Frisch Gelesen Folge 308: Streets of Glory

»Ich habe Angst davor, hart für dieses Land gekämpft zu haben … und es Idioten überlassen zu haben.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Streets of Glory

Story: Garth Ennis
Zeichnungen: Mike Wolfer

Dantes Verlag
Softcover | 160 Seiten | Farbe | 20,00 €
ISBN: 978-3-946952-78-7

Hardcover (auf 222 Ex. lim., inkl. Art-Print) | 160 Seiten | Farbe | 30,00 €
ISBN: 978-3-946952-79-4

Genre: Western

Für alle, die das mögen: die wenigen wirklich guten Westerncomics der vergangenen Jahre


 

1899 war die Ära des Wilden Westens eigentlich schon vorbei. Auch wenn die Realität dieser Epoche (z. B. das Massaker der US-Armee an den amerikanischen Ureinwohnern am Wounded Knee im Dezember 1890) der herkömmlichen Verklärung à la John Wayne nicht gerecht wird, schwingt doch immer ein Hauch von Romantik mit, wenn man an diese Zeit zurückdenkt. Nicht zuletzt, weil man die Verklärung immer mitdenkt. Diese Romantik findet sich in der Regel auch in den klassischen Westerncomics (Jerry Spring, Blueberry, Comanche, Apache Junction, Durango etc.) wieder – in unterschiedlicher Ausprägung, aber doch immer wieder spürbar – und natürlich ist sie auch gerne gesehen und gelesen.

Wer so etwas sucht, sollte lieber die Finger von Streets of Glory lassen. Wer Garth Ennis kennt (Hitman, Preacher, The Boys …), wird kaum erwarten, einen derartig klassischen Plot zu bekommen. Und genauso ist es.


Joe Dunn: Ein Mann aus einer anderen Zeit.


Joe Dunn, ehemaliger Soldat, Gesetzeshüter, Revolvermann und Kopfgeldjäger kommt auf der Suche nach seiner Vergangenheit zurück in die kleine Ortschaft Gladback in Montana am Ende des 19. Jahrhunderts. Er trifft ehemalige Freunde, alte Feinde, seine alte Liebe und wird mit den Realitäten einer Zeit konfrontiert, die nicht mehr seine eigene ist (ein Auto, das Anfangs der Geschichte durch die verstaubten Straßen der kleinen Stadt fährt, ist wohl nur ein Sinnbild für genau diesen Zustand).

Dunn macht genau das, was ihn über Jahre ausgezeichnet hat, er schafft Ordnung, er erledigt seine alten Feinde, aber was er nicht kann, ist die Zukunft in Gestalt eines geldgierigen und machtbesessenen Charles Morrison aufhalten, dem Archetyp eines neuen Zeitalters, dem Ende des Wilden Westens.

Und statt eines Happy Ends – alte Liebe findet wieder zueinander und der lonesome Cowboy reitet zufrieden in den Sonnenuntergang – kommt es eben ganz anders, ganz unromantisch und doch wohl eher so, wie es ein unverklärter Blick auf den wahren Wilden Westen aufzeigen würde.


Typisch Garth Ennis: Es geht blutig zu.


Garth Ennis wäre nicht er selbst, wenn diese Geschichte nicht mit einem Augenzwinkern und einer gehörigen Portion Gewalt und Brutalität einhergehen würde. Das Augenzwinkern erzeugt Ennis durch die vielen Situationen, die geradezu nach einem glücklichen Ausgang der Geschichte von Joe Dunn schreien, die alte Liebe, eine Tochter, von der er bisher nichts wusste, und ehemalige Freunde, die sich nur noch an die alten, glorreichen Zeiten erinnern, aber auch krankheitsbedingt das aktuelle Geschehen nicht mehr wirklich realisieren.

Blut gibt es natürlich auch reichlich, da stellt sich die Frage, ob es nur Effekthascherei ist oder notwendiges Stilmittel. Für die eigentliche Botschaft wäre es aus meiner Sicht nicht notwendig gewesen, macht die Geschichte aber auch authentischer.

Typisch Mike Wolfer: Die Figuren wirken hölzern.


Wenn man nach einem Wermutstropfen suchen will, dann liegt der höchstens im Artwork von Mike Wolfer. Wenn man Wolfer googelt, ist das erste Ergebnis Lady Death und ehrlich gesagt hat dieser Comic wie auch die Zeichnungen in Streets of Glory nur wenig Eindruck bei mir hinterlassen. Zumindest hat er nicht versucht, den Stil eines anderen Zeichners zu kopieren. Mike Wolfer ist nicht Steve Dillon, seine Figuren wirken viel zu hölzern, Mimik scheint ein Fremdwort für ihn zu sein, und so bleiben die Emotionen völlig auf der Strecke. Streets of Glory hätte genau Steve Dillon als Zeichner verdient, dann wäre das Ergebnis der Rezension als Bewertung ein absolutes Highlight.

So bleibt ein überdurchschnittlicher Eindruck u. a. auch wegen der Bemühungen, mit zusätzlichen Anmerkungen des Dantes Verlags und des Übersetzers Jens R. Nielsen mögliche offene Fragen zu beantworten.

[Stephan Schunck]


Art-Print, der der limitierten Hardcover-Ausgabe beiliegt.

Abbildungen © 2022 Dantes Verlag, Garth Ennis und Avatar Press Inc.; Szen. Ennis, Illu. Mike Wolfer.


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Oder beim Verlag: Dantes Verlag