Frisch Gelesen Folge 328: MPD Psycho 1 & 2

»Sie würden als waschechter Psychopath durchgehen. Wäre schade, Sie hier drin verrotten zu lassen.«


FRISCH GELESEN: Archiv


MPD Psycho Band 1 & 2

Story: Eiji Otsuka
Zeichnungen: Sho-u Tajima

Carlsen Hayabusa
Softcover | 368 Seiten (Band 1), 384 Seiten (Band 2) | s/w | je 20,00 €
ISBN: 978-3-551-62271-6 (Band 1)
ISBN: 978-3-551-62272-3 (Band 2)

Genre: Thriller, Horror

Für alle, die das mögen: Teach Me How To Kill You, My Home Hero



Manche Comics triggern die ewig gleichen Fragen: Was darf Satire? Sind Comics jetzt endlich, endlich erwachsen? Und wer will so etwas lesen? Gerade letzte Frage wirft der Mangaklassiker MPD Psycho auf, der bereits vor 25 Jahren im Original erschien. Carlsen veröffentlicht nun erstmals eine deutschsprachige Übersetzung. Und auf jene Frage geben die ersten beiden Bände unverzüglich eine Antwort.

Die Mangaka Eiji Otsuka und Sho-u Tajima beginnen die Geschichte um den Polizisten Yosuke Kobayashi mit einer verstümmelten Frauenleiche. Kaum vom Tatort zurück im Büro erreicht Kobayashi eine Kühlbox, darin seine verstümmelte Freundin – noch gerade so lebendig. Wen das nun an Filmklassiker wie Sieben erinnert, liegt richtig: MPD Psycho trägt den Geist der harten Psychothriller aus den Neunzigern in sich. Die andere offensichtliche filmische Referenz: Das Schweigen der Lämmer. An Polizist Kobayashi geht dieser Auftakt nicht spurlos vorbei.

Er entwickelt eine Identitätsstörung, ausgelöst durch einen weiteren brutalen Vorfall. Seitdem arbeiten in seinem Körper auch Profiler Kazuhiko Amamiya und der Psychopath Shinji Nishizono. Allerdings muss Kobayashi selbst erst einmal zehn Jahre im Gefängnis wegen Mordes verbringen. Von dort arbeitet er weiterhin für die Mordkommission. Denn wer könnte Psychopathen besser verstehen als ein anderer Psychopath?

Jetzt ließe sich MPD Psycho für Brutalität und Nacktheit kritisieren, denn heutzutage drängt sich das Problem des voyeuristischen Publikumsblicks deutlich auf. Wenn hier nackte Frauen mit Topfpflanzen im Hirn auftauchen, bleibt ein Beigeschmack, dass dies in MPD Psycho kaum Substanz hat. Weder inhaltlich noch formal. Diese Panels steuern zur Geschichte wenig bei. Die Ästhetik bleibt klar den Regeln des Manga untergeordnet: Viele Details an den Körpern, karge Hintergründe. MPD Psycho will in diesen Momenten provozieren, die Grenzen austesten. Was Ende der Neunzigerjahre zur Popkultur dazugehörte. (Dem Jahrzehnt des Parental-Advisory-Warnhinweises und Pieptönen in der Musik.)

Im Gegensatz zu einem aus dieser Zeit bekannteren US-Comic mit drastischen Zeichnungen wie Preacher kennt MPD Psycho jedoch keine Ironie. Die Mimik der Charaktere bleibt durch die dünnen Striche sehr reduziert. Der viele Weißraum im Layout lässt den Manga dazu fast klinisch wirken, alles bleibt einer überspitzten Düsternis verhaftet, die so jedoch nur dunkler scheint. (Die merkwürdige karge Typografie der deutschen Ausgabe tut ihr Übriges.) Alles kaputt.

Auf 24 Bände brachte es der Manga, die letzte Ausgabe erschien erst 2016 – bedingt durch eine längere Pause. Das kalte Erzählen ermüdet allerdings schon in den ersten beiden Bänden. Spannung aufbauen, das können Tajima und Otsuka zwar, jedoch leidet diese Welt an ihrem Überangebot an Serienkillern und Opfern. Atemlos von Seite zu Seite. Nach einer gewissen Weile erschöpft sich dies, trotz guter Spannungsbögen.

Wer so etwas lesen will? Wer Thriller mag, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren. (Altersempfehlung des Verlags: 18 Jahre.) Alle anderen werden wenig Freude an dem Manga haben, weil er die typischen Elemente des Genres kompromisslos ausspielt. Verstümmelte Körper, Blut und Sex. Und die nicht subtile Botschaft, dass Menschen verdorben sind. Trotzdem der Rat für die Lektürepausen: Ab ins Grüne, an die frische Luft, wo die Vögel zwitschern. Denn bei allem Pessimismus: So schlimm ist es in den meisten Alltagen dann doch nicht.

[Björn Bischoff]

Abbildungen © 2022 Carlsen Manga / © Kadokawa Corporation u. Tohan Corporation


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