Frisch Gelesen Folge 19: Rückkehr in den Kongo

Rückkehr in den Kongo

»Schön, Sie wiederzusehen, Chef. Gut sehen Sie aus, trotz all der Jahre.«
»Lass dein Gesülze, Gus. Man verbringt keine zweiundzwanzig Jahre im Loch, ohne eine miese Fresse zu kriegen.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Rückkehr in den Kongo

Rückkehr in den Kongo

Story: Yves H.
Zeichnungen: Hermann

Kult Editionen
Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 14,95 €
ISBN: 978-90-89820-85-3

Genre: Abenteuer

Für alle, die das mögen: Hermann-Comics, 1920er Jahre Pulp


Rentner? Das sind die anderen. Im fortgeschrittenen Alter, wenn die meisten sich auf ein geruhsames Seniorenleben einrichten, scheint der Belgier Hermann Huppen, der seinen Fans schlicht als »Hermann« bekannt ist, anders gestrickt zu sein. Der produktive Zeichner, der uns die Optik frankobelgischer Abenteuerklassiker wie Comanche, Andy Morgan, Jeremiah oder Bos Maury geschenkt hat, liefert jedes Jahr mindestens ein Comicalbum ab, tendenziell eher zwei. 2013 ist er 75 Jahre alt geworden und zeichnet weiterhin Comicseite um Comicseite als gäb's kein morgen … und wenn er nicht im Studio sitzt, dann besucht er noch regelmäßig Comicfestivals.

Rückkehr in den Kongo

Verirrt aus Chicago? Ganoven im Kongo

Hermanns Comics sind inzwischen jenseits von Gut und Böse. Nicht im Sinne von Friedrich Nietzsches Philosophie, sondern dergestalt, dass man gut abschätzen kann, was man bekommt. Seine Zeichnungen haben ein gewisses Niveau, das nicht unterschritten wird. Zwar sind seine Helden im Laufe der Jahre etwas stämmiger und gesetzter geworden und seine Frauen nach wie vor eher hässlich, aber sein Panelaufbau, seine Kolorierung und der Gesamteindruck seiner Kunst, sind stets äußerst gelungen. Eben: Hermann ist Hermann ist Hermann. Wer ihn kennt, wird nicht überrascht, aber das will der geneigte »Hermannerianer« in der Regel auch nicht mehr werden.

Sein Hausverlag hierzulande sind die Kult Editionen in Wuppertal. Dort bringt man seit einiger Zeit jedes neue Hermann-Album parallel zum Original auf Deutsch heraus. So auch geschehen mit dem neusten Album Rückkehr in den Kongo, ein serienunabhängiger Einzelband. Solche Happen schiebt der Huppen immer mal wieder dazwischen. Das kann man lesen, das tut nicht weh. Es haut einen aber auch nicht vom Hocker. So wie zuletzt der gebremste Thriller Vollmondnacht.

Seit einigen Jahren schreibt Hermanns Sohn Yves die Geschichten. Dieser ist beileibe kein Greg, welcher zu Hermanns besten Zeiten die Szenarios schrieb. Die Geschichten des Sohnemanns sind leider sogar oftmals eher platt und uninspiriert. Womit wir bei Rückkehr in den Kongo angelangt wären, dem neusten Wurf das Vater-Sohn-Duos.

Rückkehr in den Kongo

Tim im Kongo? Auch Tintin wird mal älter ...

Eigentlich ist die Grundidee für dieses Album sogar wirklich reizvoll. Die Handlung spielt 1928, als der Kongo noch belgisch war, und, hey, es war auch die Zeit als Reporter Tintin im Hinterkopf von Hergé Gestalt annahm. Das erste Abenteuer von Tim erschien bekanntlich im Januar 1929 in einer Heftbeilage der Zeitung XXième Siècle. Bereits in der zweiten großen Geschichte verschlug es Tim in den Kongo.

So ist die Story von Rückkehr in den Kongo voller kleiner Anspielungen auf die Comics des Georges Remi, wie der Belgier Hergé mit bürgerlichem Namen hieß. Angefangen mit dem Namen der Hauptperson Rémy Georget (der auch noch zeichnender Reporter für eine Zeitung ist), über das Aussehen dessen Onkels Celestin (der aussieht wie ein alter, versoffener Tintin) bis hin zu einem abgebrühten Seebären (für den Kapitän Haddock Pate gestanden hat) finden sich einige aus Tim und Struppi bekannte Charaktere wieder. Das gesamte Ambiente, Kolonialafrika, die alten Autos und Flugzeuge passen, aber die Geschichte ist so schablonenartig konstruiert und die Dialoge sind so schrecklich simpel, dass die Vorfreude, die sich eventuell beim Vernehmen des Settings breitgemacht hatte, nach ein paar Seiten schnell verfliegt.

Nach 22 Jahren wird Augustin Blom aus dem Knast entlassen und schwört (na, was wohl?): Rache! Wenig später wird Evariste Brancard umgebracht. Bei seinen Recherchen entdeckt der Reporter Rémy Georget eine Verbindung von dem Toten zu seinem im Kongo verschollenen Onkel Celestin. Auf der Schiffsreise dahin passiert ein Mord, für den Georget natürlich verantwortlich gemacht wird. Er wird gefangen genommen, kann aber fliehen …

Rückkehr in den Kongo

Humor à la Yves H.

Über die völlig vorhersehbare Handlung von Yves H., der stellenweise versucht witzig zu sein, breiten wir einen dicken Mantel des Schweigens. Richtig gelungen sind wenigstens die Zeichnungen von Hermann. Ob das alte Brüssel im Jahre 1928 oder die Flora und Fauna von Afrika, mit ihren Löwen, Nilpferden, Giraffen oder die Szenerie an den Borongo-Wasserfällen, das ist insgesamt grafisch ansprechend und schön anzuschauen.

Für Hermann-Fans ist der Band trotz der schwachen Story ein Pflichtkauf und gehört in die Sammlung. Der Rest kann einen Bogen um diese eher überflüssige Kongo-Episode machen. Die Aufregung über die völlig verkorkste grundsätzlich interessante Storyidee könnte sonst unnötig viele Nerven kosten.

[MH]  

Abbildungen © 2013 Yves H. & Hermann / Kult Editionen


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