»Kubix: Lebewesen von kubischer Form und grüner Farbe. Da ihre Beine und Arme einziehbar sind, lassen sie sich gut stapeln.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Die viereckige Welt der Kubixe
Story: Éléonore Douspis
Zeichnungen: Éléonore Douspis
Jacoby & Stuart
Hardcover │ 56 Seiten│ Farbe │ 14,40 €
ISBN: 978-3-96428-109-8
Genre: Parabel, Humor, Kinderbuch
Für alle, die das mögen: Die Shadoks (Zeichentrickserie), »Im Land der viereckigen Eier« (Donald-Duck-Geschichte von Carl Barks, 1949), »Zurück ins Land der viereckigen Eier« (Donald-Duck-Geschichte von Don Rosa, 1989)
Die Preisfrage lautet: Wo leben die Kubixe? Laut Éléonore Douspis irgendwo auf der Welt, eingezwängt zwischen Bergen und dem Meer, in der viereckigsten aller Städte. Die grünen Kubixe sehen mit ihrer quadratischen Form putzig aus und ernähren sich ausschließlich von grünem Obst und Gemüse, woraus ihre Farbe resultiert. Weniger schön klingt aber das ihnen angedichtete Naturell, zumindest in der deutschen Übersetzung, denn »ihr Denken entspricht der Form ihres Gehirns«. Später werden wir sehen, dass viele Kubixe aufgrund ihrer besonderen Statur vierkantige Dinge einfach gerne haben – und mit anderen Geometrien extrem fremdeln. Und leider auch richtige Quadratschädel sein können. Die Kubixe sind so intelligent wie wir und starten sogar eine Rakete in den Erdorbit. Dort erleben die Astronauten aber eine große Überraschung, denn die Erde ist ja kugelförmig. Das ist für sie zwar nicht so schön, denn sie gingen davon aus, dass die Erde kantig ist. Sie verschließen sich dieser Tatsache jedoch nicht und beweisen damit, dass sie in der Regel keine Flat-Earth-Anhänger sind.
Die Anatomie der Kubixe. Beachtenswert: Die Geschlechter unterscheiden sich durch die Haartracht.
Ein weiblicher Kubix hat fünf Haare, ein männlicher zwei.
Das grundsätzliche Setting weckt wohlige Erinnerungen an zwei Donald-Duck-Abenteuer, die von Carl Barks und Don Rosa in jeweils verschiedenen Jahrzehnten geschaffen wurden. Beide drehen sich um sonderbar kantige Lebewesen, die viereckige Eier legen und fernab unserer Zivilisation zusammen mit ebenso merkwürdig geformten Menschen leben. Doch damit enden auch die Ähnlichkeiten, denn besagte Geschichten sind einfach nur ausgezeichnete Unterhaltung, während Douspis zusätzlich andere Inhalte vermittelt. Dazu aber später mehr. Die Kubix-Geschichten sind stellenweise sehr witzig und erinnern damit entfernt auch an die mehr oder weniger sinnbefreite, aber äußerst unterhaltsame und skurrile TV-Trickserie Die Shadoks, die in den Endsechzigern startete. Aber auch nur entfernt.
Tja, leider ist die Erde nicht eckig! Aber wenn alles doofe Rundliche beseitigt wird, dann wird es auf dem Boden schon deutlich heimeliger… und eckiger.
Bei den Kubixen dagegen bleibt einem manchmal das Lachen im Hals stecken. Wie gesagt, Kubixe sind grün, weil sie entsprechend gefärbte Nahrung zu sich nehmen. Das ist aber für viele recht langweilig, woraufhin besondere Restaurants eröffnen, die revolutionäre Fusion-Gerichte präsentieren: so mit Bananenscheiben, blauen Pilzen, Zitronen und so. Eine lukullische Offenbarung, die aber nicht unproblematisch ist, da sich die Hautfarbe eines Kubix nach dem zügellosen Genuss derartiger Spezialitäten drastisch verändern kann. Zum Beispiel ins Gelbliche. Das ist politisch aber nicht gewollt, und so werden von der Norm Abweichende mit Gefängnis und kulinarischer Umerziehung bestraft. Schlecht ergeht es auch denen, die körperlich von der Norm abweichen und nicht exakt gleichkantig sind. Von den Ordnungshütern werden diese dann als »grenzwertig« bezeichnet. Aber zum Glück lassen sich nicht alle davon beeindrucken. Es gibt eine Art unorganisierten kleinen »Untergrund«, bei dem von anderen Zuständen geträumt werden darf. Ein Kubix wäre sogar »am liebsten von vielen Sternen« bedeckt. Sehr extravagant!
Keine Frage, die Kubixe sind technisch äußerst begabt.
Éléonore Douspis spricht mit ihren eckigen Protagonisten sowohl junge bis sehr junge Leser an als auch Ältere, was angesichts des politischen Inhalts erstaunlich ist. Der Comic kann also auch als Kinderbuch genutzt werden. An vielen Stellen sind die Gleichnisse schnell zu erkennen, an anderen kann und sollte über das Erzählte ausgiebig diskutiert werden. Ist dies aber eingeplant, dann dürfte einem beiderseitigen Lesegenuss nichts im Wege stehen. Douspis Strich ist übrigens sehr schön anzusehen. Die Kubixe sind einfach nur putzig!
Merke: Kubixe wirken unhöflich. Aber offenbar sind sie nur sehr ängstlich.
Diese Arbeit kann zweierlei interpretiert werden. Als fesselnde Unterhaltung für Groß und Klein, aber auch als Werk einer Künstlerin, die auf diese Art Zeichen gegen Ausgrenzung, Rassismus und totalitäre Staaten setzt. Der Stoff hat es in sich. Das fällt aber erst auf, nachdem die Geschichte peu à peu an Tiefe gewinnt und immer düsterer wird. Denn die Kubixe finden eine Möglichkeit, die Welt außerhalb ihrer Stadtmauern ihrem geometrischen Ideal anzupassen; das Runde also irgendwie ins Eckige zu pressen. Würfelige Elefanten? Klingt irgendwie nicht so schön. Aber keine Angst, Éléonore Douspis kriegt mit einem hübschen Finale – so viel sei verraten – locker die Kurve.
Nicht so cool! Mit »neuen« Tier-Modellen wird die ungewohnte Welt außerhalb der Stadt kantig. Mal sehen, was den Kubixen noch so einfällt.
[Walter Truck]
Abbildungen © 2021 Jacoby & Stuart / Éléonore Douspis
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