Die Gallier sind zurück! Im Vorfeld wurde viel geschrieben, gemunkelt und gerätselt über »Asterix bei den Pikten«. Jetzt ist er da, der fünfunddreißigste Band, der bereits vor dem offiziellen Erstverkaufstag aufgrund einer immens hohen Zahl von Vorbestellungen die Bestellerlisten anführte. Für CRON hat das neue Abenteuer von Asterix, Obelix & Co. kein geringerer als Georg F.W. Tempel gelesen, der von 1991 bis 2009 beim Asterix-Verlag Ehapa in führender Position tätig war (zuletzt als Verlagsleiter der Egmont Verlagsgesellschaften). Tempel hatte damals hautnah miterlebt, wie die letzten fünf Alben auf den deutschen Markt kamen.
Asterix 35: »Asterix bei den Pikten«
Beginn der 3. Staffel: Noch rechtzeitig die Kurve gekriegt
VON GEORG F. W. TEMPEL
Acht Jahre sind mittlerweile vergangen, seit das letzte große Asterix-Abenteuer veröffentlicht wurde. Der Band Das goldene Buch (2009) kann ja nun wirklich nicht als »echter« Asterix gezählt werden.
2005 lud der damalige Marketing-Berater der Firma Albert-René, Bernard de Choisy, seines Zeichens Ehegespons der Uderzo-Tochter Sylvie, die Journaille nach Brüssel, um dort den 33. Asterix-Band anzukündigen. Gleichzeitig feierte auch die damals größte Asterix-Ausstellung Le monde miroir d’Astérix in der belgischen Hauptstadt ihre Premiere, die aber so überdimensioniert war, das sie ihre Kosten nie einspielte. Und Albert Uderzo steuerte eine 145 qm große Asterix & Obelix-Zeichnung zu dem Parcours BD bei. Das Gemälde ist in der Rue de la Buanderie 15 zu bewundern.
An diesem Tag im September 2005 stand Brüssel also völlig im Zeichen von Asterix. Und wer das Glück – oder wie ich die privaten Beziehungen – hatte, abends dem großen Dinner mit Albert und seinen Weggefährten beizuwohnen, fühlte sich an Kaiser Cäsar aus einem der der Asterix-Bände erinnert, der wohlwollend Hof hielt, sich von seinem Staat feiern ließ. De Choisys Inszenierung war perfekt. Albert Weinberg, Dany oder Jean Graton – selbst Stars in der frankobelgischen Szene – hielten Elogen auf den Schöpfer des kleinen Galliers, wobei sich Uderzo selbst nicht so richtig wohl dabei fühlte. Jedenfalls war die Vermarktungsstrategie für den damals neuen Band perfekt aufgegangen. Die ganze (Comic-)Welt hielt den Atem und wartete mit Spannung auf Gallien in Gefahr.
Frisch vom Kiosk: Der neue Asterix!
Und dann erschien der Band und das sonst so heile Universum der Neunten Kunst geriet aus den Fugen. Eine dünne Geschichte um eine außerirdische Bedrohung des gallischen Dorfes und seiner Bewohner und ein Ende das an die berühmte Traumstaffel in Dallas erinnerte – Bobby Ewings Tod war nur ein böser Traum seiner geliebten Pamela – ließen Zweifel an Uderzos geistigem Zustand aufkommen. Vielleicht war der Alte nun endgültig übergeschnappt. Da half es auch nichts, dass dieses Album angeblich eine Hommage an Walt Disney sei. Allerdings war aus dem inneren Zirkel von Albert-René zu vernehmen, dass die Einflüsterungen und das Drängen des lieben Schwiegersohns, man solle doch ein Abenteuer für die jüngeren Leser schaffen, eher die Ursache für das Debakel waren. Nomen war plötzlich Omen und Gallien tatsächlich in Gefahr, im Sumpf der Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Und nun liegt also das neue Abenteuer der gallischen Helden, der 35. Band, vor mir. Tochter Sylvie und Schwiegersohn Bernard sind in der Versenkung verschwunden, Uderzo hat die Zügel an seinen ehemaligen Vertrieb Hachette übergeben, und mit Jean-Yves Ferri (Text) und Didier Conrad (Zeichnungen) wurden frische Pferde vor den Wagen gespannt. Aber viel wichtiger, die Erwartungen an die Novität sind nicht sonderlich hoch, denn unterirdischer als vor acht Jahren kann es kaum noch werden. Asterix bei den Pikten steht auf dem Cover, was schon einmal gut ist, erinnert der Titel doch an die gute alte Zeit als die Bände noch Asterix bei den Briten, Asterix und die Normannen oder Asterix in Spanien hießen und eine Reise zu fremden, oft merkwürdigen Kulturen versprachen. Auch die Coverillustration verspricht ein lustiges Abenteuer auf den folgenden Seiten.
Schon auf der ersten Seite befinden wir uns in gewohnter Szenerie – das Dorf unserer Gallier, die ihrem geschäftigen, wenn auch winterlichen Treiben nachgehen. Also ein Tag wie immer, bis Obelix am Strand einen in eine Eisscholle eingefrorenen hübschen Pikten findet, der in Miraculix‘ Hütte aufgetaut wird und dem die Damenwelt sofort verfällt. Schön auch die kleinen aktuellen Anspielungen, wenn etwa Majestix davon spricht, dass das Versprechen auf Asyl für Gallier kein leeres Versprechen sei. Oder Namen wie Jellosubmarine oder Habdenblus.
Man fühlt sich sofort heimisch in diesem Abenteuer um Pikten, Römer und Piraten, und die Reise ins Heimatdorf des schottischen Jünglings Mac Aphon ist voller Gefahren, Merkwürdigkeiten und seltsamer Gestalten. Nein, diese Geschichte ist nicht im Entferntesten mit dem erzählerischen Abgrund des letzten Uderzo-Bandes zu vergleichen. Der Altmeister hat dann doch noch rechtzeitig die Kurve gekriegt und sein zeichnerisches wie Goscinnys textliches Erbe in erfahrene Hände gelegt.
Der in Deutschland eher unbekannte Ferri und Zeichner Conrad, der bei uns vor allem durch Helden ohne Skrupel bekannt wurde, scheinen einen großen Schluck aus der Pulle mit dem geistigen und handwerklichen Zaubertrank der Asterix-Schöpfer genommen zu haben. Schon lange war kein Band mit den unbesiegbaren Galliern so frisch und rund gewesen.
Hier stimmt auf den ersten Blick alles. Jean-Yves Ferri kann mit seiner Geschichte sehr wohl an die Hochzeit der 1960er und 1970er Jahre anknüpfen, als René Goscinny noch für die Storys verantwortlich zeichnete. Und Didier Conrad muss sich nicht hinter Albert Uderzo verstecken. Im Gegenteil, er hält nicht nur das hohe Niveau, das der heute 86-jährige Asterix-Schöpfer vorgegeben hat, sondern verleiht den Zeichnungen eigene frische Akzente, die die Figuren lebendig und liebenswürdig machen.
Wenn Die Welt schreibt, dass es sich um den besten Asterix seit 35 Jahren handelt, ist das sicher übertrieben, aber Asterix bei den Pikten ist ohne Frage der beste Asterix seit langer Zeit. Der lange dahinsiechende Patient ist gesundet und hat eine enorme Frischzellenkur erhalten, die ihn wohl auch noch für die nächsten Jahre fit halten wird. Denn bei aller Freude der Comicfans stecken hier auch massive finanzielle Überlegungen dahinter. Hachette dürfte ein hübsches Sümmchen für die Rechte hingeblättert haben, und die sollen sich natürlich auch wieder amortisieren, und dafür benötigt man eine attraktive Serie, die nicht nur die Fans entzückt, sondern auch neue Käufer anlockt.
In Frankreich gibt man sich optimistisch: Die Startauflage von fünf Millionen Exemplaren soll »für die ersten zwei Wochen genügen«.
Frisch aus Paris mitgebracht: Geo Histoire und Liberation mit Asterix-Aufmacher
Abbildungen © 2013 Les Éditions Albert René
Die nackten Faken
Asterix Band 35: »Asterix bei den Pikten« (Originaltitel: »Asterix chez les Pictes«)
Text: Jean-Yves Ferri, Zeichnungen: Didier Conrad
Aus dem Französischen von Klaus Jöken
Egmont Comic Collection, Hardcover, Farbe, 48 Seiten, 29 x 22,2 cm, 12,00 €, ISBN 978-3-7704-36354
Egmont Ehapa, Softcover, Farbe, 48 Seiten, 6,50 €
Auch als eBook: iTunes
Weiterführende Links:
Homepage des Verlags: Egmont Comic Collection und Egmont Ehapa