»Der da? Nie gesehen! Aber der da, der ist ein Schweinehund! Ein elender Schweinehund!«
FRISCH GELESEN: Archiv
Der Schweinehund 1: »Isabel«
Story: Régis Loisel
Zeichnungen: Olivier Pont
Carlsen Comics
Hardcover | 96 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 978-3-551-79357-7
Genre: Thriller, Abenteuer
Für alle, die das mögen: Loisel, Dschungelabenteuer
Der Franzose Régis Loisel wird am 4. Dezember 69 Jahre alt. Als Loisels größter Erfolg zählt die Serie Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit, die gerade bei Carlsen eine Neuedition als Gesamtausgabe erlebt. Besonders die ersten vier Bände, nach Szenarien von Serge Le Tendre, erschienen in den 1980er Jahren, werden sowohl von Kritikern als auch Lesern und Sammlern genannt, wenn es um die besten frankobelgischen Fantasycomics aller Zeiten geht.
Der inzwischen in Kanada residierende Künstler teilt dort ein Atelier mit seinem ebenfalls aus Frankreich ausgewanderten Kollegen Jean-Louis Tripp. Als Szenarist schuf er mit Tripp zusammen die Serie Das Nest, von der bei Carlsen ebenfalls gerade der Startschuss für eine Gesamtausgabe gegeben wurde.
Loisel, dessen Werk mit Preisen überhäuft wurde (u.a. wurde er 2003 mit dem »Grand Prix de la Ville d'Angoulême« ausgezeichnet), muss sich nichts mehr beweisen und längst entwirft er lieber die Geschichte und gibt höchstens Hilfestellung beim Layout, als selbst einen kompletten Comic zu zeichnen.
Das erste Panel: Willkommen im Dschungel
Als Autor hat er sich nun mit dem Zeichner Olivier Pont zusammengetan. Dieser war mal ein großes Talent, veröffentliche 2004 den bemerkenswerten Zweiteiler Jenseits der Zeit (auf Deutsch 2005 in einem Band bei Carlsen, siehe auch ALFONZ-Enzyklopädie Folge 11), entschwand dann der Comicbranche für rund eine Dekade und konnte seit seiner Rückkehr jedoch nicht so richtig an seine ersten Erfolge anknüpfen.
Das könnte sich mit der Veröffentlichung der neuen Serie Der Schweinehund ändern, da bereits die Kollaboration mit einem Altmeister wie Loisel für ziemlich viel zusätzliche Aufmerksamkeit sorgt.
Verirrt im Wald: Anti-Held Max läuft Frauen und den Ereignissen hinterher
Die neue Serie, die als Trilogie konzipiert sein soll, aber wir wissen ja, dass so manche Story ab Band 3 ein Eigenleben entwickeln kann, wird als Thriller vermarktet. Es geht um einen jungen Mann namens Max, der auf der Suche nach seinem Vater ist.
Das Exotische an diesem Projekt ist, dass seine Recherchen ihn in den brasilianischen Dschungel führen. Und zwar so tief, dass er mit dubiosen Gestalten in Berührung kommt, die in weit abgelegenen Holzfäller-Camps arbeiten, wo Gewalt, Prostitution und sogar der Tod nichts Ungewöhnliches sind. Ein Menschenleben zählt quasi nicht viel.
Die eigentliche Handlung beginnt mit drei Freundinnen, die man heutzutage mit dem Label »BFF« kennzeichnen würde. Es sind die drei Cs: Christelle und Charlotte sind Krankenschwestern und reisen als Vertretung eines Arztes, der dringend mal Urlaub braucht, in den Dschungel und Corinne, die Dritte, ist eine Art Aussteigerin, die schon länger vor Ort lebt. Weil es gerade en vogue zu sein scheint, sind die Krankenschwestern lesbisch und die Dritte schläft gleich am ersten Abend mit Rechercheur Max. Dieser wiederum fängt sich bei der Sexaktion einen Tripper ein und schon hat man ein zusätzliches Rätsel, nämlich die Frage, was sich Loisel wohl bei diesem Plot-Aspekt gedacht hat.
Erste Nacht in Brasilen: Die einen vögeln, die anderen schnarchen
Das Hauptmysterium ist jedoch die Queste nach dem Vater. Die Mutter von Max ist vor nicht allzu langer Zeit gestorben. Er hat nur zwei Fotos aus seiner Kindheit bei sich, auf denen er und seine Mutter abgebildet sind und jeweils ein anderer Mann. Einer davon müsse sein Vater sein und die Spur führt ins Dschungelcamp.
Loisels Szenario enthält die nötigen Grundzutaten für eine spannende Geschichte, wobei die Protagonisten, allen voran Max, seltsam blass bleiben. Er ist eine Art Spielball, der mehr oder weniger planlos durch den Plot eiert.
Die Zeichnungen von Pont sind wahrscheinlich einem gewissen Prozentsatz der Leserschaft zu verspielt und cartoonesk. Ich persönlich mag diesen Stil, denn mir gefällt auch der von Zeichnern wie Pierre Alary (SinBad). Carlsen hat dem Band auch ein größeres Albumformat spendiert, womit die Comickunst von Olivier Pont schön zur Geltung kommt.
Stellenweise brutal: Mit den Holzfällern ist nicht gut Kirschen essen
Band 1, mit dem Titel »Isabel«, ist eine solide, oder sagen wir nette, Ouvertüre für einen Dreiteiler. Wenn man schon alleine wegen des Namens Loisel die Messlatte nicht von vorneherein zu hoch angesetzt hat, wird man sich von dem Gesamtpaket gut unterhalten fühlen. Luft nach oben ist aber schon noch.
[Matthias Hofmann]
Abbildungen © 2020 Carlsen Verlag GmbH / Régis Loisel / Olivier Pont
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