»Franquins Stil war geprägt von den hohen Ansprüchen, die er an die Produkte seiner Fantasie stellte. Seiner hochsensiblen Menschlichkeit.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Franquin: Meister des Humors.
Eine Werkschau von José-Louis Bocquet und Eric Verhoest
Carlsen Comics
Hardcover | 384 Seiten | Farbe | 79,99 €
ISBN: 978-3-551-71429-9
Genre: Kunstbuch
Für alle, die das mögen: Tim und Struppi: Die Meisterwerke von Hergé, Auf den Spuren von Lucky Luke, Don Rosa: I still get chills
Es ist ja nicht so, als ob es zu Altmeister Franquin noch keine Sekundärwerke gäbe. Man denke nur an Das Grosse André Franquin Buch von Numa Sadoul, das der Carlsen Verlag schon 1989 verlegte oder an Die Kunst des André Franquin, das 1988 in der Edition Kunst der Comics erschienen ist. Aber die erwähnten Bücher sind schon ein paar Tage alt und werfen zwar verdienstvoll Schlaglichter auf einen Teil des Werkes, welches Franquin in rund 50 Jahren geschaffen hat, aber einen Gesamtüberblick leisten sie nicht.
Jetzt publizierte der Carlsen Verlag zu seinem 50. Jubiläum ein vor zwei Jahren zuerst für den französisch-sprechenden Markt erschienenes Buch – und er tat gut daran.
Auf 384 Seiten liefern José-Loius Bocquet und Eric Verhoest eine »Zeitreise von einem Album zum nächsten«, wie sie im Vorwort schreiben. »Von Spirou und Fantasio bis zu Gaston, vom Marsupilami und Mausi und Paul über Noël bis zu Isabella«.
Und so trägt dieses Buch auch die Bezeichnung »Eine Werkschau« im Untertitel. Chronologisch gehen die beiden Autoren vor, zeigen viele Abbildungen und Originale, Skizzen und Titelbilder. Die Texte ordnen ein, was Franquin zeithistorisch erlebte und in welchen Konstellationen seine Comics entstanden sind. Bibliografische Notizen zeigen die Veröffentlichungshistorie im Original und auch auf deutsch.
Es sind vor allem die vielen Originalzeichnungen und Fotos, die diesen Band zu einem Leseerlebnis werden lassen. So entdeckt man beim Lesen fast nebenbei, wo der Meister mit Tipp-ex gearbeitet hat oder wo Anmerkungen stehen für die Redaktion. Und es gelingt, die äußerliche Entwicklung der Hauptfiguren nachzuvollziehen.
Viele Schwarzweißfotos zeigen Franquin mit seinen Zeitgenossen. Bei einem Treffen mit Jijé oder mit Morris und der Ehefrau von Eddy Paape. Manchmal sind auch Urlaubsfotos mit dabei oder Bilder, die ihn am Zeichentisch und bei der Arbeit zeigen. Aus vielen anderen Fotos spricht der Humor, den Franquin so oft aufs Papier brachte, etwa wenn er völlig übertrieben Grimassen schneidet, oder auf einem Besen reitet. Und wenn er am endlos langen Strohhalm saugt, schaut nicht der Meister aus dem Foto, sondern seine Figur Gaston. Manch andere Bilder aber, gerade auch aus der späteren Phase zeigen schon deutlich, dass dem Meister des Humors nicht immer nur zum Lachen war, sondern dass ihn auch dunkle Gedanken immer wieder umtrieben.
Wer Franquins gesamtes Werk noch nicht kennt, der kann es mit diesem Buch kennenlernen. Zwar nicht in Form seiner Comics, aber in Form der zeithistorischen Entstehung. Akribisch haben die Autoren aufgelistet, wann welche Geschichte gedruckt wurde und wie sich manche Serie aufgrund Franquins Einfluss veränderte. So etwa bei der relativ unbekannten Serie Isabella, für die er ab 1978 das Szenario besorgte. »Nachdem Franquin hinzukam, geriet die Serie immer mehr ins Fantastische, ohne allerdings von ihrem poetischen, sanften Charakter zu verlieren.«
Das Buch schafft es, nicht nur den Blick zu werfen auf das Werk des begnadeten Zeichners. Ganz nebenbei gelingt es auch, ein Gefühl für die Person zu bekommen, die all die bekannten Figuren geschaffen hat. Und so erkennt man nicht nur in Gaston sondern auch im Marsupilami, immer wieder einen Teil ihres Erfinders. Gerade das macht dieses Buch so bemerkenswert.
[Alex Jakubowski]
Abbildungen © 2017 Carlsen Verlag/Franquin S.A.
Kauft den Comic im gut sortierten Comicfachhandel: CRON-Händlerverzeichnis