»Ich war 16 … oder 17, als ich käufliche Liebe anbot. Fragen sie mich nicht, was ich davor gemacht habe. Ich werde es nicht erzählen. Ich ging zur Schule, wie alle anderen auch. Zumindest in die Schule des Lebens.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Golden Dogs Band 1: »Fany«
Story: Stephen Desberg
Zeichnungen: Griffo
Panini Comics
Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 13,99 €
ISBN 978-3-95798-451-7
Genre: Krimi, Abenteuer
Für alle, die das mögen: London, Viktorianisches Zeitalter, Sex & Crime
Im Jahr von »Lawerencegate« dreht der versierte Comicalbenfan einen neuen Titel von Panini erst einmal um, und sucht auf der Rückseite nach Tippfehlern. Beim nächste Woche in den Handel kommenden ersten Band von Golden Dogs ist das Ergebnis negativ. Nun gut, der örtliche Korrekturleser wird nicht jeden Monat Tomaten auf den Augen haben. Dafür verrät man dort das wichtigste Plot-Element überhaupt … auch nicht jedermanns Sache.
Als Panini angekündigt hat, mit Sinn und Verstand im Segment »Comicalben, vornehmlich aus Frankreich« einzusteigen, verursachte das ziemliche Wellen in der deutschsprachigen Comiclandschaft. Schließlich weiß jeder, dass in diesem Bereich Splitter sehr dominant seine Kreise zieht. Und bei jeder Gelegenheit behauptet, dass das Geschäft flutsche und es noch vieles zu entdecken gäbe, in den Portfolios der französischen und belgischen Verlage. Folglich ist man als Rezensent quasi gezwungen, bei jedem neuen Panini-Album des ersten Programms den Vergleich mit dem Splitter-Standard anzustellen.
Bei Golden Dogs kann man sagen: Hier gibt es nichts zu mäkeln. Druck, Verarbeitung, Übersetzung … das wird hohen Ansprüchen gerecht. Und mit 13,99 Euro für 56 Seiten liegt man auch gut im Rennen. Eine Serie wie Golden Dogs hätte also locker bei Splitter erscheinen können. Und manch ein unbedarfter Gelegenheitsleser dürfte vielleicht sogar meinen, ein Splitter-Album den Händen zu halten, da auf dem Cover kein Panini-Logo prangt.
Sex sells: Bei Golden Dogs wird immer mal wieder ein Rohr verlegt
Bezüglich des Texter-Zeichner-Teams ist Golden Dogs nichts aus der hinterletzten Reihe. Das Duo Stephen Desberg und Griffo besteht aus zwei alten Hasen: Desberg ist seit Jahren mit Serien wie Der Skorpion oder I.R.$. präsent (und schrieb u.a. auch Billy the Cat, Jimmy Wynberg, Cassio oder ein paar Szenarios für Harry und Platte), und Griffo zeichnete Giacomo C., Vlad oder Samba Bugatti. Beide arbeiteten vor Golden Dogs schon zusammen. Von 2011 bis 2012 erschienen in atemberaubendem Tempo sechs Bände des Nazi-Thrillers Sherman, der den Weg nach Deutschland bislang noch nicht gefunden hat. Golden Dogs ist die aktuelle Kollaboration der beiden und wurde kürzlich in Frankreich nach vier Bänden abgeschlossen.
Vier Freunde müsst ihr sein: das sind die Golden Dogs
Erzählt wird die Geschichte der »besten Diebe von London«. Zwei Männer, zwei Frauen, allesamt mit diversen Leichen im Lebenskeller: Fanny, Lucrezia, Orwood und Lario. Band 1 dient der Etablierung des Settings, der Einführung der Protagonisten und der Gründung der Diebesbande, den sogenannten Golden Dogs. Der erste Teil wird erzählt aus der Sicht von Fanny, einer Prostituierten.
Die Handlung schreitet gefällig voran, wobei die Charaktere ziemlich flach bleiben. Das Mysterium um die einzelnen Figuren scheint der Weg zum Ziel. Immerhin wissen wir dank das Buchdeckels, dass sich ein Verräter in dem Quartett verstecken soll, der letztlich die Gruppe zu Fall bringen wird. Da allerdings die handelnden Personen für den Leser relativ blass und wenig greifbar bleiben, fiebert man auch nicht wirklich mit ihnen mit. Auf dem Titelbild laufen sie zwar heroisch auf den Betrachter zu, aber nach beendeter Lektüre ist es so, als ob man durch Geister hindurch gelaufen ist. Hinzu kommt, dass die Gruppenfindung ziemlich konstruiert daher kommt.
Bekannt aus diversen Heldenstorys: die Gründung einer Bande
Wer das von Sherlock Holmes und Jack the Ripper bekannte Umgebungspanorama und die nebeltrunkende Atmosphäre mag, wird hier auf seine Kosten kommen. Griffos gefällige Zeichnungen tun ihr übriges.
Der ganze große Wurf ist die Story jedoch nicht. Sie ist eher schnell verdautes, geheimniskrämerhaftes Lesefutter für laue Sommerabende. Aber das muss ja nichts schlechtes sein.
[Matthias Hofmann]
Abbildungen © 2015 Panini Comics, Golden Dogs © 2014 Desberg/Griffo/Dargaud
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