinnert an die gute alte Zeit, vermittelt das Wohlgefühl des antiken Technicolors und lädt zu einer Lektüre des Wohlbefindens ein. Übrigens eignet sich so ein Comic auch ganz besonders, Enkelkinder an das Medium der Neunten Kunst heranzuführen und wenn es überhaupt ein Manko gibt, dann, dass das Lesevergnügen natürlich etwas zu kurz kommen könnte.

Bleibt zum Schluss nur die Anregung, das Konzept unterschiedlicher Formate, das zu Beginn der Reihe noch stärker verfolgt wurde, fortzuführen. Gerade auch ein ungewöhnliches Format kann die Einzigartigkeit der Geschichten noch zusätzlich unterstreichen.

[Stephan Schunck]

Abbildungen © 2022 Disney Enterprises Inc.


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Oder beim Verlag: Egmont Comic Collection