»There are 50 ways to love your liver.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Der 50-jährige Punk: »I Was a Punk Before You Were a Punk«
Story: Bert Henning
Zeichnungen: Bert Henning
Eigenverlag
Softcover-Kleinformat | 52 Seiten | Farbe + s/w | 10,- €
ISBN n/a
Genre: Zeitungsstrip, Punk, Stadtmagazin, Fanzine
Für alle, die das mögen: TOM, Peter Puck, Stadtmagazin-Strips, Punk-Fanzines, Dorfpunks
Bert Henning dürfte Berliner Comicfans kein Unbekannter sein, denn er ist dem umtriebigen Comicladen Grober Unfug aufs Innigste verbunden. Auch der eine oder andere Subkulturelle dürfte ihn aufgrund seiner Band Kunstkraut kennen. Über die Grenzen Berlins hinaus ist er durch seine im klassischen Zeitungsstripformat gehaltenen Erlebnisse des 50-jährigen Punks dagegen wohl eher nur wenigen bekannt. Sie erscheinen vereinzelt in der aktuellen Inkarnation von U-Comix.
Diese Sammlung von 49 (sic!) Erlebnissen des 50jährigen Punks ist dementsprechend auch nur im Selbstverlag erschienen, hat aber trotzdem Beachtung verdient. Die Geschichten werfen einen liebevollen Blick auf alle Vorurteile der alternden Subkultur. Der Iro ist längst einer altersgemäßen Frisur gewichen, die Brille ist notwendig und die Sicherheitsnadeln sind schon vor 20 Jahren aus der Lederjacke gefallen. Auch die Attitüde hat sich altersgemäß entwickelt, ist aber immer noch 100% Punkrock!
Ohne auf die üblichen Phrasen der Politdiskussion zu verfallen werden Gentrifizierung (»Was ist bloß mit Kreuzberg los? Überall kriegst du Sushi … nirgends mehr Dope! «), Yuppiesierung (»Meine Welt geht unter! Ich war gestern an einem Punk-Konzert in Mitte! – Und weißt du, was die dort getrunken haben?! – Latte Macchiato«), neue Medien und immer noch »No Future!« thematisiert. Daneben gibt es aber auch Alltagserlebnisse rund um das Saufen, das Liebesleben, den Frühling und die schlechte Laune.
Während TOM in seinen Touché immer wiederkehrende, aber wechselnde Helden hat, die sich beispielsweise mit den Hinterlassenschaften der vierbeinigen Freunde beschäftigen, und Peter Puck seinen Rudi und Co. endlose Sprechblasentexte verbreiten lässt, die sich insbesondere mit der Wiederkehr des Faschismus und dem Gegensatz von Subkultur und der studentischen Schickimicki-Szene beschäftigen, ist Bert Henning sehr eingeschränkt: Es interessiert nur die direkte Umgebung des 50-jährigen Punks!
Auch die zeichnerischen Mittel sind limitierter. Der klare Stil vermittelt aber immer einen Eindruck der Situation und nimmt den Leser direkt mit. Etwas störend ist dagegen das Maschinenlettering, auch wenn der gewählte Font passt.
Wer auch immer die »Dorfpunks« von Rocko Schamoni gelesen - und noch besser auch gesehen – hat, kann sich vorstellen, dass die Helden mittlerweile in Berlin genau so leben wie der Protagonist dieses Strips! All der Charme des offensiv schlecht gelaunten, auf sich bezogenen und doch sympathischen Losers spricht aus jeder Seite! Punx not dead!
Wer den Comic direkt im Groben Unfug kauft oder ordert wird übrigens mit ziemlicher Sicherheit ein signiertes Exemplar ergattern können.
Zum Schluss wie immer die Empfehlung zu einem passenden Song: Auch wenn es sich dabei um keine Berliner Band handelt, passt meines Erachtens kaum ein deutsches Punkstück besser als »Das Wort zum Sonntag« von den Toten Hosen! Um es wirklich cool zu machen sollte man die Stripsammlung mit dem Song in den Ohren bei einer Currywurst am Stand genießen!
[Sven Krantz-Knutzen]
Abbildungen © 2015 Bert Henning
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