»Es sind Menschen wie wir, und sie sind in Gefahr …«
»Vor der Gefahr, die uns alle bedroht, gibt es keine Könige und keine Sklaven, keine Kasten und keine Vorrechte mehr. Es gibt nur noch Krieger, die bereit sind zu sterben, damit ihre Kinder leben können.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Troja Band 1: »Das Volk des Meeres«
Story: Nicolas Jarry
Zeichnungen: Erion Campanella Ardisha
Splitter
Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 13,80 €
ISBN 978-3-95839-060-7
Genre: Abenteuer, History, Fantasy, Krieg
Für alle, die das mögen: Sagen, tragische Helden, Gemetzel, Jugurtha
Das Mittelalter ist mittlerweile in allen möglichen Popkulturen heimisch geworden. Game of Thrones und die Tolkien-Adaptionen haben die Verbindung von epischen Schlachten, Gewalt und Liebe mit Magie und Religion so eindeutig zum Mainstream gemacht, dass es schwer ist, in diesem Themenfeld noch aufregend Neues zu erschaffen. Auch die Wikinger, die Barbaren und die Römer sind bereits prominent besetzt. Was liegt also näher, als in die griechische Sagenwelt einzutauchen und den altbekannten Stoff mit Magie angereichert neu zu präsentieren. Im französischen Original ist sie allerdings schon 2012 erschienen, also vor Vikings und zu einem Zeitpunkt, als nicht abzusehen war, dass GoT für 24 Emmys nominiert werden würde.
In dieser neuen auf vier Bände angelegten Story geht es um nichts Geringeres als das Überleben der (unserem Kulturkreis damals bekannten) Menschheit, die im Kampf zwischen Göttern aufgerieben zu werden droht. Zunächst herrschte Uranos, der aufgrund einer Weissagung seine Nachkommen begrub. Sein Sohn Kronos konnte jedoch flüchten und besiegte ihn schließlich. Auch Kronos befürchtete nun das gleiche Schicksal und verbannte seine Kampfgenossen und Nachkommen. Sein Sohn Zeus entkam und griff zu den Waffen um seinen Vater zu entmachten. Hier setzt die Geschichte an, denn Kronos versucht seine Stellung zurück zu erlangen und bedient sich dabei magischer Hilfe aus den Tiefen Asiens (Hier sei nebenbei bemerkt, dass die Wortwahl der Übersetzung oder sogar des Originaltextes nicht immer glücklich ist und teilweise Stammtischreden entnommen zu sein scheint). Eingebettet in ein solides und bekanntes Sagengerüst, tauchen dabei alle bekannten Protagonisten nicht nur der trojanischen Kriege auf.
Zum eigentlichen Inhalt: Die Geschichte beginnt actiongeladen: Hekate, die Göttin der Magie wie auch der Schatten, verschafft sich gewaltsam Zutritt zu Pythia, der Priesterin des bekannten Orakels von Delphi. Dort wird das oben bereits beschriebene Setting für den Kampf der Götter entwickelt und die Gefahr für die Menschheit erläutert.
In einem parallelen Zeitstrang erlangt Achilles Zugang zu eisengeschmiedeten Waffen in großer Zahl von den Hethitern, muss allerdings ebenfalls erstmal Blut fließen lassen, um sich würdig zu erweisen. Nebenbei erfährt der Leser von der Liebe zwischen der schönen Helena und Achilles. Diese warnt vor einer schwarzen Wolke, die ihr im Traum erschienen ist und alles vernichtet hat. Nach einer weiteren gewaltigen und blutigen Zwischenepisode mit Chiron wird deutlich, dass es sich bei der mächtigen Bedrohung keinesfalls nur um einen Traum handelt. Kronos ist bereits dabei, seine Schlachten zu schlagen und vernichtet dabei die Menschen reihenweise.
Als ihr Vater stirbt zeigt sich, dass die schöne Helena keinesfalls eine triebgesteuerte Persönlichkeit ist. Sie weist Achilles aus politischen Gründen ab, um Agamemnon keinen Vorwand für einen Krieg zu liefern. Als sie ihre entsprechenden Pläne verkündet, kann Achilles nur Zufügung einer blutigen Nase durch Odysseus daran gehindert werden, Agamemnon zu töten, der eine Ehe Helenas mit seinem Bruder vorschlägt. Auch Paris will Helena nicht an Menelaos verlieren, sondern möchte sie für sich gewinnen. Nachdem das Tableau für die tragischen Verwicklungen gelegt ist, folgt zum Abschluss noch einmal eine blutige Schlacht gegen die dunkle Wolke.
Alles in allem eine sehr verwinkelte Geschichte in mehreren, verschobenen Zeitsträngen, die mit der Kenntnis der griechischen Sagenwelt einfach zu entschlüsseln ist. Ohne dieses Wissen wird man die Serie wahrscheinlich zweimal lesen müssen (was ja aber auch nicht schadet).
Bei all den Hinweisen auf Blut, Gewalt und Gemetzel muss aber noch gesagt werden, dass es in Troja um keine Verherrlichung von Gewalt wie bei 300 geht. Das Sterben wird nicht ästhetisiert, das Heldentum nicht zelebriert und das Töten auch nicht als Heilmittel dargestellt. Es geht vielmehr um die Fantasy-typische Schlacht ums Überleben der Menschheit. Trotzdem setzt Splitter in seinem Katalog das Alterssignet 16+ an.
Während es sich bei Nicolas Jarry bereits um einen etablierten Texter im Fantasy-Sektor handelt, liefert Erion Campanella Ardisha einen beachtlichen Erstling ab, der noch einiges verspricht. Flexibler Seitenaufbau, gute und stimmige Körper und gut herausgearbeitete Mimik sind nicht selbstverständlich! Die Zeichnungen sind sehr detailliert und filmisch komponiert, besitzen allerdings teilweise sehr überdeutliche Konturlinien.
Splitter scheint sich von diesem Titel einiges zu versprechen und brachte ihn daher schon als Heft zum Gratis-Comic-Tag heraus. Diese Ausgabe ist natürlich nicht nur viel größer, was sich bei den Zeichnungen auch durchaus lohnt, sondern enthält auch im Vorsatz eine Karte mit den wichtigsten Städten im Mittelmeer des 13. Jahrhunderts vor Christi und im Nachsatz eine Erklärung der wichtigsten Gottheiten, Schauplätze und Handelnden. Der zweite Band von Troja soll bereits im Oktober erscheinen.
Da wir in Zeiten leben, in denen SM-Literatur scheinbar in jeden Haushalt gehört und Sex ein Alltagsthema geworden ist, das einen nicht nur von T-Shirt-Aufdrucken anspringt, sondern auch in typischen Buchhandlungen die ersten Meter begleitet, ist es fast schon bemerkenswert, dass sich in diesem Comic keine »explicit scenes« befinden! Angesichts der Tragik und der unglücklichen Liebe, die sich mit Machtfragen einfach nicht verträgt, ist das aber auch in keinster Weise notwendig!
Was kann man dazu hören? Angesichts der Tragik wohl am ehesten Mikis Theodorakis! Wegen der doch schönen Geschichte, die ein mehrmaliges Lesen lohnt, allerdings eher nicht im Biergarten beim Lieblingsgriechen, sondern zuhause und zur Not auch ohne Ouzo!
[Sven Krantz-Knutzen]
Abbildungen © 2015 Splitter
Kauft den Comic im gut sortierten Comicfachhandel: CRON-Händlerverzeichnis