Anime-Klassiker: Otomos Akira auf Blu-ray

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Otomos Akira gilt als Meilenstein, sowohl als Manga als auch als Anime. Nun ist der Film in einer Special Edition als DVD und erstmals im deutschsprachigen Raum auch als Blu-ray erschienen. CRON nahm Film und »Steelbook« für seine Leser unter die Lupe.

Akira als Blu-raycr ICON-Rezensionen Der Sci-Fi-Anime-Klassiker erhält Spezialbehandlung

Vor über zwanzig Jahren war Akira von Katsuhiro Otomo noch ein Novum in der westlichen Popkultur. In Zeiten, in denen hierzulande noch kaum einer etwas mit dem Begriff »Anime« anzufangen wusste, bekam das heimische Publikum aus heiterem Himmel einen »japanischen Zeichentrickfilm« präsentiert, dessen visuelle und narrative Experimentierfreudigkeit selbst Ausnahmeerscheinungen im Animationsfilm wie Heavy Metal (1981) in den Schatten stellte. Als dann Ridley Scott mit Blade Runner (1982) die Blaupause für eine neue Generation von Science-Fiction-Filmen lieferte und sich parallel dazu Anfang der 1980er Jahre das Subgenre Cyberpunk in der Science-Fiction-Literatur etablierte, war auch das westliche Publikum reif für die phantastische Zukunftswelt von Akira.

3D Packshot Akira DVD Steelbook

Basierend auf Otomos eigenem gleichnamigen Manga, führt uns auch die Geschichte des Films ins (heute nicht mehr allzu ferne) Jahr 2019, nach Neo-Tokyo, das nach einer Nuklearkatastrophe als hypermoderne Megacity wieder aufgebaut wurde. Doch hinter der hochtechnisierten Fassade herrschen machtgierige Politiker, während sich in den Straßenschluchten rivalisierende Rockerbanden bekriegen und Terroranschläge an der Tagesordnung sind. In dieser lebensfeindlichen Welt versuchen sich der junge Motorradgang-Leader Kaneda und sein Freund Tetsuo zu behaupten. Eines Tages gerät Tetsuo in die Fänge einer dubiosen Militäreinheit und kehrt wenig später zurück - ausgestattet mit übermenschlichen mentalen Fähigkeiten, die mehr und mehr außer Kontrolle geraten.

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Based on the graphic novel “Akira” by Katsuhiro Otomo. First published by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. © 1988 MASHROOM/AKIRA COMMITTEE. All Rights Reserved.

Die mittlerweile zum modernen Klassiker avancierte Geschichte ist so randvoll mit originellen Einfällen und skurillen Charakteren, daß man gerne geneigt ist, die ein oder andere Schwäche der Story hinzunehmen. Insbesondere die Backstory um die geheimnisvolle Urkraft »Akira«, die im Verlauf der Geschichte immer wieder visuell und akustisch beschworen wird, bleibt nebulös und alle Erklärungsversuche lösen sich leider in pseudo-philosophischen Sphären auf. Ein kleiner Wermutstropfen in einem ansonsten wohltuend andersartigen Unterhaltungs-Spektakel, dargeboten in einer hinreißend futuristischen Ästhetik. Klar kommen muss man außerdem auch mit der für westliche Verhältnisse ungewöhnlichen Charakterzeichnung der Hauptfiguren; insbesondere Hauptprotagonist Kaneda bleibt z.B. fast gänzlich blaß. Dass Akira als Film dennoch funktioniert, ist ein Verdienst der visuellen Schöpfungskraft Otomos, dem es meisterhaft gelingt, treibende Action-Sequenzen mit fast meditativen Zeitlupensequenzen zu verbinden. Dadurch entsteht ein Bildspektakel, das den Betrachter förmlich in sein fremdartig-faszinierendes Zukunftsszenario hineinkatapultiert.

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Based on the graphic novel “Akira” by Katsuhiro Otomo. First published by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. © 1988 MASHROOM/AKIRA COMMITTEE. All Rights Reserved.

Wer storytechnisch nicht ganz durchblickt ist gut beraten, sich die gleichnamige Manga-Version von Akira zuzulegen. Bereits ab 1982 wurde diese in Japan als Serie in einem Magazin für »junge Männer« gestartet. 1984-86 folgte dann die bahnbrechende Veröffentlichung in sechs Bänden, wobei im Verlauf der Entstehung der Geschichte bereits die Filmversion entwickelt wurde, die dann 1988 in die japanischen Kinos kam und bei dem es Otomo immerhin zu weiten Teilen gelang, die komplexe Handlung der Comicvorlage in einem Kinofilm von etwas über zwei Stunden zu verdichten. Der Film, der von George Lucas und Steven Spielberg damals für die USA als »nicht vermarktbar« eingestuft wurde, entwickelte sich bekanntermaßen zur Initialzündung eines beispiellosen Manga- und Anime-Booms in den westlichen Ländern, deren Auswirkungen sich noch heute bis in den Mainstream verfolgen lassen.

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Den Vergleich mit den unzähligen japanischen Animes, die seit Ende der 1980er Jahre enstanden sind, muß Akira als »graue Eminenz« aber auch heute nicht scheuen. Die Dynamik der Actionsequenzen, die atmosphärische Dichte der Settings, ungewöhnliche grafische Effekte (wie z.B. das »Nachziehen« (Streaking) von Motorradrücklichtern) und die phantasievollen Figuren und Ereignisse beeindrucken immer noch und erstrahlen gerade im High-Definition-Bild zu ungeahntem Glanz. Hinzu kommt ein im Vergleich zur Urfassung von 1988 neu abgemischter DTS-HD 5.1.-Mehrkanalton, der mit der entsprechenden Heimkino-Ausstattung das komplexe Sounddesign, sowie die herausragende Filmmusik von Shoji Yamashiro besonders gut zur Geltung bringt. Sehr positiv hervorzuheben ist, daß auf der Blu-ray sowohl die ursprüngliche deutsche Kino-Synchronversion aus den 1980ern enthalten ist, als auch eine realtiv neue, die 2005 von Panini in Auftrag gegeben worden ist. Insgesamt wirkt die neue Synchro im Vergleich zur alten etwas plastischer und hält sich inhaltlich enger an das japanische Original. Ein Vergleich ist in jedem Fall für Audio- und Dub-Freaks sehr spannend.

Die Erstveröffentlichung auf Blu-ray kommt in einer ansprechenden Steelbox mit 32-seitigem Booklet und rund eineinhalb Stunden Bonusmaterial. Booklet und Bonusmaterial legen dabei einen deutlichen Schwerpunkt auf die Erstellung der 5.1-Tonmischung, die bereits 2001 für eine japanische Neuauflage des Klassikers angefertigt wurde. Wer sich für die Materie interessiert, erhält im Booklet einen äußerst ausführlichen Einblick in die technischen Komponenten dieser diffizilen Arbeit, die auf dem Bonusmaterial durch Interviews mit der Sound-Crew und Regisseur Otomo ergänzt werden. Interessant hier vor allem die Ausführungen zur Filmmusik, in der Elemente der balinesischen Gamelan-Musik (meditatives Metall-Schlagwerk) und erdige Bambus-Klänge auf moderne Rocksong-Strukturen treffen. Etwas ermüdend ist allerdings die ausführliche Dokumentation ausgewählter Animationssequenzen, die mit einem Computerprogramm namens »Quick Action Recorder« erstellt wurden. Dieses Programm, gab dem Animationsteam damals (wohlgemerkt: in einer noch nicht voll digitalisierten Zeit) Möglichkeiten an die Hand, die dynamische Wirkung der Bewegungsabläufe anhand animierter Skizzen vorab zu prüfen, bevor die entsprechende Sequenz voll ausgearbeitet wurde. Hier läuft sich das Bonusmaterial leider etwas tot und zur überflüssigen Informationsflut. Zudem fällt eine gewisse Lieblosigkeit auf, mit der die Interviewparts eingefilmt und grafisch »umrahmt« wurden. Die krude Trash-Ästhetik dieser Bonus-Parts will nicht so recht zur erstklassigen Qualität von Otomos Meisterwerk passen.

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Based on the graphic novel “Akira” by Katsuhiro Otomo. First published by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. by “Young Magazine”, Kodansha Ltd. © 1988 MASHROOM/AKIRA COMMITTEE. All Rights Reserved.

Doch über diese kleinen Makel lässt sich leicht hinwegsehen. Akira - in der vorliegenden Blu-ray mit 5.1.-Mischung - ist ein längst überfälliger filmischer Leckerbissen, und das nicht nur für Anime-Fans. Auch für jeden, der auf Science Fiction steht oder Sternstunden der Filmgeschichte sammelt, ist dieses ungewöhnliche Spektakel eine absolute Empfehlung. [Armin Hofmann]


Die nackten Fakten

Akira Special Edition DVD & Blu-ray
Publisher: Universum Anime
Formate: DVD / Blu-ray
FSK: ab 16 Jahren freigegeben
Laufzeit: ca. 119 Min. / ca. 124 Min.
Sprachen: Deutsch; Japanisch
Untertitel: Deutsch
Extras: 32-seitiges Booklet, Making Of, Animation Library, Art Works Gallery, Original japanischer Trailer, Teaser & TV-Spots
Preis: 22,99 €