»Es war gleichgültig, ob es vielleicht ein Kind war oder ob es ein Mann oder Weib war. Es genügte mir, eine Gewalttat auszuführen, durch die ich glaubte, Erleichterung zu finden.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Der Vampir von Düsseldorf
Story: Michael Mikolajczak
Zeichnungen: Holger Klein
Kult Comics
Hardcover | 128 Seiten | s/w | 22,00 €
ISBN: 978-3-96430-159-8
Genre: Biografie, Crime, Graphic Novel
Für alle, die das mögen: M – Eine Stadt sucht einen Mörder, Der dritte Mann, True Crime, Der Würger von Düsseldorf
Mit Der geschenkte Gaul (1970) von Hildegard Knef sollte mein Bedarf an Biografien eigentlich über Jahrzehnte hinweg gedeckt gewesen sein. Umso erschreckender war die Erkenntnis, dass sich diese Thematik in letzter Zeit wie ein Geschwür in der Comicszene breitgemacht hat. Meine anfänglichen Vorbehalte sind dann aber über die Jahre immer weiter ausgeräumt worden, und das lag nicht nur an den unterschiedlichsten Künstlern wie Reinhard Kleist (z.B. Nick Cave, Johnny Cash) oder Simon Schwartz (z.B. Packeis, über den ersten afroamerikanischen Polarforscher Matthew Henson), sondern auch an völlig neuen Perspektiven wie z.B. Persepolis (der Autobiografie von Marjane Satrapi) oder der gerade erst erschienenen Geschichte über den angeblich größten Landesverräter der englischen Geschichte – Kim Philby.
Eine Stadt sucht einen Mörder: Kürten diente Fritz Lang als Vorlage für den Protagonisten seines Klassikers.
Mit Der Vampir von Düsseldorf legt das Team Mikolajczak und Klein jetzt die Lebensbeichte von Peter Kürten vor, einem der meistgesuchten Mörder, Vergewaltiger und Brandstifter der Weimarer Republik. Um wem das jetzt immer noch nichts sagt, der mag an Fritz Langs Filmklassiker M – Eine Stadt sucht einen Mörder aus dem Jahr 1931 denken. Diese Geschichte spielt zwar im damaligen Berlin, Vorlage für den von Peter Lorre verkörperten Mörder Hans Beckert war aber eindeutig ebendieser Peter Kürten.
Was uns Autor und Zeichner hier zwischen den Buchdeckeln auf 128 Seiten bieten, kann man getrost als starken Tobak bezeichnen. Anfangs kann man ja durchaus noch von einem wohligen Schauer sprechen, der durch die eindringlichen, in Schwarzweiß und unterschiedlichen Grautönen gehaltenen Bilder vermittelt wird. Je tiefer man sich aber in deren Bann ziehen lässt, der auch auf den mehr als verstörenden Vernehmungsprotokollen Kürtens beruht, desto mehr wandelt sich dieser anfangs eher voyeuristische Schauer in eine Unfassbarkeit angesichts der Brutalität und der offen gezeigten Gleichgültigkeit des Täters.
Ein unscheinbarer Mann ...
... bei dem auch nach der Verhaftung keine organische Gehirnerkrankung festgestellt werden konnte.
Niemand konnte vor den Taten Kürtens sicher sein, weder Kinder, Frauen noch Männer – noch Tiere, wenn die Überlieferung denn stimmt, dass Kürten in einem Park einem Schwan den Hals aufschlitzte und dessen Blut trank. Auch das sollte nicht das einzige Blut sein, das er zur Befriedigung seiner Libido von seinen Opfern nahm.
Das Ganze hatte so eine öffentliche Aufmerksamkeit zur Folge, dass der berühmte Ernst Gennat (Volker Kutscher und Der Nasse Fisch lassen grüßen) aus Berlin zu den Ermittlungen hinzugezogen wurde. Für Kürten erfand Gennat dann sogar den Begriff des Serienmörders. Dass Kürten solange als unbescholtener Mann gelten konnte, hatte er auch seiner Frau zu verdanken, die erst lange ein Auge zugedrückt hat, bis sie sich schlussendlich dazu durchrang, ihren Mann der Polizei auszuliefern.
Selbst Tiere waren nicht vor Kürten sicher.
Die Absurdität des Mannes, die Unglaublichkeit seiner Taten und die wohl exzellente Recherche wirken in der trostlosen Zweifarbigkeit und den zum überwiegenden Teil hölzern erscheinenden Zeichnungen Kleins auf erschreckende Weise reportagehaft und äußerst realitätsnah.
Braucht die Welt solche Geschichten und dann noch als Comic? Die Antwort muss jeder für sich selbst finden. Übertrieben wäre sicherlich, Der Vampir von Düsseldorf als notwendige Geschichtsbewältigung zu bezeichnen, ein Zeitzeugnis ist es allemal.
Dass er so lange unentdeckt blieb, lag auch an seiner Frau.
Und ob man es glaubt oder nicht, Kürten wurde ohne seinen Kopf beerdigt. Nach eingehender Untersuchung, bei dem auch keinerlei psychische Störung festgestellt werden konnte, landete sein Kopf letztendlich im Kuriositätenkabinett von Ripley’s Believe It Or Not! In Wisconsin Dells, USA.
Als Fazit bleibt auf jeden Fall ein sehr zwiegespaltener Eindruck.
[Stephan Schunck]
Abbildungen © 2021 Kult Comics / Michael Mikolajczak, Holger Klein
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