»Mein Name ist Udo Kleinkrämer. Ich betreibe so einen fahrenden Gemischtwarenladen. Ich klappere die entlegenen Dörfer ab und verkaufe den Bewohnern alles, was sie brauchen. Das ist kein gutes Geschäft, aber aufhören mag ich nicht.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Horrorschocker Heft 33
»Oink! Oink! Oink!«
Story: Levin Kurio
Zeichnungen: Levin Kurio, Roman Turowski
»Die letzte Runde«
Story: Bernd Frenz
Zeichnungen: Martin Udovicic, Carsten Dörr
»Das Jubiläum«
Story: Levin Kurio
Zeichnungen: Levin Kurio
Weissblech Comics
Heft | 36 Seiten | Farbe | 3,90 €
ISSN: 1860-983X
Genre: Horror
Für alle, die das mögen: Menschenblut, Tales from the Crypt
Heutzutage, bei all dem Hype um die Graphic Novel an sich oder edel aufgemachte Klassiker-Gesamtausgaben, vergisst man all zu leicht, dass es auch noch Comics gibt, die pures Entertainment bieten. Begeben wir uns dieses Mal also in die tiefsten Tiefen der Unterhaltung: Horrorcomics.
Für die einen sind sie trivialster Schund, für die anderen purer Eskapismus in Form flotter Unterhaltung abseits des guten Geschmacks. Comics aus dem Hause Weissblech stehen für gepflegten Trash, der meist in Genres wie Horror, Science Fiction oder Fantasy angesiedelt ist.
Seit mehr als 20 Jahren veröffentlicht Levin Kurio nun schon seine hammerharten Horrorhefte, und zwar ziemlich regelmäßig. Dabei hat er sich einen Ruf erarbeitet, der für eine gewisse Qualität im Rahmen des selbstgeschaffenen Bezugssystems steht: solide Unterhaltung, ordentliche Zeichnungen, anständig strukturierte Geschichten, die in einer mehr oder minder gelungenen Pointe münden.
Beim Rollenspiel kann man auch sterben: Introseite aus »Die letzte Runde«
Die Reihe Horrorschocker ist sowas wie das langlebige Vorzeigeobjekt von Kurio. Die Anthologieserie enthält in der Regel drei Kurzgeschichten. Das meiste wird von ihm selbst erdacht oder (vor-) gezeichnet. Regelmäßig gibt es aber auch Gastauftritte von Autoren und Zeichnern, die allesamt ebenfalls gerne Horrorcomics produzieren. Die drei Geschichten im August erschienenen 33. Heft bieten einen repräsentativen Durchschnitt aus dem Oeuvre Weissblechs.
»Die letzte Runde«, der auch das Covermotiv gewidmet ist, ist eine Variante der schon oft erzählten Geschichte einer Rollenspiel-Runde, die fürchterlich aus dem Ruder läuft. »Wenn aus Fantasy Ernst wird …« prangt es außen auf dem Titelbild, im Heft selbst spult dann Bernd Frenz zwar routiniert, aber leider recht uninspiriert sein Garn von der gut geschmierten Gruselrolle, und liefert damit einen Beitrag von der Marke »Schnell & Vergänglich« ab.
Anders, weil frischer und tiefer, ist »Oink! Oink! Oink!« von Levin Kurio, dem ein schöner Spagat zwischen althergebrachtem und modernem Horror gelingt. Er entführt den Leser in die Welt der Massentierhaltung, zeigt die brutalen Methoden auf dem Schweinemasthof von Peter Iggler und was passieren kann, wenn man sich nicht an die Regeln hält. Als der recht skrupellose Protagonist eines Tages von Dr. Sagino ein neuartiges, synthetisches Wachstumshormon angeboten bekommt, welches Schweine in der halben Zeit zur Schlachtreife wachsen lässt, wird er schwach. Und das Unheil nimmt seinen Lauf …
Kurio spielt hier nicht nur mit althergebrachten Horrormechanismen, sondern auch mit dem Ekel, den eine moderne Fleischproduktion hervorruft und verwebt damit aktuelle Tagespolitik-Problemzonen wie billig produzierte Nahrungsmittel und welche Folgen das für kleinere Betriebe hat.
Da vergeht einem die Lust auf Fleisch: Szene aus »Oink! Oink! Oink!«
Auch bei »Das Jubiläum« greift Kurio eine aktuelle Problematik auf: Landflucht. Nach einer Idee von Marte Kurio-Deiterding erzählt er eine Episode aus dem Leben des fahrenden Händlers Udo Kleinkrämer (naja), der in Ostdeutschland über Dörfer tingelt, in denen fast nur noch alte Menschen leben. Im fiktiven Kaff Klecksin lebt mittlerweile gerade einmal ein einziges altes Ehepaar und Lotte, die Frau, ist davon besessen, zur bevorstehenden Goldenen Hochzeit eine rauschende Feier zu veranstalten, obwohl das Dorf völlig ausgestorben ist und die alten Freunde und Verwandten längst nicht mehr da sind. Das kann nicht gut gehen und Udo Kleinkrämer hatte es schon geahnt.
Hilft in allen Lebenslagen:
der fliegende Händler Udo Kleinkrämer (Szene aus »Das Jubiläum«)
Das aktuelle Heft führt die etablierte, aber möglicherweise eingefahrene Tradition fort. Solide Horror-Hausmannskost eben. Desöfteren werden die Comics in Horrorschocker, gerade auf den Leserbriefseiten, mit den EC-Comics der 1950er Jahre verglichen. Hier muss man allerdings sagen, dass Serien wie Tales from the Crypt, Vault of Horror, Weird Science oder Shock SuspenStories damals neue Maßstäbe gesetzt haben, besonders auch in grafischer Hinsicht. Hier könnte Weissblech in Zukunft etwas mehr riskieren. Weg von der Routine, weg vom »same old same old«, raus aus den grafischen Grenzen, hin zu überraschender Optik. Traut euch!
[MH]
Abbildungen © Weissblech Comics
Kauft den Comic im gut sortierten Comicfachhandel: CRON-Händlerverzeichnis
Homepage des Verlags: Weissblech Comics