Frisch Gelesen Folge 203: Saat der Angst

Was lauert da im Wasser? Szene aus Saat der Angst.

»Es heißt, wenn man nach sechs Uhr abends noch in der Schule ist, wird man am Eingang der Viert- bis Sechstklässler von einem komischen Onkel erwartet.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Saat der Angst – Luxury EditionDas Titelbild der Luxury Edition von Saat der Angst.

Text: Masaaki Nakayama
Zeichnungen: Masaaki Nakayama

Egmont Manga
Hardcover | 408 Seiten | s/w | 30,00 €
ISBN: 978-3-7704-2855-77

Genre: Horror

Für Leser, die das mögen: Ajin, Uzumaki



Vorweg: Auf eine Frage gibt es bei Saat der Angst von Masaaki Nakayama keine Antwort. Sollte nämlich jemand bis heute noch nicht wissen, warum gerade der asiatische Horror so beliebt in der westlichen Welt ist, er weiß es auch nach diesen über 400 Seiten nicht. Was nicht daran liegt, dass Nakayama kein guter Künstler wäre. Nur handelt es sich bei diesem Band um moderne Sagen und urbane Legenden, die Geschichten umfassen meist gerade einmal sieben oder acht Seiten. Atmosphäre, wo bist du?

Vielleicht ließe sich ins Feld führen, dass es die Masse an Geschichten sei, die hier für einen Grusel sorgt. Doch so völlig entkleidet von jeglicher Atmosphäre bleibt beim Lesen eine Lücke, ein ungutes Gefühl, dass das hier doch nicht alles sein kann. Zumal Nakayama sehr oft ein bekanntes Muster bedient: Am Ende taucht ein Geist mit groteskem Gesicht auf. Ist okay. Aber trotzdem nur ein Versatzstück, weil beim Lesen in diesen Miniaturformaten keinerlei Empathie für niemanden entsteht. Alle Hauptfiguren bleiben eben nur Skizzen. Kaum ein Geist hat eine Hintergrundgeschichte. Und für bloße Andeutungen ist das alles hier nicht konkret genug.

Leseprobe aus Saat der Angst.
Der typische asiatische Horror, der viel auf Atmosphäre setzt, kann sich in Saat der Angst für den europäischen Leser nur schwer entfalten – einfach weil die Geschichten so kurz sind.


Dieser Blick auf die Sache tut dem Format allerdings auch unrecht. Schließlich geht es genau darum: kurze, kleine Schocker, raus und fertig. Muss ja nicht alles gleich an Junji Ito oder A24-Horrorfilme erinnern. Nakayama hält sich zudem völlig von Anpassungen oder Variationen seines Stils fern. Dazu ist alles im klassischen Schwarzweiß von Mangas gehalten.

Und wenn Nakayama dieses kurze Format passend bespielt, dann trifft es eben doch. In der Kurzgeschichte »Nachricht« geht es um einen Bruder, der den Teddybären seiner kleinen Schwester durch die Nachbarschaft trägt und mit ihm spricht – um den Teddybären am Ende zu seiner kranken Schwester ins Bett zu legen, damit er ihr von der Welt dort draußen berichtet. Da passt die kurze Form einfach perfekt; es braucht nicht mehr Informationen zu den Charakteren. Dieser kleine Einblick beinhaltet all die Schwere der Tragödie dieser beiden Geschwister und ihrer Familie. Doch das ist eben die Ausnahme in diesem Band.

Leseprobe aus Saat der Angst.
Und da steht das Männlein hinterm Häuschen: In Saat der Angst tauchen verschiedene Geister in kurzen Geschichten auf – und müssen dabei nicht einmal aggressiv erschrecken.


Ob Geister in Regenschirmen, Geister vor dem Fenster oder Geister im Meer: Als kurzes Zwischenspiel ist Saat der Angst schon ein solider Manga. Auch die wenigen Ausklappseiten mit Bleistiftzeichnungen sind nettes Beiwerk. Aber es bleibt der Eindruck, dass jede einzelne dieser Geschichten auch einen großen, eigenen Manga verdient hätte, mit mehr Charakteren und Atmosphäre. Denn genau diese beiden Elemente machen Horror aus – und sie fehlen in Saat der Angst leider schmerzlich. Da kann es auch die Masse an Geschichten nicht rausholen.

[Björn Bischoff]

Abbildungen © 2021 Egmont Manga (Egmont Verlagsgesellschaften mbH) / Masaaki Nakayama


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