Frisch Gelesen Folge 301: Mr. Jenkins '45

Billy Jenkins

»Lass es Billy, du bist nicht der Held für den du dich mal gehalten hast.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Titelbild von Mr. Jenkins '45

Mr. Jenkins '45: »Billy auf der Flucht«

Story: Rainer Gabriel
Zeichnungen: Rainer Gabriel

Fanpro
SC | 132 Seiten | Farbe + s/w | 24,90 €
ISBN:
978-3-946502-18-0

Genre: Western

Für alle, die das mögen: Groschenromane, Buffalo Bill, Pulps


 

Wer war Billy Jenkins?

Das ist nicht mit einer einzigen Antwort zu erklären, denn Billy Jenkins gab es mindestens zwei Mal.

Zunächst ist da der Artist Billy Jenkins aus dem echten Leben, der 1885 in Magdeburg geboren wurde und 1954 in Köln starb. Er war nicht nur Kunstreiter und Zirkuskünstler. Zu seinen Professionen gehörten: Schauspieler, Lassowerfer, Kunstschütze und auch Greifvogeldompteur.

Und dann war Billy Jenkins auch Titelheld von Heftromanen (1949 bis 1963) und Leihbüchern (1951 bis 1958). Diese Trivialliteratur aus dem Uta-Verlag war seinerzeit überall populär und erlebt seit einigen Jahren ein kleines Revival bei Bastei. Im Rahmen einer G.F. Unger Classic Edition wurden ab 2019 die ersten 71 Hefte mit alten Billy-Jenkins-Nachdrucken befüllt und die klassischen Abenteuer des Westernhelden wieder zugänglich gemacht.

 

G.F. Unger Classic Band 1: Billy Jenkins

Neuedition alter Jenkins-Romane bei Bastei

 

Eingefleischte Sammler von Heftromanen wissen jedoch, dass die Abenteuer von Billy Jenkins noch viel älter sind. Es gab bereits von 1934 bis 1939 im Werner Dietsch Verlag, Leipzig eine Vorkriegsserie, die es auf sagenhafte 264 Groschenhefte gebracht hat.

Billy Jenksi Vorkriegsromane Dietsch Verlag

 

Zwischen den Veröffentlichungen von Dietsch und Uta lag der Zweite Weltkrieg, der mit Adolf Hitlers Überfall auf Polen am 1. September 1939 begann. Und da wird es in Bezug auf Billy Jenkins interessant.

Hinter dem Künstlernamen Billy Jenkins verbarg sich Erich Rudolf Otto Rosenthal, der jüdischen Glaubens war. Um sich zu schützen, änderte er seinen Namen während der Nazi-Zeit 1933 um in Erich Fischer und trat in der Folge sogar der NSDAP bei. Es ist überliefert, dass er unter Hakenkreuzbannern in Zirkus- und Varietévorstellungen auftrat und einmal sogar damit Adolf Hitler und Joseph Goebbels unterhielt.

Der Düsseldorfer Rainer Gabriel ist schon einige Zeit vom Leben und Wirken von Billy Jenkins fasziniert. Und zwar so stark, dass er einen Comic über dessen widersprüchliches Leben gezeichnet hat, der jetzt beim Fanpro Verlag erschienen ist.

Um Unbedarften den Zugang zu erleichtern, hat Gabriel als »Doc G.« ein Vorwort vorangestellt: »Es gab eine Zeit in Deutschland, in der übten die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre jüngere Geschichte eine erhebliche Faszination auf weite Teile der Bevölkerung aus. Ähnlich wie der Rock ’n‘ Roll in den 1950er Jahren schlugen die Wild-West-Geschichten rundum Cowboys und indigene Ureinwohner die Jugend der Jahrhundertwende bis in die 1930er Jahre in den Bann. Nur mit dem Unterschied, dass der ›Elvis‹ des Wilden Westens Karl May hieß und ein Deutscher war.«

Leseprobe Mr. Jenkins '45

Tiere waren sein Leben ...

 

Seine Comicgeschichte »Billy auf der Flucht« erzählt vom Leben des Billy Jenkins in drei Teilen, die jeweils mit eigenen Titelbildern, wie Groschenromane, ausgestattet sind. Erzähltechnisch verwebt Gabriel geschickt echte Historie mit fiktiven Romanhandlungsteilen. Er schafft es dadurch, die dramatischen Ereignisse interessant und spannend darzustellen.

Richtig abgefahren, in bester Pulp- und Trivial-Manier, ist die Story sowieso, wenn der »König der Cowboys« im Jahr 1945 auf seinem Treck nach Westen auf  Flüchtlinge, russische Rotarmisten oder deutsche Landser trifft und mit seiner verworrenen Vergangenheit sowie einer mittelschweren Identitätskrise zu kämpfen hat.

Grafisch merkt man dem Werk an, dass es Rainer Gabriels erster großer Comic ist, denn sein Stil ist noch nicht sattelfest und an manchen Stellen noch wacklig.

 

Leseprobe Mr. Jenkins '45

Billy rechnet mit Nazis ab ...

 

So finde ich das Covermotiv etwas unglücklich gewählt, denn auf den ersten Blick dachte ich, Jenkins hätte eine Art Turban auf dem Kopf, da Gabriel für die Abbildung des Cowboyhuts eine seltsame Perspektive gewählt hatte.

Dennoch ist Gabriel über das bloßer Anfängerstadium hinaus, wie die gesamte Seiten- und Panelkomposition durchgängig zeigt. Es bleibt zu hoffen, dass er an diesen Stellen ansetzt und weiter macht, um stilsicherer zu werden.

Der Band wird vom Verlag als Farbcomic angepriesen, was nicht ganz stimmt. Viele Seiten sind schwarzweiß und manche Passagen sind monochrom eingefärbt. So tragisch ist das nicht, denn gerade die Farbspielereien verleihen dem Comic eine besondere Note.

Leseprobe Mr. Jenkins '45

Gelungene, filmische  Panelaufteilung

 

Preislich liegt der Band im oberen Segment, da man für fast 25 Euro schon eher einen Hardcovereinband oder mehr Seiten erwarten würde. Und keinen Softcoverband im Kleinformat.

Wen das nicht abschreckt und wer gerne Lesestoff abseits ausgetretener Comicpfade sucht, der wird hier fündig. Insgesamt ist der Band allen Fans von Billy Jenkins und Western-Heftromanen bedenkenlos zu empfehlen.

[Matthias Hofmann]

 Leseprobe Mr. Jenkins '45

Abbildungen © 2022 Rainer Gabriel


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Oder beim Verlag: Fanpro