US-Markt: Entlassungen bei Dark Horse

 

US-MARKT

.   Die Branche krankt, Dark Horse niest / Trubel um die Entlassung von sieben Mitarbeitern 

Die Branche in den USA leidet, denn seit einiger Zeit ist die dortige Comic-Landschaft immer wieder seismischen Wellen ausgesetzt. Einer der wichtigsten Faktoren für die anhaltende Wachstumsschwäche, von der allgemeinen wirtschaftlichen Großwetterlage einmal abgesehen, wurde Ende des letzten Jahres offensichtlich: Ein Verkaufspreis von $3.99 für ein dünnes Heftchen mit zwei Klammern, einem Haufen Werbung und rund 20 Comicseiten erwies sich wie von Insidern vorausgesagt als Sollbruchstelle. Die Preisspirale war überdreht.

Während ein großer Verlag wie DC Comics mit dem Start ins neue Jahr 2011 den »cover price« publikumswirksam um einen Dollar zurückschraubte und sogar wie in alten Zeiten ein spezielles Logo auf der Vorderseite aller seiner Comichefte platzierte (»Drawing the Line at $2.99«), zog Marvel nur halbherzig nach. Zwar starten ausgewählte und neue Titel 2011 für »nur« $2.99 pro Heft, aber viele der Top-Seller blieben bei $3.99. Das ist weiterhin Wasser auf die Mühlen der Kritiker in den Reihen der Händler und Leser.

Andere Verlage machen durch Schließungen (Tokyopop, der COMIC REPORT berichtete) oder Entlassungen (Dark Horse) Schlagzeilen. Die Insolvenz der Borders Group, Inc., der zweitgrößten Buchhandelskette der Vereinigten Staaten, sowie die Ankündigung, dass man die Türen von 226 Borders-Verkaufsstellen schließen wird, betreffen prinzipiell alle Comicverlage, die sich ein wichtiges Standbein im Buchhandel erarbeitet haben.

Die Entlassungen bei Dark Horse sind symptomatisch. Comics Alliance berichtete zuerst von den »layoffs«. Sieben Mitarbeiter wurden gefeuert. Darunter Aaron Colter, der Marketing Coordinator von Dark Horse, der den Bankrott von Borders als Teilursache ausmachte, da ein beachtlicher Teil der Manga-Titel über Borders verkauft wurde. Ebenso soll sich der Verlag bei einigen neuen Titeln mächtig verhoben haben. Gemäß Colter war der Relaunch der Gold Key-Titel (Solar Man of the Atom, Magnus Robot Fighter, u.a.) nach Stories von Jim Shooter und die Veröffentlichung von Janet Evanovichs Troublemaker teuer im Einkauf und noch teurer in der Produktion. Bei letzterem sei die Auflage wahnsinnig hoch gewesen, der Preis überteuert und die Shooter-Titel wären bereits vor der Marktbeschickung intern eher als Kassengift statt als Verkaufsschlager bewertet worden.

Auf der anderen Seite verschob man das progressive neue Digitalcomics-Programm, welches im Januar hätte starten sollen. Laut dem nach seiner Entlassung munter aus dem Nähkästchen plaudernden Colter, eine verpasste Gelegenheit: »Ich saß in einigen Besprechungen, in denen man die Zahlen und Pläne von Titeln wie Troublemaker besprochen hat, und hörte kritische Stimmen, die das Offensichtliche hervorgehoben haben: Dark Horse gibt zu viel Geld für Projekte aus, die der moderne Comicleser nicht kaufen will.« Das waren jedoch Töne, die die Unternehmensführung nicht hören wollte.

Der Konter vom Verlag folgte über Ostern. Mike Richardson, Firmenchef und Verlagsgründer, relativierte manche Aussagen seines ehemaligen Angestellten in einem Interview mit dem Branchendienst ICV2.

Bereits die Meldung an sich findet er völlig übertrieben. Dark Horse hat 150 Mitarbeiter. Wenn davon sieben Personen entlassen werden, die zudem aus verschiedenen Abteilungen stammen, sind das gerade mal 4,7 % der Belegschaft. »Der wahre Grund für die Entlassungen ist, dass man sich über die Ausgaben Sorgen macht. Man sieht sich steigenden Kosten für Krankenversicherung und allgemeinen betriebswirtschaftlichen Kosten ausgesetzt. Wir dachten, dass eine Erhöhung des Verkaufspreises auf $3.99 eine Art der Erleichterung bringt, aber der Markt erteilte dieser Entwicklung eine klare Absage. In der Zwischenzeit drücken die Papier- und Druckkosten stark auf unsere Bilanzen - und die Autoren und Zeichner akzeptieren natürlich keine Abzüge bei der Bezahlung.«

In dem Interview holt Richardson weit aus. Die aktuellen Probleme wären nicht hausgemacht und beträfen nicht nur die gesamte Branche, sondern die gesamte Wirtschaft. »Die Zeiten sind hart. Man sagt uns, dass sich die Wirtschaft wieder erholt, aber wenn man wirklich nach draußen zu den Leuten in den Geschäften geht, dann fühlt sich das nicht an wie eine Erholung des Marktes. Also ist der Wettbewerb nach wie vor hart, besonders für Bücher, in diesen digitalen Zeiten. Wir haben bereits eine Menge Zeit und Aufwand hineingesteckt, um denjenigen, die unsere Bücher digital lesen wollen, den nötigen Stoff zu liefern. Wir haben bislang nur Geld ausgegeben und hoffen, dass wir davon einiges wieder zurückgezahlt bekommen, wenn die Zeit reif ist.« Stolze 300 Titel habe man inzwischen in der Pipeline, »ready to go«.

Der US-Buchmarkt verändert sich rapide. Ein ehemaliger leitender Angestellter von Random House prognostizierte, dass bis in fünf Jahren keine einzige landesweite Buchhandelskette mehr übrig sein wird. Digitale Bücher sind die Zukunft. So will man sich auch bei Dark Horse neu positionieren und so viele Produktionsschritte wie möglich selbst durchführen. Computerkolorierung macht man schon lange »in-house« und hatte bereits die Belegschaft in diesem Sektor aufgestockt. Die digitalen Adaptionen der Dark Horse Comics werden selbst gemacht. Die Apps dazu werden Eigenproduktionen sein. Das Marketing Department von Dark Horse ist sehr groß und der Mitarbeiterstamm ist in letzter Zeit eher gewachsen. Mit 30 Leuten im Vertrieb und 120 Mitarbeitern im Verlagswesen hat man eine größere Belegschaft als Marvel oder DC. Das bedeutet, dass der Verlag für den zukünftigen Wettbewerb auf dem Markt möglicherweise zu groß ist und schwierige Entscheidungen im Raum stehen.

Was Colters Bemerkungen über die schwerverkäuflichen neuen Titel wie die Graphic Novel Adaption von Janet Evanovichs Troublemaker betrifft, so musste Richardson auch hier korrigieren: »Was er sagte, hatte nichts mit den Entscheidungen zu tun. Er war ein kleiner Angestellter. Er nahm niemals an einer der strategischen Entscheidungssitzungen teil. Was er über diese Bücher gesagt hat, ist total falsch. Natürlich haben wir gehofft, dass sich Shooters Bücher gut verkaufen, aber sie sind Teil eines viel größeren Programms, und das bringt Geld. Was Janet Evanovich betrifft, ja, wir haben 100.000 Bücher auf den Markt gebracht. So lautete der Deal, den wir mit ihr gemacht haben, und wir haben bislang 40.000 Exemplare verkauft. Das ist auf dem heutigen Markt nicht schlecht. Diese Bücher hatten nichts mit den Entlassungen zu tun.«

Die Probleme von Borders haben Dark Horse zwar auch getroffen, aber nur marginal. Die Geschäfte mit Borders machten ungefähr 10% der Gesamtgeschäfte im Buchhandel aus. Natürlich will man auch keine 10% verlieren, aber ein Teil dieser Verluste wurden von Amazon aufgefangen. Somit gab es ein Abnahmeverlust durch Borders, aber Zuwächse bei Amazon.

Aufregende, neue Projekte stehen ebenso an, wie die Markteinführung von Digitalcomics. Und die Rechte von drei Filmprojekten wurden ebenfalls verkauft. Die Zukunft sieht, laut Mike Richardson, für Dark Horse gut aus. War der ganze Trubel um die Entlassung von sieben Mitarbeitern also nur ein Sturm im Wasserglas? Gemäß eigenem Verständnis erfindet sich Dark Horse alle fünf Jahre neu. Kann gut sein, dass das Intervall in naher Zukunft verkürzt werden muss.