»Heda Mausekerl! Schon durchgebraten?«
FRISCH GELESEN: Archiv
Micky Maltese – Eine Mäuseballade
Story: Bruno Enna
Zeichnungen: Giorgio Cavazzano
Egmont Comic Collection
Hardcover | 176 Seiten | Farbe | 50,00 €
ISBN: 978-3-7704-4058-0
Genre: Funny
Für alle, die das mögen: Hugo Pratt, Walt Disney, Micky Maus, Hommagen
Ich muss mir zurzeit etwas verwundert die Augen reiben. Gibt es irgendein Jubiläum im Zusammenhang mit Hugo Pratt und Corto Maltese, das ich nicht mitbekommen habe? 2017 wäre das passende Datum gewesen. 50 Jahre! Aber jetzt? Denn erst jüngst erschien Pratts spannende Autobiografie Warten auf Corto in der Edition Alfons, und jetzt legt die Egmont Comic Collection mit Micky Maltese – Eine Mäuseballade die bibliophile Würdigung des Comicklassikers durch ein Disney-Zeichner-Autoren-Gespann vor. Abgesehen davon, dass seit 2015 bei Schreiber und Leser die geniale Neuedition der Abenteuer des »Kapitäns ohne Schiff« herauskommt.
Hommage und Original: Micky Maltese (oben) und Corto Maltese (unten).
Wenn ein Comicstoff von einem anderen Künstler adaptiert wird, stellt sich immer die Frage: Parodie oder Hommage? Oder vielleicht beides? Im Fall von Micky Maltese – Eine Mäuseballade beantwortet der Szenarist Bruno Enna in seinem Nachwort die Frage ganz eindeutig: »Ich hoffe, nun ist all jenen, die analysieren, vergleichen und katalogisieren wollen, klar geworden, dass wir es hier nicht mit einer einfachen Parodie oder gewöhnlichen Umsetzung zu tun haben. Hier geht es um eine ehrliche, leidenschaftliche Hommage an die Geschichte aller Geschichten und (zumindest gilt das für mich) an die beiden Großmeister, die mir so viel beigebracht haben: Pratt und Cavazzano«.
Gelungene Hommage oder Absturz? Panels wie dieses zeigen Cavazzanos Zeichenkunst.
Die ehrfürchtige Begeisterung für Pratts Werk, die hier aus jedem Wort mitklingt, merkt man auch der Geschichte an. In beeindruckender Weise folgt Enna seinem Vorbild Panel für Panel, nimmt die Grundstimmung auf und überträgt sie in seine Geschichte. Er gibt dabei den philosophischen Kapitän nicht der Lächerlichkeit preis, sondern setzt ihm ein Denkmal. Schon beim Einstieg in das Abenteuer bringt Enna den Leser auf die richtige Spur, was seine Intention betrifft. Hier sieht man Kater Carlo als Kapitän Kasputin. Er hat die gleiche Haltung wie der undurchsichtige, russische Prediger Rasputin bei Pratt, er liest in dem gleichen Buch und transkribiert vorsichtig viele Textpassagen.
Im Original werden die Schiffbrüchigen und das Meer auf dieser Doppelseite eins.
Ein Vergnügen ist es auch, den Comickünstlern nachzuspüren, welche Szenen aus Pratts Comic sie so beeindruckt haben, dass sie sie auch in ihrer Hommage verwendet haben. Beispielsweise als Corto mit Pandora und Cain Schiffbruch erleidet und er vom sturmgepeitschten Meer an einen Strand gespült wird. Bei Pratt werden Corto und der Ozean eins. Bei Pratts Strich ist kaum auszumachen, wo das Meer aufhört und Corto beginnt. Große Comickunst! Enna nimmt diese Szene auf und Cavazzano löst sie zeichnerisch auf seine Art. Ganz anders als Pratt – klarer, ohne interpretatorischen Freiraum –, aber auch bei dem italienischen Zeichner gehört diese Doppelseite zu einer der schönsten des Bandes.
An Land gespült: links Micky, rechts Corto.
Aber nicht nur inhaltlich ist der Comic ein Genuss. Zwar belegen die drei Bildreihen pro Seite mit maximal zwei Panels, dass die Geschichte ursprünglich für die lustigen Taschenbücher konzipiert war. Der Verlag hat sich aber dazu entschieden, den Comic als großformatigen Band herauszubringen, der neben der rund 80-seitigen Geschichte auch sämtliche Bleistiftzeichnungen von Cavazzano enthält. Das gibt dem Leser die Möglichkeit, in die Zeichenkunst des Italieners einzudringen. Als stabiles Hardcover auf gutem Papier passt auch die Haptik.
Der Band enthält auch sämtliche Bleistiftzeichnungen und macht Vergleiche wie diesen möglich.
Leider hat sich der Verlag dazu entschlossen diesen opulenten Band in einer Limitierung von 999 Exemplaren auf den Markt zu bringen. Was den Sammler freuen wird, ist für den Leser ein Graus. Denn nicht zuletzt infolge der Limitierung ist der Preis mit 50 Euro eher am oberen Limit angesiedelt. Wer sich allerdings davon nicht abschrecken lässt, kommt in den Genuss einer ganz besonderen Hommage. Auf dem Einbandtext des Comics heißt es noch irreführend »liebevoll auf die Schippe genommen«. Ich hätte vermutlich eher »ehrfürchtig verneigt« geschrieben.
[Bernd Hinrichs]
Abbildungen © 2019 Disney
Abbildungen aus Corto Maltese © 2019 Schreiber & Leser
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Oder beim Verlag: Egmont Comic Collection