»Einmal ein Rächer, immer ein Rächer!«
FRISCH GELESEN: Archiv
Marvel Comics Library: The Avengers Volume 2: »1965–1967«
Herausgeber: Rhett Thomas
Autor Artikel: Christopher Priest
Story: Stan Lee
Zeichnungen: Don Heck (Pencils & Inks), Dick Ayers, Wallace Wood, John Romita, Dick Ayers, Frank Giacoia, George Roussos (Inks)
TASCHEN Verlag
Hardcover | 666 Seiten | XXL-Format | Farbe | 150,00 €
ISBN: 978-3-8365-9159-1
(Es existiert eine Collector’s Edition von 1.000 nummerierten Exemplaren, in Kunstleder gebunden, mit eingefasstem ChromaLuxe-Aluminiumprint zum Preis vom 500 €. Das Buch gibt es in englischer Sprache.)
Genre: Superhelden
Für alle, die das mögen: Marvel Comics, Kaffeetischbücher, Avengers
Fans der Comics von Marvels Anfangstagen leben in besonderen Zeiten. Sie werden mit immer noch besseren Reprint-Ausgaben in Versuchung geführt, sich die Geschichten zu kaufen, die sie längst mehrfach besitzen.
Es ist ein neuer Band der Marvel Comics Library von Taschen erschienen: die inzwischen siebte Sammlung mit klassischen Marvels aus dem guten alten Silver Age.
Ich bin ehrlich: Als diese Reihe im Jahr 2021 angekündigt und mit Spider-Man gestartet wurde, dachte ich zunächst, es würde sich um ein kurzlebiges Projekt handeln. Ich wollte mich auch nicht von der Nummerierung täuschen lassen, denn alle Bände waren mit »Volume 1« gekennzeichnet.
Somit war meine Überraschung riesengroß, als Ende 2023 doch tatsächlich Spider-Man Volume 2 erschienen ist. 2024 war es bislang ruhig, aber im Herbst folgte nun auch die Fortsetzung von Avengers. Respekt vor den Leuten beim Taschen Verlag, die dieses Prestige-Projekt über die erste Welle hinweg vorantreiben.
Dieser neuste Band enthält die Originalhefte #21 bis #40 der Serie The Avengers, die – wie die bisherigen Sammelbände – von Größe und Proportionen möglichst nah an den Originalseiten (!) gestaltet sind.
In dieser Kollektion ist mit der Nummer 28 das erste Heft dieser Serie, welches ich als Kind bewusst gekauft und gelesen habe, als es auf Deutsch im Williams Verlag unter dem Seriennamen Die ruhmreichen Rächer mit der deutschen Nummer 27 erschienen ist. Das war im Februar 1976. Ich war kurz zuvor neun Jahre alt geworden und fand die Geschichte »Unter uns ist … ein Goliath!« von Stan Lee einfach toll. Gezeichnet hatten sie Don Heck und Frankie Ray. Letzteres war ein Pseudonym von Frank Giacoia, der vornehmlich als Inker arbeitete. Zu seinen wichtigsten Arbeiten gehören Captain America, wo er oft mit Jack Kirby zusammenarbeitete, oder Amazing Spider-Man. So zeichnete er mit Ross Andru den ersten Auftritt des Antihelden Punisher (Amazing Spider-Man #129).
Der Erstauftritt von Goliath war damals ein signifikantes Heft, denn es markierte die Rückkehr von Gründungsmitglied Hank Pym, der zuvor als Ant-Man und Giant-Man bekannt war. Als Goliath trug er ein neues zeitgemäßeres Kostüm und ergänzte das damalige Avengers-Team sehr gut. Neben Captain America bestand es in jener frühen Phase nur aus Rookies und ehemaligen Bösewichten wie Quicksilver, Scarlet Witch und Hawkeye.
Die in Volume 2 enthaltenen Comics wurden alle von Stan Lee getextet. Don Heck war der hauptsächliche Zeichner. Heck war keiner, der besonders beliebt war, so wie damals Jack Kirby oder John Romita. Er war mehr ein stiller Arbeiter, der sich im Hintergrund und an eine konservative Panelaufteilung hielt. Mit Heck ging es mir wie mit Steve Ditko. Ich fand seine Zeichnungen als Kind eher durchschnittlich, lernte seine Kunst aber in späteren Jahren durchaus zu schätzen.
Die Storys dieser Phase haben es in sich. Zum einen war Stan Lee immer mehr im Fortsetzungsmodus und entwickelte spannende Geschichten über mehrere Hefte hinweg. Das war eine Weiterentwicklung der in sich abgeschlossenen Comics, die man von früher kannte, mit Geschichten, die oft schnell wieder vergessen waren. Zum anderen trafen die Avengers in kurzer Abfolge auf eine Reihe der schillerndsten Bösewichte, die heutzutage fast schon ikonisch sind, wie z.B. Kang, Dr. Doom oder Attuma.
Eine wichtige Storyline, die mich tief beeindruckt hat, ist der Zweiteiler mit der fremdenfeindlichen Gruppe Sons of the Serpent. Im Original im Jahr 1966 erschienen, hat sich schon damals gezeigt, dass Stan Lee nicht vor schwierigen Themen wie Rassismus zurückschreckt und diese geschickt in einem Superheldencomic thematisieren kann.
Signifikant ist auch Heft #38, als Hercules aus dem Olymp kommt und bei den Avengers einzieht. Seinen ersten richtigen Auftritt hatte der Held der griechischen Mythologie 1965 in Journey Into Mystery Annual #1, wo er als Rivale des nordischen Gottes Thor etabliert wurde. Aber erst bei den Avengers wurde er als feste Figur im Marvel-Superheldenkosmos etabliert und in Heft #45 wurde er sogar offiziell ein Avenger.
Wie schon bei den Vorgängerbänden präsentiert der Taschen Verlag diese Comics in der bestmöglichen Form; wie bei ihrer ersten US-Veröffentlichung. In enger Zusammenarbeit mit Marvel und der Certified Guaranty Company wurden die makellosesten Ausgaben abfotografiert. Jede Seite wurde genauso reproduziert, wie sie vor mehr als einem halben Jahrhundert gedruckt wurde. Mit modernster Retusche-Technik gelang das digitale Remastern in einer Qualität, die den minderwertigen Druck der Zeit ausgleichen kann und wie frisch aus einer der besten Druckmaschinen der 1960er-Jahre wirkt.
Als Vorlage dienten die Comics von Bob Bretall, der im Guinness-Buch der Rekorde als Inhaber der größten Comicsammlung der Welt steht. Dass die meisten seiner Hefte in einem hervorragenden Zustand sind, versteht sich von selbst.
Für die Reproduktion der Comicseiten wählte man ein etwas matteres, raueres Papier für eine nostalgische Haptik beim Blättern. Neben den Comics werden auch alte Anzeigenseiten abgedruckt und die jeweiligen Heftumschläge hat man, wie damals, auf einem dickeren, glänzenden Papier gedruckt. Bonusmaterial gibt es es natürlich auch wieder.
Zur Ausstattung möchte ich mich nicht wiederholen, sondern verweise auf meine Rezensionen der bisher erschienenen Bände der Marvel Comics Library.
Alle, die diese Reihe bereits kennen, können beruhigt weitere 150 Euro hinblättern. Diese Investition lohnt sich für alle, die ihre klassische Marvel-Silver-Age-Sammlung mit einem besonderen Prunkstück krönen wollen.
Es bleibt zu hoffen, dass weitere Sammlungen in diesem Format erscheinen werden, denn es gibt noch viel Material, welches eine Aufarbeitung lohnt.
[Matthias Hofmann]
Abbildungen © 2024 Marvel
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