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Frisch Gelesen Folge 384: Plastik

 

»Virginia?! Schon wieder?!«


FRISCH GELESEN: Archiv


Plastik

Story: Doug Wagner
Zeichnungen: Daniel Hillyard

Cross Cult
Hardcover │ 144 Seiten│ Farbe│ 25,00 €
ISBN: 978-3-98666-445-9

Genre: Thriller, Action, Horror

Für Leser, die das mögen: Dredd (Actionfilm, 2012), Walking Tall – Auf eigene Faust (Actionfilm, 2004),  Der Killer (Egmont/Schreiber & Leser)


Liebe ist ein äußerst starkes Gefühl und ein Quell der Motivation und Inspiration. Edwyn Stoffgruppen, den Protagonisten dieses Actioners, lässt sie zur Höchstform auflaufen. Edwyn ist ein Serienkiller und mit seiner Traumfrau liiert, der schönen Virginia. Dank ihrer Zuneigung muss er seine entsetzlichen Gelüste nicht mehr ausleben, er ist innerlich »besänftigt« und damit in »Rente«. Doch dieses Idyll findet ein jähes Ende, als ein Milliardär aus Louisiana Virginia entführen lässt und Edwyn dazu zwingt, im Austausch für ihre Freiheit erneut zu töten. Damit kommt eine krasse Geschichte ins Rollen, zu der das folgende Zitat aus der Filmkomödie Hitch – Der Date Doktor (2005) sehr gut passt: »Das Leben besteht nicht aus den Momenten, in denen wir atmen, sondern aus denen, die uns den Atem rauben.« Dieser Comic ist voll davon. Beispielsweise klappt uns die Kinnlade runter, als offenbar wird, dass Virginia gar kein Mensch, sondern eine lebensgroße Sexpuppe ist. Und wir können die angespannte Irritation des stinkreichen Kerls regelrecht spüren, als der niederträchtige Plan mit Edwyn anders abläuft als gedacht.


Schlaksig und zottelige, dunkle Haare. Es lässt sich nicht schönreden: Edwyn sieht schon etwas seltsam aus.


Doug Wagner erzählt streckenweise außerordentlich brutal und lässt seine Akteure, wenn es sein muss, wie von Sinnen wüten. Und es muss öfter sein. Das ist heftig, zugleich aber auch Action pur. Daniel Hillyard unterstützt ihn dabei mit brachialen Illustrationen und überrumpelt uns mit der zur Schau gestellten Unmenschlichkeit. Natürlich kommt dabei auch der mörderische Edwyn nicht zu kurz, was wir in gewisser Weise jedoch in Ordnung finden. Das ist erstaunlich, aber nachvollziehbar. Weil er sich gegen Leute zur Wehr setzt, die schlimmer sind als er selbst, gewinnt er unsere Sympathie. Edwyn ist ein böser Mensch, kein strahlender Held, auch kein Antiheld, doch unter den gegebenen Umständen agiert er heroisch – und das begeistert.


Nicht irritieren lassen. Die anderen Jungs haben angefangen …


Bemerkenswert ist, wie wenig über Edwyn verraten wird. Wagner liefert keine Origin, auch keine tragische Vergangenheit, um seine Figur auszustaffieren. Das ist allerdings auch nicht nötig, Wagners Plot funktioniert auch ohne zu lüftende Familiengeheimnisse. Der allerliebste Edwyn Stoffgruppen ist ab der ersten Seite zwar einfach nur da, doch im Folgenden sagen seine Taten mehr als Worte. Damit bleibt er als Figur durchweg faszinierend und bissig. Und Wagner gerät nicht in Versuchung, zu langweilen oder Teile seiner Geschichte kaputt zu erklären.

Der Anhang dieser Hardcover-Ausgabe ist mehr als nur einen Blick wert. Er vermittelt eine Ahnung, wie der Comic entstanden ist: vom Szenario über die Layouts bis hin zur Farbauswahl. Klasse ist die Galerie, die neben unzähligen Variant-Covern auch die tollen regulären Titelbilder von Andrew Robinson zeigt. Plastik kam in Nordamerika zunächst als fünfteilige Miniserie auf den Markt, und für diese Einzelhefte komponierte Robinson prägnante Illustrationen, die den Horror und die Action des Inhalts aufgreifen und für prickelnde Schreckmomente sorgen. Diese markanten Abbildungen, die häppchenweise Verabreichung des Stoffs und die Fortsetzungsvorfreude geben dem Ganzen zusätzlich Pep. Von ihm stammt übrigens auch der Einband der vorliegenden deutschen Ausgabe.


Da ist sie, im letzten Panel, Edwyns über alles geliebte Virginia.


Plastik
macht einfach nur Spaß. Doug Wagners Story bleibt bis zum Schluss spannend, er erzählt schnell und hält das anfangs gewählte Tempo bravourös bis zum Ende durch. Dadurch will das Album in einem Rutsch gelesen werden. Was auch gelingen kann, da das Szenario schlüssig ist und keine Stolpersteine enthält. Am Ende wartet es mit einem Finale auf, das nicht vorhersehbar ist und auf ganzer Linie befriedigt.

[Walter Truck]

Abbildungen © 2024 Cross Cult / Doug Wagner, Daniel Hillyard


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