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Frisch Gelesen Folge 406: Mukkekukke

 

»Ich möchte mal ʼne Hummel streicheln,
eine von den dicken, weichen.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Mukkekukke – Comics zu Musik

Story: diverse
Zeichnungen: diverse

Reprodukt
Hardcover | 152 Seiten | Farbe | 20,00 €
ISBN: 978-3-95640-425-2

Genre: Songcomic, Comicadaptionen von Liedern

Für alle, die das mögen: Die deutsche Kindercomic-Szene, das Polle-Magazin und gute Musik



Musik öffnet in uns das Tor der Fantasie. Beim Hören sehen wir vor unserem geistigen Auge Bilder, Assoziationen kommen hoch und verschwinden wieder. Das ist universell, das ist nicht an einen bestimmten Kulturkreis gebunden. Das gehört zum Menschsein dazu. Vielleicht liegt daher die Idee so nahe, Lieder zu verbildlichen und sie in Comics umzuwandeln.

Als Vorreiter ist hier der Ventil Verlag zu benennen, der mit inzwischen mehreren Titeln dieses Genre förmlich etabliert hat. Hier wird immer ein Band einer Gruppe gewidmet, so z.B. Tocotronic, Stereo Total oder Ton Steine Scherben. Nun erscheint bei Reprodukt mit Mukkekukke – Comics zu Musik ein Songcomic, der es anders angeht. Zum einen ist die Zielgruppe mit dem angegebenen Lesealter ab sechs Jahren deutlich jünger, zum anderen haben wir es mit einer Kompilation zu tun, also mit 19 Titeln von verschiedenen Künstler:innen aus der Feder von 16 verschiedenen Zeichner:innen.

Der Song »Regen« von den Lassie Singers: Wie der Regen auf die Erde fällt, fallen die Wörter auf der Seite herunter.


Herausgeberinnen sind Anke Kuhl und Moni Port, die ihre gemeinsamen Wurzeln in ihrer Frankfurter Labor Ateliergemeinschaft haben. Und, man muss es ihnen lassen, sie haben das Who’s who der deutschen Illustrations- und Kindercomicszene zusammengetragen. Hier sind Urgesteine wie Axel Scheffler und Jutta Bauer vertreten, Nadia Budde, Philip Waechter oder Mawil, die auch schon richtig lange Comics und Illustrationen für Kinder schaffen und natürlich auch die aktuelle Jugendliteratur-Preisträgerin Tanja Esch, um einige zu benennen. Und alle durften aus mehreren Jahrhunderten Musikgeschichte schöpfen, um den ganz eigenen Titel zu finden, den sie verbildlichen wollten.

So ist eine wirklich wilde Mischung aus kurzen Songcomics entstanden: aus Klassik, Pop und Punk, mal aus rein instrumentaler Musik, mal aus welcher mit Texten. Wie es sich gehört, ist direkt am Anfang ein QR-Code zu finden, der auf eine Spotify-Playlist verlinkt, in der sich die Songs in entsprechender Reihenfolge anhören lassen. Auch das Vorwort animiert die kindliche Leserschaft dazu, sich mit Kopfhörern ausgestattet in den Hör- und Lesegenuss fallen zu lassen. Entsprechend der Adressierung an Kinder handelt es sich ausnahmslos um deutschsprachige Lieder, zumindest bei denen mit Text. Der »Baby Elefant Walk« von Henry Mancini als Beispiel kommt schon immer ganz gut ohne Text aus.

»Die Biene« von Franz Schubert: Zeichnungen, die rasant und wimmelig sind wie das Lied selbst.


Gleich der Einstieg von Götz Alsmann und Rotraut Susanne Berner mit dem Titel »Rhythmus, Text und Melodie« ist wunderschön gelungen. Berner wählt als Allegorie für die drei Begriffe des Liedtitels nicht nur drei Figuren, sondern die drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau und zeigt so, wie ihr Zusammenspiel die Welt bunt macht und ohne sie die Welt grau wird. Tor Freeman, als einzige nicht-deutsche Illustratorin, nimmt sich ehrwürdigen deutschen Kulturguts an in der Form von Goethes Text und Beethovens Vertonung, das sogenannte »Flohlied«. Es folgen viele unterschiedliche Lieder mit vielen verschiedenen Ansätzen und Interpretationen. Ähnlich wie bei einer Kurzgeschichtensammlung ist es auch hier so, dass der Zugang sehr individuell und auch persönlich ist und für jeden und jede das eine Lied in Kombination mit dem Comic (oder umgekehrt!) besser funktioniert als das andere. Als schwierig empfand ich die Lieder ohne Text, da das eigene Lesetempo des Comics nicht zwingend mit der Länge des Liedes harmoniert und so Leerlauf beim Lesen entsteht oder vielleicht auch die Augen noch gerne länger die Bilder betrachtet hätten.

Im Anhang dürfen sich noch mal alle Zeichner:innen in einem kurzen Interview präsentieren und auch die Lieder und deren Interpreten werden vorgestellt. Diese Infos dürften für Kinder nicht sehr interessant sein, auf alle Fälle aber für erwachsene Leser:innen, sodass Mukkekukke ein All-Ager ist.

Henry Mancinis »Baby Elefant Walk«: Da spielt die Musik fast wie von selbst im Kopf.


Mein persönlicher Favorit ist Jörg Mühles gefühlvolle Umsetzung des ebenso hinreißenden »Ein Elefant für dich« von Wir sind Helden. Die Eltern, die hier nicht ein Tränchen verdrücken müssen, müssen aus Stein sein. Und besonders gefreut habe ich mich, The Fearless Flyers kennengelernt zu haben, Instrumental Funk geht einfach immer. Es gibt also viel zu entdecken, Kinder lesen und hören den Comic noch mal ganz anders als Erwachsene, so kann der Titel zum Erlebnis für die ganze Familie werden.

[Mechthild Wiesner]

Abbildungen © 2024 Reprodukt / Annette Humpe, Max Raabe & Philip Waechter, Die Lassie Singers & Moni Port, Franz Schubert & Max Fiedler, Henry Mancini & Ole Könnecke


Kauft den Comic im Fachhandel oder direkt beim Verlag: Reprodukt