Frisch Gelesen Folge 25: Mensch wie Gras wie

Mensch wie Gras wie

»Hör mal, warum ich dich angerufen habe… dein Chef.«
»Was ist mit dem? «
»Der ist zuviele. «
»Wie, der ist…«
»Zuviele Leute. Und er wird alle werden. Alle Menschen. «


FRISCH GELESEN: Archiv


Mensch wie Gras wie

Mensch wie Gras wie

Story: Dietmar Dath
Zeichnungen: Oliver Scheibler

Verbrecher Verlag
Hardcover | 200 Seiten | s/w | 24,00 €
ISBN 978-3943167764

Genre: Experimentalcomic

Für alle, die das mögen: The End (Anders Nielsen, Fantagraphics), Asthma (John Hankiewicz , Sparkplug), Abstract Comics – The Anthology (Diverse, Fantagraphics)



Der Autor Dietmar Dath gilt vielen als einer der letzten deutschen Großdenker. Er hat etliche Romane, Sachbücher, ja, sogar Gedichte veröffentlicht, ist Redakteur bei der FAZ und ein sehr gefragter Mann.

Mensch wie Gras wie Leseprobe

Zeichner Oliver Scheibler dagegen kennen bisher nur wenige: Er veröffentlichte früher als Herr Schulze Illustrationen und auch einige Comics, aber nichts, was diesem 200-Seiten-Band in schwarzweiß auch nur nahe kommt. Für ihn ist das Buch ein gigantischer Karriereschritt – für Dath eher Punkt 17 auf Seite 8 seiner Publikationsliste. Vielleicht hat sich Scheibler deswegen sehr viel Mühe gegeben, während die Geschichte wirkt, als hätte Dath sie zwischen zwei ganz wichtigen Terminen geschrieben. Aber mit Anspruch. Das erwarten die Fans schließlich.

Schon der Titel legt nahe: Mensch wie Gras wie will ein Comic sein, der über die Grenzen des üblichen Erzählcomics hinaus reicht. Beim ersten Durchblättern fallen einige Illustrationen auf, die nicht direkt zur Handlung gehören, sondern sie eher assoziativ begleiten: mal Impressionen aus Japan (Godzilla, Manga, Fukushima), mal Menschen mit Tierköpfen, häufig ein Go-Brett mit verschiedenen Stellungen und/oder in verschiedenen Zuständen. Das erinnert im ersten Moment an Post-68er-Underground-Comics, die explizit Grenzen überschreiten sollten und sich dabei oft bei bekannten surrealistischen Bildwelten bedienten. Und wie damals ist auch hier jedes Bild ein Klischee.

Mensch wie Gras wie Leseprobe

Mensch wie Gras wie Leseprobe

Dabei ist das Thema durchaus modern: Es geht um Genmanipulation. Eine Biologin entwickelt für ein Unternehmen, das von einem irgendwie dämonischen Investor geführt wird, ein Gras, das am Ende die Welt bedeckt. Außerdem hatte die Biologin lange ein Verhältnis mit dem schwulen Martin, der so tat, als sei er eine Frau, also Martina, die mit der Biologin zusammen war, die so tat, als sei sie lesbisch. Das ist natürlich total idiotisch, aber vielleicht soll es ein Beitrag zur Gender-Debatte sein und ist total verständlich, wenn man den aktuellen Diskurs kennt. Überhaupt kann es sein, dass man das Buch anders liest, wenn man den aktuellen Diskurs kennt. Und nicht erst fragen muss: Welchen?

Aber könnte selbst der diskursivste Diskurs erklären, warum der Investor nicht etwa Geld raffen will, zum Beispiel mit der Ausbeutung von Kleinbauern, wie es sein Schlag gemeinhin tut, sondern die Welt mit Gras überwuchern möchte? Und warum die Biologin, nachdem sie den bösen Investor getötet hat, weil der für den Tod ihres Ex verantwortlich ist, selber das Gras sät, also den Plan des Investors ausführt? Überhaupt ist völlig unklar, wer was warum tut. Die Figuren agieren wie auf den Rückseiten von Cornflakes-Packungen – Innenleben ist nicht.

Mensch wie Gras wie Leseprobe

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Und damit kein Leser auf die Idee kommt, selbst zu denken, werden auch alle assoziativen Bilder, die anfangs interessant wirken, bis zur Banalisierung erklärt. Als wäre es eine neue Kunstform, The Church of Stupid, die keine Frage offen lässt. Wozu der klare, glatte Strich, die häufig ganzseitigen Bilder und die flächigen Kompositionen super passen: das sieht aus wie in einem Malbuch – und geht auch inhaltlich nicht darüber hinaus.

Empfehlenswert also für Kinder ab zwei Jahren, die gerne hübsche Bilder ausmalen. Ab vier empfiehlt sich etwas Komplexeres, Der kleine Strubbel zum Beispiel.

[Peter Lau]

Abbildungen © 2014 Scheibler / Verbrecher Verlag


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