»Ich möchte eins klarstellen: Keiner unserer Charaktere lebt. Das National Artificial Intelligence Bureau hat uns mehrmals überprüft.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Nonplayer Band 1: »Buch 1«
Story: Nate Simpson
Zeichnungen: Nate Simpson
Splitter Verlag
Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 15,80 €
ISBN: 978-3-95839-095-9
Genre: Science Fiction, Abenteuer, Rollenspiele
Für alle, die das mögen: Otherland, Arthur Conan Doyle, dunkle Zukunftszenarien
Mittlerweile geht der Splitter Verlag immer mehr dazu über, auch nicht-europäische Stoffe in sein Programm aufzunehmen. Dieser Band vereint die ersten beiden Bände der in den USA bei Image Comics erscheinenden Serie Nonplayer von Nate Simpson, die in einem Zeitraum von vier Jahren erschienen sind. Hoffentlich müssen wir auf den nächsten Teil nicht genauso lange warten.
In einer Welt der nicht allzu fernen Zukunft sind Spiele nicht mehr auf Konsolen oder VR-Brillen beschränkt, sondern laufen über ein kleines Zusatzgerät, dessen Basisstation direkt am Ohr implantiert wird. Aufgesteckt zeigt ein Farbcode für Außenstehende an, ob der Träger sich in der realen oder der Spielwelt »Warriors of Jarvath« befindet. Das entsprechende Kleingeld vorausgesetzt, ermöglicht ein Lifeskin-Abo die alltägliche Flucht vor dem öden Alltag.
Die Spielwelt lebt davon, dass der gesamte Tagesablauf eingebunden werden kann und dadurch in eine spannende, naturbezogene Mittelalter-Fantasywelt überführt wird. Technik wird in Muskelkraft und große Tiere »verwandelt« und macht somit das Leben spannender als der graue Stadtalltag. Natürlich ist die Welt aber gefährlich, denn XPs bekommt man auch hier für Siege über andere Player. Dementsprechend verwandeln sich viele Charaktere nicht nur in »schöne«, sondern in muskelbepackte, durchtrainierte Avatare und mit einem entsprechenden Kampf beginnt die Geschichte auch. Dana, die Heldin des Comics, und ihr Begleiter verlieren ihn, allerdings unter hohem Blutzoll für die Angegriffenen.
In der realen Welt gibt es aus scheinbar leidvoller Erfahrung heraus ein Verbot künstlicher Intelligenz, das von einer eigens dafür geschaffenen Regierungs-/Polizeitruppe umgesetzt wird. Eine hier aufgeworfene, aber noch nicht glaubwürdig beantwortete Frage, die zufällig auch titelgebend und damit wahrscheinlich noch bedeutend ist, lautet, ob in dem Spiel AIs als Nonplayer eingesetzt werden oder nicht.
Im zweiten Teil, der dem zweiten Originalheft entspricht, kommt es zu einem Zwischenfall in einem Handlungsgebiet als ein Roboter Amok läuft. Der aufmerksame Leser wird hier Hinweise auf das Spiel finden, die durch das parallel geführte Interview mit dem CEO der Spielefirma nicht wirklich in Einklang zu bringen sind.
Das Ende bildet einen schönen Bogen zu den ersten Seiten, denn eine der Getöteten scheint gar nicht tot zu sein und ein »Rematch« scheint unausweichlich…
Neben einer vernünftig aufgebauten und spannenden Story, die in sich absolut stimmig ist, bestechen die Panels von Nathaniel Simpson durch ihre Genauigkeit, schlüssige Komposition und die große Flexibilität im Seitenaufbau. Die Größe und Anordnung der Panels vermittelt dadurch eigenständig eine Spektrum der Atmosphäre von sehr ruhig bis laut, Adrenalin getrieben, oder langweilig. Dazu kommen die großartigen teilweise zweiseitigen Splashpages, die einen ganz anderen Eindruck der Welt vermitteln als einzelne Ausschnitte dies könnten. Erstaunlicherweise schadet es dem Comic auch nicht, dass das Ursprungsformat (US-amerikanische Heftchen) deutlich kleiner ist als das Splitter-Überformat. Hier hilft es sehr, dass wahrscheinlich viel am Computer gearbeitet wurde.
Die aufgeworfenen Fragen sind natürlich relevanter als sie eine rein unterhaltsame Verarbeitung erwarten lässt und sowohl in der SF-Literatur als in der aktuellen Essay-Diskussion ein Standard-Thema: Besteht eine Gefahr für die Menschheit, wenn die Maschinen immer intelligenter werden? Simpson gelingt es, diese Fragen nicht theoretisch oder artifiziell zu behandeln, sondern als Unterströmung in eine spannende Geschichte zu integrieren.
Dazu hören könnt ihr entweder Kraftwerk um die »realen« Seiten des Comics zu betonen oder aber Enya die sehr gut zu den »Fantasy-Passagen« passt.
Ach ja, zum Schluss noch einmal die Hoffnung, dass der nächste Band, der ja aus zwei US-Heften besteht, nicht erst in acht Jahren erscheint!
[Sven Krantz-Knutzen]
Abbildungen © 2015 Splitter Verlag / Nate Simpson
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