»Zulie will Fritten! Ganf, Ganf viele Fritten!«
FRISCH GELESEN: Archiv
Wundervolle Sommer 3: »Mam‘zelle Esterel«
Text: Zidrou
Zeichnung: Jordi Lafebre
Salleck Publications
Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,00 €
ISBN: 978-3-89908-710-9
Genre: Lebenskunst
Für alle, die das mögen: das Leben, Norman Rockwell und große Ferien
Das Leben kann so schön sein. Insbesondere im Sommer, wenn Familie Falderault in bis jetzt drei Bänden in die Ferien fährt. In diesem Buch allerdings nicht wie in den früheren Folgen, die 1973 und 1969 spielten, ans Meer. Denn es ist 1962 (ja, die Serie wird bisher rückwärts erzählt), von den vier Kindern gibt es erst zwei, die noch winzig sind, und wie das so ist bei jungen Eltern: Das Geld ist knapp. Also geht es diesmal mit Oma und Opa, die alles bezahlen, nach Saint-Étienne. Auf Wikipedia heißt es zu der südfranzösischen Stadt: »In der Innenstadt sind praktisch keine Grün- oder Parkflächen zu finden, dazu muss man auf die Hügel am Rande der Stadt steigen, wird dort aber mit grandioser Aussicht auf das dichte urbane Netz belohnt.« Anders gesagt: Hilfe!
Was passiert in Wundervolle Sommer 3? Genau dasselbe wie in Band 1 und 2: nichts! Aber das auf ganz hohem Niveau: Während sich ein extrem banaler Alltag entfaltet – erst sind alle zuhause, dann fahren sie los, bis sie in diese Stadt kommen, wo wir alle nicht tot unter der Hecke liegen wollen, und dort dank Oma besichtigen müssen, was kein Mensch besichtigen will – gibt es unzählige hoch amüsante, niedliche, rührende, liebevolle Situationen, die auf mich wie kleine Endorphinduschen wirken. Eine besondere Freude sind in diesem Band die Abendessen, für die sich eigentlich die ganze Familie Pommes wünscht, doch weil Opa es mit dem Herzen hat und keine essen darf, gibt es für alle keine, und so muss sich der Koch jeden Abend eine neue Ausrede ausdenken, warum das wohl so ist. Die Stammgäste treffen sich derweil in der Küche.
Einen großen Anteil am Charme der Serie hat der Zeichner Jordi Lafebre, der König der entlarvenden Gesichtsausdrücke. Ich kenne nur einen vergleichbaren Künstler, Norman Rockwell, dessen Bilder des amerikanischen Alltags längst und verdientermaßen als Klassiker gelten. Ein ganz besonderes Talent hat Lafebre für Glücksmomente. Nach jeder Sommerreise isst die Familie nach der Grenze an einem Imbisswagen Fritten, immer im Regen, weil: Belgien, ist klar, und nie habe ich im Comic so glückliche Menschen gesehen, wie diese sechs (bzw. sieben, wenn man einen unsichtbare Freund dazurechnet) bei ihrer Pause im ersten Band. Auch dieses mal gibt es wieder einige solcher schönen Momente:
Was soll ich sagen: Ich liebe diese Serie! Nicht zuletzt für das, was sie alles nicht ist oder hat: Es gibt keine Dramaturgie, keine Action, keine Verschwörungen, Gewalttaten oder auch nur komplizierte Plots, keine Überraschungen, keinen Überbau oder tieferen Sinn, keine Kritik, Diskurse, Dystopien oder proseminartaugliche Thesen. Wundervolle Sommer ist wie ein Sahnehäubchen auf einem Dessert nach einem endlosen Menü in einem überfüllten französischen Restaurant voller Menschen, die alle auf gute Tischsitten achten. Nur eben ohne das Menü, ohne das Restaurant, ohne die Menschen und ganz sicher ohne die guten Tischsitten. Nur die Sahne. Pur.
[Peter Lau]
Abbildungen © 2020 Salleck Publications / Jordi Lafebre
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