Frisch Gelesen Folge 283: Fürst der Füchse

Der Fürst der Füchse: Rolf Kauka

»Rolf Kauka blieb noch bis Juli 1940 als Teil der deutschen Besatzungsmacht in Frankreich. Wie viele vom Sieg berauschte deutsche Soldaten fühlte auch er sich, wie er notierte, wie ›Gott in Frankreich‹.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Fürst der Füchse Titelbild

Fürst der Füchse. Das Leben des ROLF KAUKA

Text: Bodo V. Hechelhammer 

Langen Müller Verlag
Hardcover | 392 Seiten | s/w | 25,00 €
ISBN: 978-3-7844-3625-8

Genre: Sekundärliteratur

Für alle, die das mögen: Fix und Foxi, Kauka Comics, Biografien, Comichistorie


 

Wer war Rolf Kauka? Nach Lektüre der neuen Biografie von Bodo V. Hechelhammer dürfte das Comicweltbild so mancher Fix-und-Foxi-Fans fürchterlich ins Wanken geraten.

Wenn das alles stimmt, was der Autor recherchiert hat, und davon ist stark auszugehen, denn er gilt als promovierter Historiker, der seit vielen Jahren für den Bundesnachrichtendienst arbeitet, als sehr seriös, dann ist Kauka alles Mögliche gewesen: ein Comicmacher, Verleger und der Erfinder von deutschen Comicfiguren wie Lupo, Fix und Foxi. Aber auch ein Egozentriker, ein Selbstdarsteller, ein Ehebrecher, ein Doppelmoralist, einer, der seine Frauen und Kinder an der kurzen Leine hielt, ein reicher Schnösel. Und er war vor allem auch ein überzeugter Nazi. Kurzum: Er war ein Arschloch.

Der liebe »Onkel Rolf« war nämlich gar nicht so tugendhaft. Das war alles bloß Show, denn Kauka war ein klassischer Menschenfänger. Wenn er wollte, war er charmant und konnte anderen ein X für ein U vormachen. Wenn nicht, war er mitunter streitsüchtig, arrogant und kündigte Verlagsmitarbeitern nach eigenem Gusto oder verlangte von seinen Kindern den Verzicht auf das Erbe. Dass er sich blendend vermarkten konnte und seine Ehefrauen betrog, war in seinem Umkreis bekannt, schien aber niemanden wirklich zu stören, da er immer wieder auch eine großzügige Seite zeigte, rauschende Feste feierte und im Verlag natürlich der Herr über die Löhne war. Er war schließlich der Boss.

Ja, Kauka war der Fürst der Füchse, Fix und Foxi, und das Foto auf dem Schutzumschlag ist dafür ein Paradebeispiel. Wie ein aufgeblasener General mit abwehrend verschränkten Armen posiert er vor einem Kamin und Gemälden seiner Comicfiguren im Stile alter Meister.

 

Fix und Foxi Heft Nr. 6 TitelbildFrühes Heft von 1953 mit dem Debüt von Fix und Foxi


Autor Hechelhammer hat sich die Arbeit nicht leicht gemacht. Er ging die lange Distanz. Alles wird kleinteilig ausgebreitet. Belege für seine immense Recherchearbeit enthalten die rund 40 Seiten klein- und engbedruckte Quellen- und Literaturverzeichnisse und Hunderte von Anmerkungen. Er hat eine beeindruckende Zahl von Zeitzeugeninterviews geführt und so mannigfaltige Aussagen und Bestätigungen direkt für das Buch eingeholt.

Herausgekommen ist eine Biografie von Rolf Kauka, wie es sie bislang nicht gegeben hat. Dabei versucht Hechelhammer das Leben und Wirken Kaukas neutral darzustellen. Da er dabei nicht vergisst, so manche Aktion und Denkweise Kaukas kritisch einzuordnen, entsteht unterm Strich ein Bild eines konservativen, strengen Deutschtümmlers, der nichts aus seiner Nazivergangenheit gelernt hat.

Somit macht Hechelhammer vieles richtig, was wiederum die eingefleischten Fix-und-Foxi-Leser alter Zeit aufrütteln dürfte. Allerdings übertreibt es der Autor an manchen Stellen und lässt vor Freude über seine akribischen Rechercheergebnisse die Zügel arg locker und überfrachtet das Buch mit fitzeligen Informationen. Am schlimmsten ist das gleich zu Beginn und vor allem in Bezug auf Kaukas Zeit im Nationalsozialismus unter Hitler.

Seitenweise wird hier geschildert, was Kauka wo wie lange mit oder bei wem im Krieg gemacht hat. Passagen wie diese sind noch harmlos: »Rolf Kauka hatte sich mehrfach als Soldat bewährt. Für seine erfolgreichen Abschüsse wurde er mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse (EKI) ausgezeichnet, verliehen am 19. Juli durch Major Joachim Stelzer, dem Kommandant der I./Flak-Regiment 33.«

Dadurch läuft Hechelhammer stets Gefahr, seine Leser zu langweilen. Die vielen Seiten des Buchs über den Nationalsozialisten Kauka, der mit voller Überzeugung Menschen tötete und seine vielen Auszeichnungen und Orden bis ins hohe Alter geheim aufbewahrte, viele Alt- und Ex-Nazis als Freunde hatte und in seinen letzten Jahren sogar zu Adolf Hitlers letzter Privatsekretärin Traudl Junge Kontakt aufnahm, sind nur leidlich interessant. Wer Kauka war und wie er tickte, ist schon nach wenigen Seiten klar. All das hätte Hechelhammer deutlich kürzer abhandeln können.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Bebilderung und der Inhalt dieser ersten 50 Seiten unter der Überschrift »Kriegswelt (1917-1945)«, mit Unterkapiteln wie »Ein ausgezeichneter Soldat« und »Flakfeuerfarben«, in ihrer Gesamtheit wirken, als seien sie direkt aus einem alten Landser-Heftroman herausgefallen. So etwas möchte man heutzutage wirklich nicht mehr lesen.

Fix und Foxi Heft 232Titelbild von Heft 232 der »großen europäischen Jugendzeitschrift«

 
Wenn es dann endlich um die Nachkriegsjahre geht, bekommt die Biografie ihre Berechtigung. Die Entwicklung als Verleger und Kaukas Siegeszug als erfolgreicher Geschäftsmann wird umfassend und glaubwürdig dargestellt. Der Schwerpunkt des Buchs liegt, wie es der Untertitel treffend erklärt, auf dem Leben, nicht auf den Comics von Kauka. So erfährt man sehr viel über den privaten Rolf Kauka, inklusive seiner ganzen Liebschaften, seiner Weihnachts- und Geschäftsfeiern, seiner Urlaube, seiner Hobbys, und seiner Schickeria-Bekanntschaften.

Die wichtigsten Stationen seiner Comics werden abgefahren, auch die Misserfolge wie seine unsägliche ZACK-Phase, die nur wenige Monate dauerte, der Clinch mit René Goscinny und Albert Uderzo wegen Kaukas »Vergewaltigung« von Asterix und sonstige gescheiterte Projekte.

Jedoch wird nichts tiefergehend analysiert oder eingeordnet, sodass für Leser, die an den Comics interessiert sind und schon Sekundärartikel wie Peter Wiechmanns »Spurensuche« kennen, in dieser Hinsicht nicht viel Neues geboten wird.

Sind wir doch mal ehrlich: Letztlich war das meiste, was Kauka in Eigenregie produzieren ließ und nicht aus Frankreich und Belgien einkaufte, billige Massenware und stellenweise, mehr oder weniger versteckt, abgekupfert (Serien wie Die 7 Schnuckel ließen an die Schlümpfe denken oder Fritze Blitz und Dunnerkiel sorgte für einen Plagiatsprozess, weil diese Helden verdächtig an Asterix und Obelix erinnerten).

Kauka und SiggiAls aus Asterix Siggi wurde ... Übersetzung des Grauens


Pedanten dürften sich an kleinen Detailfehlern reiben, so wird im Buch der belgische Verlag »Dupui« genannt, wobei jedem Comicfan sofort auffällt, dass hier ein ›s‹ fehlt. Oder es wird auf dem Schutzumschlag fälschlicherweise erklärt, Kauka habe »als erster Asterix, Spirou und Fantasio oder die Schlümpfe als deutsche Lizenzausgaben« veröffentlicht. Das ist im Fall von Spirou falsch, denn diese Comicserie debütierte bereits früher in der Anthologieserie Der heitere Fridolin vom Semrau Verlag.

Das ist jedoch Jammern auf hohem Niveau. Ebenso wie die Kritik, dass man bemängeln könnte, warum es von dem bekannten Duo Fix und Foxi nur einer der beiden Füchse aufs Titelbild geschafft hat.

Alexandra Kauka, Kaukas vierte und letzte Frau, die das Grußwort verfasst hat, scheint das Manuskript des Buchs nicht genau gelesen zu haben. Oder vielleicht nur die Passagen, die sie selbst betreffen? Sonst hätte sie ihren Text nicht mit diesen Worten enden lassen: »Viel Freude an der Lektüre – daran hätte Rolf Kauka seinen Spaß!«

Er hätte eben nicht seinen Spaß daran gehabt, weil das Buch schonungslos aufdeckt, was für ein selbstverliebter Schauspieler er war, der nach außen hin den »lieben Onkel« markierte und dem nach innen immer wieder die Gefühle von anderen durch die Bank völlig egal waren: von Geschäftspartnern, Freunden, Ehefrauen oder gar den eigenen Kindern.

Das war wahrscheinlich auch der Hauptgrund, warum Kauka nie eine Autobiografie schrieb, obwohl er mehrfach danach gefragt wurde. Er, der die Schule abgebrochen hatte, sich als Erwachsener aber gerne mal als »Dr. Kauka« ausgab, hätte sein Kartenhaus selbst einreißen und offiziell die privaten Hosen herunterlassen müssen. Das wiederum hätte er erst tun können, nachdem viele, die mit ihm zu tun gehabt haben, gestorben wären. Denn die meisten hatten eine eigene, andere Version ihrer Verflechtungen mit Kauka. Das hätte Kaukas Anwälte ganz schön beschäftigt.

Fix und Foxi Super Heft 25Abgekupfert? Fritze Blitz und Dunnerkiel 

 

Insgesamt ist Fürst der Füchse ein sehr solides, nichts beschönigendes, seriös geschriebenes Sekundärwerk, welches aus comichistorischer Sicht interessant ist. Es hätte allerdings, besonders die Kriegsphase, um gut 50 Seiten gekürzt werden können. Es macht Rolf Kauka durch seine Enthüllungen zum größten Unsympathen und Blender, den die Geschichte des deutschen Comics je gesehen hat.

Das wird auf der Rückseite des Buches angedeutet: »Aber hinter der kunterbunten Kinderwelt verbarg sich ein ambivalenter Charakter, der polarisierte und aneckte.« Somit räumt das Werk mit jeder Menge Verklärung auf.

Eine von Kaukas deutschen Lieblingsfiguren war Münchhausen. Er selber war oftmals genauso ein Lügenbaron, der sich selbst gerne inszenierte. Fürst der Füchse ist eines der wichtigen Comicsekundärwerke der letzten Zeit, denn es blickt akribisch genau hinter die Kulissen und beleuchtet den Charakter Rolf Kaukas aus einem neutralen und schonungslos realistischen Blickwinkel. Das Bild von ihm ist nun klar. Und häßlich.

[Matthias Hofmann]

Rolf Kauka als MünchhausenPorträt von »Dr. Kauka«, gezeichnet von Werner Hierl

Fix und Foxi © Your Family Entertainment Aktiengesellschaft

Abbildungen © 2022 Your Family Entertainment / Kaukapedia


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