Frisch Gelesen Folge 290: Asadora! 1 & 2

»Was ist das denn? Etwa eine Art von Fußspur?«


FRISCH GELESEN: Archiv


Asadora! Band 1

Story: Naoki Urasawa
Zeichnungen:
Naoki Urasawa

Carlsen Manga
Softcover | 208 Seiten | s/w | 12,00 €
ISBN: 978-3-551-71137-3


Asadora! Band 2

Story: Naoki Urasawa
Zeichnungen:
Naoki Urasawa

Carlsen Manga
Softcover | 216 Seiten | s/w | 12,00 €
ISBN: 978-3-551-71138-0

Genre: Drama, Mystery

Für alle, die das mögen: 20th Century Boys, MW



Steht Naoki Urasawa drauf, ist Naoki Urasawa drin: Der 62-jährige Japaner gehört zu den derzeit beliebtesten Mangaka des Planeten. Was an seiner spannenden Erzählweise liegt – das gilt für Billy Bat wie für 20th Century Boys wie für die ersten beiden Bände seines neuen Werks Asadora! Die ersten beiden Bände veröffentlichte Carlsen in diesem Frühjahr und bereits auf diesen ersten 400 Seiten wird klar: Urasawa setzt wieder zu einer epischen Geschichte mit verschiedenen Handlungen und Zeitebenen an.

Da wäre zum Beispiel Asa Asada. Das junge Mädchen rast durch einen anrollenden Sturm in der Hafenstadt Nagoya im Jahr 1959, um einen Arzt für ihre schwangere Mutter zu holen. (Urasawa erzählt dies natürlich nicht als Auftakt – vielmehr gibt es zuvor noch vier Seiten mit Tokio im Jahr 2020 in Flammen. Inklusive schemenhaftem Riesenteufel darin.) Während ihres Laufs trifft sie Shota, einen Jungen, der für Olympia trainiert. Bald verlieren sie sich aus den Augen. Und Asa wird aufgrund eines Missverständnisses entführt. Was ihr das Leben rettet. Denn der Taifun zerstört fast die ganze Stadt. Sie und ihr Entführer tun sich zusammen, um den Überlebenden zu helfen und entdecken am Ende des ersten Bandes eine gigantische Fußspur beim Blick aus dem Flugzeug.

Urasawa schafft Manga wie anspruchsvolle Blockbuster. Er erzählt von seinen Charakteren mit viel Liebe, zeichnet sie genau und findet die passenden Szenen, um sie dem Publikum nahezubringen. Neben Asa nimmt vor allem der Pilot Kasuga eine wichtige Rolle ein. Er entführt Asa zuerst, um dann während des Taifuns doch zum Helden zu werden. Er schleppt eine posttraumatische Belastungsstörung nach dem Zweiten Weltkrieg mit sich herum. Dahingehend überrascht Asadora! nicht – Urasawa wirft ein Ensemble von Figuren in seine Geschichte, die zwar etwas kauzige Außenseiter, aber alle charmant und liebenswert sind. (Dieses Mal allerdings weniger offensichtlich von Stephen Kings Klub der Verlierer inspiriert als in 20th Century Boys.)

All dies packt Urasawa in klare Layouts auf den Seiten. In den meisten Fällen entspringt die Dynamik den Bildern selbst. Nur manchmal nutzt Urasawa die Doppelseite, um den Moment mit voller Wucht über die Leser hinwegrollen zu lassen. Hinzu kommt sein Spiel mit der Mimik der Figuren, die so kaum ein anderer Zeichner beherrscht. Lediglich bei seinen Neben-Nebenfiguren passiert es manchmal, dass sich Charaktere in ihrer Gleichförmigkeit ähneln.

Nach den ersten beiden Bänden lässt sich kaum vorhersagen, in welche Richtung sich die Geschichte entwickeln wird. Der Anteil von Mystery ist noch nicht groß – bis auf einen Kratzer in einem Baum, die erwähnte Fußspur und ein Foto gibt es wenig Anhaltspunkte, was in diesem Manga wie wo kreucht und fleucht. Vielmehr überwiegt das Schicksal von Asa, die einen Teil ihrer großen Familie während des Taifuns verliert. Am Ende des zweiten Bandes taucht sie als 17-jährige Pilotin auf. Und ist dem Rätsel um die Fußspur kein Stück nähergekommen.

Wie in jedem seiner Manga schwingt auch in Asadora! die Erzählkunst von Osamu Tezuka und amerikanischer Popkultur mit. Der optimale Einstiegsmanga also für alle, die bisher einen Bogen um Manga gemacht haben und vor dem Jahr 2000 auf die Welt kamen. Im deutschen Feuilleton kam das gut an, obwohl oder vielleicht gerade weil Asadora! kein typischer Feuilleton-Manga ohne Plot und mit abstrakten Zeichnungen ist. Und beim diesjährigen Comic-Salon in Erlangen erhält Naoki Urasawa den Sonderpreis für sein herausragendes Lebenswerk. Jetzt muss sich eigentlich nur noch der ganz große Erfolg beim deutschen Publikum einstellen. Die Ausgangslage ist auf jeden Fall da. Asadora! hat eine richtige Erzählung, eine richtig gute sogar und fantastische Zeichnungen. Und wer weiß: Vielleicht entwickelt sich in ein paar Bänden auch Asadora! zu einem Meisterwerk.

[Björn Bischoff]

Abbildungen © 2022 Carlsen Manga / ASADORA! © 2019 Naoki URASAWA / SHOGAKUKAN


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