Frisch Gelesen Folge 128: Dein Tod – Mein Kunstwerk

 »Irrsinn ist der Ursprung sämtlicher Heldentaten.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Dein Tod – Mein Kunstwerk

Story: Raule
Zeichnungen: Philippe Berthet

Schreiber & Leser
HC | 64 Seiten | Farbe | 16,95 €
ISBN: 978-3-96582-001-2

Genre: Krimi

Für alle, die das mögen: I.R.S., Raymond Chandler und Merian Reiseführer


Warum? Die Frage, warum sich Philipp Martin um den Tod der jungen Kunsthistorikerin Emma kümmern sollte, bleibt letztendlich offen. War Emma seine Tochter? Hat Philipps große Liebe ihn erneut für ihre Zwecke eingespannt? Diese Fragen bilden aber nur der Rahmen für einen Krimi Noir, der sich im bunten und lebhaften Barcelona abspielt.


Düstere Geschichte im bunten Barcelona: Philipp Martin im Leichenschauhaus.

Philipp Martin, Kriminalinspektor in Paris, bekommt von der spanischen Polizei die Nachricht, dass Emma Bellamy Martin, Studentin der Kunstgeschichte, Selbstmord begangen und in ihrem Abschiedsbrief den Mann erwähnt hat, der ihr Vater sein soll. Nachdem ihn seine Frau vor 25 Jahren in Barcelona verlassen hat, kommt Martin jedes Jahr hierhin – aus Liebe zur Stadt oder auf der Suche nach seiner ehemaligen Frau, die ihn ohne Worte verlassen hat? Sofort erkennt Martin, dass der Abschiedsbrief gefälscht wurde, einzig um ihn zu motivieren, dem vermeintlichen Selbstmord nachzugehen. Langsam kommt Martin hinter einen geschickt eingefädelten Kunstschwindel, in dem der Maler Carles Casagemas, eine tragische Figur aus dem Umfeld von Pablo Picasso, eine ganz entscheidende Rolle spielt. Emma war auf Casagemas spezialisiert und sollte für ihren windigen Freund Folch die Echtheit gefälschter Bilder bestätigen. Folch wollte damit seine enormen Spielschulden an den Gangsterboss San Pedro Sula bezahlen. Martin lässt sich auf ein gefährliches Spiel ein und stellt Sula im Parc del Laberint d'Horta, dem Labyrinth von Barcelona, wo es zu dem erwarteten Showdown kommt.

 
Rabiat: San Pedro Sula setzt Emmas Freund Folch unter Druck.

Dein Tod - Mein Kunstwerk ist wirklich ein Krimi Noir, mit allem, was dazugehört – Mord, Betrug, einer alten Liebesgeschichte und einem einsamen Wolf, der in Barcelona seiner Vergangenheit hinterherrennt. Die Geschichte ist vielleicht nicht unvorhersehbar, aber das spielt keine Rolle. Berthets klassischer Ligne-claire-Zeichenstil und seine Fähigkeit, die Atmosphäre von Barcelona einzufangen – mit einer Farbigkeit, die so konträr zur eigentlichen Handlung steht – lassen manche Schwäche in der Handlung schnell vergessen. Und vielleicht muss man ja nicht zwanghaft versuchen, Parallelen in dem tragischen Schicksal von Carles Casagemas, der nach der versuchten Tötung seiner Angebeteten sich selbst gerichtet hat, und dem Schicksal von Martin zu suchen. Martin, der ähnlich selbstzerstörerisch jedes Jahr nach Barcelona fährt, den Ort seiner großen Liebe und sich nach 25 Jahren wider besseres Wissen mit seiner ehemaligen Freundin trifft und so in den Strudel der Ereignisse gezogen wird. Zu weit hergeholt?


Parallelen: Martin trifft seine Ex nach 25 Jahren wieder (oben) und erkennt deren Ähnlichkeit zu Emma (unten).

 Berthet zeigt einmal mehr seine Ausnahmestellung als klassischer Vertreter der Ligne claire und hat mit Raule einen Szenaristen gefunden, der eine Liebeserklärung an die Stadt Barcelona geschrieben hat.

Endlich hat Schreiber & Leser ein Einsehen und hat diesen Band im Albumformat veröffentlicht – im Gegensatz zu den kleinformatigen Ausgaben von Motorcity, Perico, Die Straße nach Selma oder Dein Verbrechen. Berthets tolle Zeichnungen kommen so noch besser zur Geltung.

[Stephan Schunck]

Abbildungen © 2019 Schreiber & Leser


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