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FRISCH GELESEN: Archiv
Feral Nummer 4
Story: Ömer Yalinkilic, Oliver Wünsch, M.W. Ludwig
Zeichnungen: Ömer Yalinkilic, Oliver Wünsch, Kritzelkunst
Chapter-X Comics
Magazin | 44 Seiten | s/w | 6,66 €
ISBN: 978-3-9822629-4-9
Genre: Horror
Für alle, die das mögen: Schwarzweiß-Horrorcomics der 1970er Jahre, italienische Trashfilme, Vampire, Okkultismus
Vampirella war gestern. Heute liest man Feral.
Okay, das ist vielleicht etwas übertrieben. Zum einen gibt es Vampirella-Comics immer noch, zumindest in den USA. Und sie werden auch gelesen. Zum anderen muss sich Feral erst noch in Deutschland durchsetzen …
Aber es trifft sich ganz gut, dass, ganz frisch und rechtzeitig vor Halloween, nun schon die vierte Ausgabe des Magazins Feral erschienen ist. Mit diesem Standing und einer solchen Robustheit hätte ich nicht unbedingt gerechnet, als ich zum ersten Mal von Feral gehört habe. Bislang erschien das Magazin nur mit ein bis zwei Ausgaben pro Jahr. In Zukunft soll Feral gar vierteljährlich auf den Markt kommen. Ob das mal gut geht? Das nächste Jahr wird es zeigen.
Doch widmen wir uns zunächst der neusten Nummer. Anders als die Titelbilder der ersten Ausgaben ist das Bild auf dem Cover der Nummer 4 eher gemäßigt. Der bisherige direkt ins Auge stechende Horror-Erotik-Mix ist nicht mehr explizit erkennbar. Eventuell ist das ein Eingeständnis an eine größere Seriosität, denn das Heft wird nun auch über den Bahnhofsbuchhandel vertrieben. Oder vielleicht ist es einfach nur Zufall?
Das Motiv von Ömer Yalinkilic ist jedenfalls durchaus ein Hingucker, denn es spielt mit dem Blickwinkel des Betrachters. Die Vampirin und die Katze teilen sich optisch ein Auge. Eine schöne grafische Spielerei, die mir sehr gefällt.
Ömer Yalinkilics feiner Streich weiß zu gefallen
Der Comicteil bietet drei Geschichten. Die erste und letzte sind Fortsetzungen. Ömer Yalinkilics »Dreams in the Witch House« schreitet inhaltlich voran und zeigt auf künstlerischer Ebene, dass sich der Zeichner weiter verbessert hat. Dieser realistische und feine Strich schafft viel Atmosphäre. Bei einem Horrorcomic ist das natürlich ein großer Pluspunkt. Fortsetzungsgeschichten bei Publikationen, die nur alle sechs Monate (oder seltener) erscheinen, bergen ein gewisses Risiko. Weil nicht jeder ein gutes Gedächtnis hat, hilft die Zusammenfassung (»Was bisher geschah«) enorm.
Die zweite Geschichte »Opfer« markiert eine Art Rückkehr von Oliver Wünsch. Es ist keine neue Geschichte, sondern ein Reprint eines Comics, der in Utopische Welt Nr. 5 im Jahr 1988 erstmals erschienen ist. Damals im Piccoloformat. Die Wiederveröffentlichung in Feral erfolgt mit drei Streifen pro Seite, und es gibt eine unveröffentlichte Splashpage. Wünsch war Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre ein aufgehender Stern am deutschen Comiczeichner-Himmel. Er veröffentlichte im Magazin Schwermetall. Aber recht schnell ging er den Weg des freiberuflichen Illustrators, denn mit eigenen Comics ließ sich in Deutschland kein Geld verdienen. Der Comic selbst ist solide Kost. Interessant sind die Frisuren und Klamotten der Protagonisten, denn die spiegeln so richtig den Zeitgeist von damals wider.
Der dritte Comic im Bunde ist ebenfalls grundsolide gezeichnet und kann mit einer interessanten Golem-Geschichte aufwarten. »Wahrheit und Tod« von M.W. Ludwig (Story) und Kritzelkunst (Zeichnungen) ist grafisch auf einem hohen Niveau. Da wundert es ein bisschen, dass der Zeichner (oder die Zeichnerin) sich hinter einem Pseudonym versteckt. Irgendwoher kommt mir der Zeichenstil bekannt vor, aber genau zuordnen kann ich ihn leider nicht. Die Geschichte ist ein bisschen zu textlastig und kommt nur langsam in Schwung. Und als sie interessant wird, steht dann da dies: »Fortsetzung folgt«.
Kritzelkunst kann zeichnen
Neben den Comics gibt es auch ein paar redaktionelle Seiten, auch mit Fotos und kleinen Bildbeiträgen, eben wie früher in den US-Schwarzweißmagazinen. Das rundet den Gesamteindruck schön ab und zeigt die Liebe zum Detail.
Auch die vierte Ausgabe von Feral ist in einer englischsprachigen Fassung erschienen. Man hat sich tatsächlich die Mühe gemacht, sämtliche Sekundärtextbeiträge zu übersetzen; sogar die Anzeigenseiten. Das ist wirklich sehr aufwändig. Und obendrein gibt es auch noch eine Variantausgabe mit anderem Titelmotiv.
Feral erfindet das Rad der Horrorcomics nicht neu. Mir persönlich ist diese Ausgabe fast etwas zu zahm geraten. Leser dieser Art von Comics erwarten wahrscheinlich durchaus mehr Horror, mehr Erotik, aber es ist eine Art Dark-Gothic-Grusel-Atmosphäre zu spüren. Die Qualität der Zeichnungen ist auf einem guten Weg. Das nächste Jahr wird zeigen, wohin der Weg geht und vor allem wie weit.
Alle, die sich für Gruselcomics begeistern und auch keinen gesteigerten Wert auf Farbe legen, sollten hier unbedingt reinschauen.
[Matthias Hofmann]
Abbildungen © 2022 Chapter-X Comics / Ömer Yalinkilic / Kritzelkunst
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