Frisch Gelesen Folge 310: Lone Wolf & Cub 1

 »Der Kerl ist wirklich zum Fürchten … ein Auftragsmörder mit Kind.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Lone Wolf & Cub – Master-Edition Bd. 1

Story: Kazuo Koike
Zeichnungen: Gôseki Kojima

Panini Manga
Hardcover | 692 Seiten | s/w | 30,00 Euro
ISBN: 978-3741627965

Genre: Historie, Samurai

Für alle, die das mögen: Vagabond, Blade Of The Immortal



Ein Manga wie eine Keule: Panini bringt eine Master-Edition des Samurai-Klassikers Lone Wolf & Cub heraus. Als Hardcover im Überformat. Mit fast zwei Kilogramm Kampfgewicht. Die Ausgabe wäre also bestens geeignet, um sie allen Kritikern an den Kopf zu werfen. (Ganz leicht, versteht sich.) Und wer nicht trifft, kann sich freuen: Der Verlag hat elf weitere Bände angekündigt. Ein ambitioniertes wie gewichtiges Projekt.

Im Original erschien der Manga bereits von 1970 bis 1976 bei Weekly Manga Action. In Japan verkaufte er sich millionenfach. Seinen Status als Samurai-Klassiker im westlichen Teil der Welt verdankt das Werk von Autor Kazuo Koike und Zeichner Gôseki Kojima vor allem der Tatsache, dass es Frank Miller und Quentin Tarantino beeinflusst haben soll. (Und wie gut, dass sich mit der Star-Wars-Serie The Mandalorian noch ein aktuelles Beispiel für den Pressetext finden ließ.)


Die Ausgangslage lässt sich schnell abreißen: Ogami Itto fällt durch eine Verschwörung in Ungnade beim Shogun. Als Söldner will er nun Rache üben und reist mit seinem Sohn und Kleinkind Daigoro durch das mittelalterliche Japan – der einsame Wolf und sein Junges.

Erzählerisch bewegt sich Lone Wolf & Cub zwischen zwei Extremen: Actionreiche und brutale Szenen wechseln sich mit ruhigen und innehaltenden Momenten ab. Dadurch bekommt die Geschichte einen viel stärkeren Rhythmus als etwa bei Comics, die nur aufs Tempo setzen. Der Manga schafft so nicht nur Pausen, sondern lässt die Leser reflektieren und tiefer in die Geschichte eintauchen. Der 2019 verstorbene Kazuo Koike besaß die Fähigkeit, diesen Manga mit historischem Wissen zu unterfüttern. Das Feudalsystem der Edo-Zeit mit Vasallen und Vogten ist der Hintergrund, vor dem sich all dies abspielt. Wo andere Autoren oder Szenaristen jedoch ausblenden würden, bleibt Koike drauf, schmückt nicht aus, sondern zeigt einfach seine Version dieser Zeit.


Die Idee zu Lone Wolf & Cub entstammte übrigens einem gemeinsamen Abend von Koike und Zeichner Gôseki Kojima – beide wollten einfach einen unterhaltenden Manga machen. Und ja, dieser Manga ist genau dies, dabei trotzdem ein Bild dieser damaligen Welt. Mit allen üblen Ecken. Da wird auf offener Straße etwa eine Frau vergewaltigt und ein Mann umgebracht. Freundlich ist die Welt nicht. Und ja, es wirft natürlich die alte Frage nach der Darstellung von Gewalt in der Popkultur auf. Allerdings mögen die Zeichnungen in den Siebzigern provokant gewesen sein – heute dürfte sich daran kaum jemand stören.

Zumal Kojimas Zeichnungen keine voyeuristischen Perspektiven einnehmen. Die Gewalt verkommt nie zum Selbstzweck, nie zum Schock. Sie ist nicht schön, aber sie gehört zu dieser Geschichte. Seine Darstellung von Kämpfen nimmt es hingegen locker mit heutigen Standards auf. Der 2000 verstorbene Mangaka nutzte Licht und Schatten sehr genau für sein Layout, bremst damit die Lesegeschwindigkeit. Allein der Einsatz von Weißraum fasziniert auf fast jeder Seite, so lenkt Kojima den Blick perfekt.

Dass dieser Manga seinen Status als Klassiker verdient hat, dürfte also bereits nach den ersten Seiten jedem Leser einleuchten. Nur wann diesen Manga lesen? Denn das Buch ist wirklich ein Klotz. Mal eben in der Bahn durchblättern? Schwierig. Und selbst auf dem heimischen Sofa ist es damit nicht wirklich bequem. Den Größenvergleich der aktuellen Sonderausgaben im Bereich von Manga dürfte Panini damit zwar gewinnen, aber so komplett leserfreundlich sind diese Maße nicht.

Wer es trotzdem schafft, wird mit einer packenden Geschichte belohnt. Doch wie bei allen martialischen Werken der Popkultur kann natürlich der eine oder andere plumpere Geist auf die Idee kommen, dass die Macher hier Gewalt beschönigen. Es sei gesagt: Die Schöpfer von Lone Wolf & Cub hatten das Ende des Manga von Anfang an im Kopf und setzten es sogar gegen den Willen ihres Verlegers durch, wie Koike in einem Interview verriet. Wer bis dahin durchhält, dem sollte klar sein, dass hier nichts beschönigt wird. Denn erschütternder als dieses Ende geht es kaum. Aber bis dahin dauert es ja noch elf Bände.

[Björn Bischoff]

Abbildungen © 2022 Panini / Kazuo Koike, Gôseki Kojima


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