Frisch Gelesen Folge 228: Classicomics Integral 1

»Ich sehe gewaltige Urzeitmonster, riesige Säugetiere und monströse Reptilienvögel.«


 FRISCH GELESEN: Archiv


Classicomics Integral Band 1:
»In 80 Tagen um die Welt« und
»Die Reise zum Mittelpunkt der Erde«

Story: Jules Verne, Ramón de la Fuente
Zeichnungen: Ramón de la Fuente

Kult Comics
Hardcover | 152 Seiten | Farbe | 30,00 €
ISBN: 978-3-96430-125-3

Genre: Abenteuer

Für alle, die das mögen: Literaturadaptionen, klassische Abenteuer, Steam Punk



Jules Vernes Geschichten faszinieren mich schon immer. Entweder eingewickelt in eine mollige Bettdecke oder bequem auf einem Sofa sitzend ferne Länder und fremde Welten zu entdecken, war und ist für mich eine der schönsten literarischen Erfahrungen. Ich glaube, es begann mit den Hörspielen, entwickelte sich dann schon über die Comics und das Fernsehen und erst ganz am Schluss habe ich dann auch tatsächlich einmal zu den Romanen gegriffen. In jeder Form hat der französische Autor es geschafft, mich in seine Welten zu ziehen. Dazu haben schon früh seine Werke im Comic beigetragen. Dabei finde ich eigentlich die meisten Adaptionen literarischer Werke in die Neunte Kunst misslungen. Entweder die Straffung der Geschichte im Comic führt dazu, dass der Leser gleichsam durch die Story gejagt wird oder aber es gibt im Comic so viele erläuternde Texte, dass man auch gleich den Roman lesen kann.


Im Comic gilt es, Jules Vernes fremde Welten und ferne Länder zu entdecken.


Die Comics, die zwischen 1974 und 1978 im Verlag Schwager & Steinlein erschienen, bildeten eine Ausnahme. Auf insgesamt 13 Classicomics brachte es die Reihe und vertreten waren die Abenteuergeschichten der Weltliteratur – von Jules Verne bis James Fenimore Cooper. Umgesetzt hat sie der spanische Künstler Ramón de la Fuente. Die besondere und herausragende Leistung von de la Fuente ist es dabei nicht nur, dass er sich so nah an das jeweilige Original gehalten hat, sondern dass ihm das ohne lange erzählende Texte gelingt. Der Spanier liefert keine Nacherzählung, sondern eine Geschichte.

Bei Kult Comics werden die Classicomics nun in einer bibliophilen Ausgabe mit je zwei albenlangen Geschichten pro Band neu aufgelegt. Dabei greift der Verlag auch auf Material zurück, das seinerzeit in den 1970er Jahren nicht veröffentlicht wurde. So enthält der erste Integralband neben der bekannten Geschichte »In 80 Tagen um die Welt« auch die Adaption von »Die Reise zum Mittelpunkt der Erde« als deutsche Erstveröffentlichung.


Aus alt mach neu: links eine Seite bei Schwager & Steinlein, rechts diesselbe Seite bei Kult Comics.

An der Neuedition gefällt mir besonders, dass Kult Comics sich nicht mit der Reproduktion der alten Vorlagen zufriedengegeben hat, sondern alles Material neu aufbereitet wurde. Neben der viel besseren Reproduktion – es kam hier das FM-Raster-Verfahren zum Einsatz, dass Farbverläufe und -intensität besonders hervorhebt – macht sich das vor allem in den Übersetzungen bemerkbar. Wer zufällig noch ein altes Exemplar der Schwager-&-Steinlein-Version im Schrank hat, sollte sich hier die Unterschiede einmal genau ansehen. Denn mit der Übersetzung entfernt sich die alte Version nicht nur vom Original, sondern zerstört auch gleichzeitig eine große Leistung de la Fuentes: Vernes Geschichte mit Dialogen voranzutreiben.

Die moderne Reproduktion der Seiten erweist sich gerade bei de la Fuentes typisch »verwaschenem« Stil als echter Gewinn. Denn in seinen Panels, wo Grenzen verschwimmen und Personen sowie Dingen nicht immer glasklar voneinander getrennt sind, kann durch einen unsauberen Druck der Eindruck entstehen, eine schlampige Arbeit vor sich zu haben. Das wäre im Fall von de la Fuente aber nicht nur unfair, sondern würde auch auf einen schlechten Stil des Rezensenten hindeuten. De la Fuente führt seinen Stift meisterlich, was bei den schwarz-dominierten alten Ausgaben einfach untergehen muss. Denn bei dem spanischen Künstler zeigt sich im Gegenteil sowohl im Artwork als auch in der Farbgestaltung die ganze Größe. Beides lässt sich in der neuen Edition hervorragend beurteilen.


Nicht nur die Farbgestaltung auch die Übersetzung ist bei Kult Comics (rechts) besser.

Für Sammler ist die Schwager-&-Steinlein-Edition der Classicomics in den letzten Jahren zu einem begehrten Objekt geworden. Wer sich anhand einer bibliophilen Ausgabe einen Eindruck von den Leistungen de la Fuentes machen möchte, dem empfehle ich die Neuedition bei Kult Comics. Schönerer Druck, bessere Übersetzung und ausgiebig bebildertes redaktionelles Material, das in die Welt Jules Vernes, in die Arbeit des spanischen Comicschaffenden und nicht zuletzt in die beiden Originalbücher aus dem 19. Jahrhundert interessant einführt. Ich gebe insgesamt acht von zehn Lidenbrocks.

[Bernd Hinrichs]

Abbildungen © 1974 Schwager & Steinlein / Ramón de la Fuente
Abbildungen © 2021 Kult Comics / Ramón de la Fuente


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Oder beim Verlag: Kult Comics