»Hat Vorteile, wenn einem alles egal ist.«
FRISCH GELESEN: Archiv
The Magic Order 2
Story: Mark Millar
Zeichnungen: Stuart Immonen
Panini Comics
Softcover | 180 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 978-3-7416-3074-3
Genre: Fantasy
Für alle, die das mögen: Mark Millar, TV-Serien, denen man ohne Konzentration folgen kann
Man stelle sich vor, man möchte mit seinem Partner oder seiner Partnerin einen schönen Kinoabend verbringen. Vor dem Cinema locken Plakate mit einem vielfältigen Filmangebot. Schnell wird klar, dass die Wahl besteht zwischen Popcorn-Kino oder etwas mit Tiefgang. Du schaffst es, deine Begleitung fürs Popcorn-Kino zu begeistern und stellst dann fest, dass es statt einer cineastischen Achterbahnfahrt lediglich ein paar aufgewärmte Plattitüden zu sehen gibt.
So ähnlich erging es mir, als ich den zweiten Teil von The Magic Order gelesen habe. Zugegeben, das Skript stammt von Mark Millar und wenn ich bei diesem Namen auch nicht gleich eine tiefgründige Geschichte erwarten darf, so verspricht er zumindest fesselnde Unterhaltung. Falsch gedacht, denn die Geschichte wälzt sich in Plattitüden und als Leser habe ich stets den Eindruck, immer nur an der Oberfläche der Geschichte zu kratzen, ohne jemals richtig einzutauchen.
Dabei klingt der Plot zunächst einmal überaus unterhaltend. Denn Millar legt uns im zweiten Teil um seine Zauberer-Familiendynastie einen magischen Revierkampf vor. Die Londoner Sektion des Magic Order hat ein Problem damit, dass die osteuropäischen Warlocks in ihr Territorium vordringen. Die neue Anführerin Cordelia Moonstone versucht, den Frieden zu bewahren. So weit, so spannend.
Mit Cordelia Moonstone hat Millar gleich vom Start weg die erste Plattitüde für den Leser. Denn mit ihr hat der Autor eine Protagonistin entwickelt, die exakt auf die Wünsche ihrer männlichen Leserschaft zugeschnitten ist. Eine Frau zwischen Mitte zwanzig und Mitte dreißig. Sie ist natürlich Sex pur. Millar bringt hier alle Klischees zum Einsatz, die die Neunte Kunst zu bieten hat und versäumt es dabei, seiner Heldin zumindest so viel Tiefe zu geben, dass sie dem Leser nicht bloß wie ein zweidimensionaler feuchter Traum vorkommt.
Die fehlende Charaktertiefe zieht sich durch alle Personen. Gekoppelt mit teilweise haarsträubenden Dialogen. Beispiel: Auf dem Geburtstag der Nichte von Cordelia gleich zu Beginn der Geschichte erscheint aus dem Nichts – die Moonstones sind ja alles Zauberer – ein Mann, drückt dem Kind als Geschenk tausend Dollar in die Hand und führt sich an das Kind gewendet mit den Worten »Ich bin übrigens Kevin Mitchell. Der Cousin Deines Vaters aus der Londoner Gruppe. Und ich muss die Chefin sprechen, falls sie da ist« in die Geschichte ein. Plakativer geht es kaum. Personeneinführung mit dem Holzhammer. Ob hier die Übersetzung schludert oder Millar schlecht gearbeitet hat, kann ich nicht sagen. Aber solche »Ich-habe-wenig-Platz-und-muss-schnell-ein-paar-Dinge-erklären«-Sätze sind ein Graus.
Natürlich ist und bleibt Millar ein guter Erzähler. Dass davon in The Magic Order nicht zu viel zu merken ist, hängt mit dem Umstand zusammen, dass Millar 2017 einen Deal mit dem Streamingdienst Netflix eingegangen ist. Demnach hat Netflix das Millar eigene Label Millarworld gekauft. Damit stehen dem Dienst nun nicht nur alle Optionen bei den bisherigen Geschichten des schottischen Stars offen, sondern Millar erfindet seine Geschichten jetzt so, dass sie als Serie oder als Film bei Netflix laufen könnten. Bei The Magic Order hat demnach nicht nur Millar am Skript gearbeitet, sondern der Band wurde »mit Input von Netflix' Design-Team« erstellt, wie es im Vorwort heißt. So verwundert es nicht, dass der Comic als Serie adaptiert werden soll.
Und natürlich hat der Band auch positive Aspekte. Sehr gelungen fand ich, dass Band 2 von The Magic Order ohne Kenntnis des ersten Bandes gelesen werden kann. Es sind also für Neueinsteiger alle Optionen da. Gut gefallen hat mir auch das Artwork von Stuart Immonen. Er arbeitet sich routiniert an den Actionszenen ab. Seine Panels sind detailreich, aber nicht überladen. Jederzeit herrscht ein zügiger Lesefluss.
Alles in allem bleibt festzuhalten, dass die Plots von Millar nach seinem Vertrag mit Netflix an Qualität stark eingebüßt haben. Vieles wirkt von vornherein multimedial gedacht. Der Leser gewinnt den Eindruck, dass Millar sich nicht frei entfaltet, sondern im Kopf eine Schere hat, mit der er seine Geschichte gleich auf ihre Fernsehtauglichkeit hin bearbeitet. Aufgrund des ausgefeilten Artworks vergebe ich fünf von zehn Zauberhüten.
[Bernd Hinrichs]
Abbildungen © 2022 Panini Comics / Mark Millar, Stuart Immonen
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