»Noch ist es nicht so schlimm. Wenn es richtig schlimm wäre, dann würden Erwachsenen etwas machen.«
(Rührend und zugleich irritierend. Vertrauensbekundung eines Zehnjährigen während eines Klimakrisen-Workshops.)
FRISCH GELESEN: Archiv
Story: Lena Hällmayer
Zeichnungen: Lena Hällmayer
Jaja Verlag
Hardcover | 176 Seiten | Farbe | 26,00 €
ISBN: 978-3-948904-60-9
Genre: Tagebuch, Memoiren, Slice of Life, grafische Erzählung
Für alle, die das mögen: Welt ohne Ende (Reprodukt), Girls' Last Tour (Manga Cult), Lucie auf den Spuren der Tiere (Helvetiq)
Es verwundert kaum, dass die gefährliche und offensichtlich menschengemachte Klimaveränderung zu Gedanken wie »Als einzelne Person kann ich ja sowieso nichts bewirken« oder »Das ist so schlimm, davon will ich nichts wissen« führen kann. Oder gar zu einem völlig entmutigten »Alles ist verloren«.
Schlechte Nachrichten führen zu schlechten Gefühlen.
Zum Glück ist da Lena Hällmayer, die einem mit ihrem grafischen Tagebuch das ganze Elend zwar ganz schön vor den Latz knallt, im Verlauf ihrer Schilderungen aber klipp und klar vermittelt, dass die Lage keineswegs hoffnungslos ist. Sie ist Illustratorin, Szenaristin und arbeitet seit 20 Jahren als Kunstpädagogin mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. »Umweltthemen und überhaupt die Verbindung von Kunst und Natur kommen schon lange in meinen Projekten vor«, sagt sie in einem Interview mit Jaja-Verlegerin Annette Köhn. »Vor ungefähr drei Jahren hat meine eigene Sorge vor der Bedrohung durch die Klimakrise einen Höhepunkt erreicht. Parallel haben auf einmal auch immer mehr Kinder Ängste geäußert oder Fragen gestellt, auf die ich nicht adäquat antworten konnte«. Im Zuge dessen kam ihr schließlich die Idee zu diesem Comic, der trotz des schwierigen und erschreckenden Themas erstaunlich locker und beschwingt zu lesen ist.
Eine Frage, die Lena nicht adäquat beantworten kann.
Wir erleben eine Lena, die sich von den Nachrichten über Extremwetterereignisse, Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen, Hunger und Krieg überrollt fühlt. Sie will aber nicht mehr weiter zusehen, will etwas tun. Privat oder in kulturellen Bildungsprojekten. Sie organisiert Umwelt- und Klima-Workshops und ist während einer Veranstaltung von der Aussage einer zehnjährigen Teilnehmerin erschüttert: »Wenn die Zukunft so wird, möchte ich lieber in die Selbstmordzelle.« Sie gründet in ihrem Wohnprojekt eine Klima-Zeichengruppe für Kinder. Und ist begeistert. Die Kinder anscheinend auch. Manche Eltern finden das gut, andere machen sich Sorgen: »Klimakrise? Das ist doch viel zu traurig für Kinder« oder »Ich guck mir das ja selbst nicht so genau an. Warum sollten es dann meine Kinder tun?«. Privat recycelt Lena noch mehr als zuvor, beteiligt sich am Foodsharing, will noch mehr Ressourcen sparen und noch viel mehr. Fühlt sich schließlich wieder entmutigt – und ausgebrannt. Was sie auch grafisch ausdrückt: mit dicken Linien, schwarzem oder buntem undefinierbaren Gekrakel. Doch dann findet sie für sich einen Weg, die Achterbahnfahrt ihrer Gefühle zu beenden, in Sachen Umwelt weiterhin aktiv zu sein und beherzter in die Zukunft zu blicken.
Klingt schon sehr nach »Alles ist verloren«.
Hällmayer stärkt den Mut zum Wandel und hilft einem dabei, sich zu erinnern, dass wir, die sogenannten kleinen Bürger, sehr wohl etwas bewirken können. Zwei aktuelle Beispiele sind die Energieversorgung und die Ernährung. Viele Politiker und Bürger klammern sich verbissen an fossile Brenn- und Kraftstoffe; sehen nur so die Energieversorgung gesichert und rücken die erneuerbaren Energien in die Ecke von Nischenprodukten. Aber allen Unkenrufen zum Trotz: Auf deutschen Straßen sind inzwischen erstaunlich viele elektrisch betriebene Fahrzeuge unterwegs und Wärmepumpen vor Häusern sind auch schon öfter zu sehen. Na also, geht doch! Das zweite Beispiel: die vegane Lebensweise. Hier hat die Macht der Verbraucher dazu geführt, dass entsprechende Produkte inzwischen selbst in klassischen Supermärkten zu finden sind – auch wenn sich das Gros der Fleischliebhaber über diese Form der Ernährung gern echauffiert.
Gute Sache: Lena motiviert Kinder, sich mit der Klimaveränderung zu beschäftigen.
Klimaangst und Wandelmut ist ein sehr schöner Comic! Auch weil Lena Hällmayer ohne erhobenen Zeigefinger erzählt. Und zum Schmunzeln gibt es hie und da auch was. Nach dem Besuch der Ausstellung Wandelmut behaupten die Kinder, sie hätten mehr Mut als Erwachsene. Zusammen mit Lena erfinden sie eine Maschine, die den Kindern Mut absaugt und als Präparat in Flaschen füllt, die dann samt Beipackzettel einigen Politikern und Politikerinnen überreicht werden sollen. Tja, wenn es so eine Maschine gäbe, das wäre schon was.
[Walter Truck]
Abbildungen © 2024 Jaja Verlag / Lena Hällmayer
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