Frisch Gelesen Folge 121: Die lebende Tote

 

»Ich … Ich stehe immer noch mit Hugo in Neuralkontakt und … mein Gott … er … er wurde gerade verschluckt.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Die lebende Tote

Story: Olivier Vatine
Zeichnungen: Alberto Varanda

Splitter
Hardcover | 74 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 978-3-96219-312-6

Genre: Science Fiction, Mystery, Horror

Für alle, die das mögen: Horror, Science Fiction, Graphic Novels, Alien, Frankenstein


 

Joachim, ein talentierter Nanobiologe, wird aufgrund pseudowissenschaftlicher Theorien, die gegen die ethischen Normen auf dem Mars verstoßen, entlassen und unter Hausarrest gestellt. Mehr oder weniger freiwillig wird er vom Schmuggler Alex und Hugo, einem zum Teil wiederhergestellten Cyborg, auf die Erde entführt. Dort trifft er in einem unwirklich erscheinenden Schloss, das nach dem Modell von Schloss Neuschwanstein gebaut wurde, auf Martha. Martha bittet ihn, ihre Tochter Lise, die bei einer verbotenen Ausgrabung durch einen Sturz über mehrere Etagen gestorben ist, zu klonen. Eine dreibeinige Monsterkrake hatte damals über eine nootropische Schnur, die als Mensch-Tier-Interface zu den von Menschen erschaffenen Tieren diente, eine physische Verbindung mit dem sterbenden Mädchen aufgenommen und die Leiche an die Oberfläche gebracht. Nun soll Joachim aus den Zellen der Toten und Eizellen von Martha einen Embryo züchten und dieser einpflanzen. Während die Schwangerschaft problemlos verläuft, arbeitet Joachim an einem Wachstumsbrutkasten, der Lise in wenigen Wochen bis zum Alter von zehn Jahren bringen soll und vertreibt sich die Zeit damit, den Cyborg zu einem unverzichtbaren Helfer weiterzuentwickeln. Doch am Tag vor der Öffnung des Brutkastens macht sich Lise selbstständig und verwandelt sich in ein alles verschlingendes Monster, das nur eines im Sinn hat: die Menschen daran zu hindern, sich jenseits eines Asteroidengürtels auszubreiten.


Kurz vor der Entlassung: Neurobiologe Joachim bei der Anhörung auf dem Mars.

Eigentlich müsste der Inhalt noch ausführlicher wiedergegeben werden, aber dann wäre der Spoilerfaktor noch größer. So detailliert wie die Vorgeschichte, der Tod von Lise, die künstliche Befruchtung und die Aufzucht des Kindes ist, so abrupt endet die Geschichte. Vieles bleibt der Fantasie des Lesers überlassen, vieles wird immer unwirklicher auf den zunehmend dunklen und immer bedrohlicher wirkenden letzten Seiten. Der anfangs klassische Zeichenstil wird im Laufe der Geschichte, die immer surrealer wird, durch diffuse, dunkelgrüne Zeichnungen abgelöst.


Kontaktaufnahme: die Kraken und Lise.

Die physische Verbindung der Toten mit den dreibeinigen Kraken in Zusammenhang mit der Neuzüchtung eines Menschen erschafft ein neuartiges Monster, das in den ersten Phasen deutlich und wohl auch gewollt an die Alien-Filme erinnert. Eine Szene mit Martha und dem Monster ist quasi ein Plagiat der Szene mit Sigourney Weaver und dem Alien aus dem ersten Film.


Verbotene Ausgrabung: Ruinen aus vergangenen Tagen.

Olivier Vatine zählt als Szenarist – gerade mit seiner Serie Aquablue - sicherlich zu den Stars der frankobelgischen Comicszene und hat auch als Zeichner auf sich aufmerksam gemacht (z. B. Angela, auf Deutsch bei Bunte Dimensionen). Insgesamt hinterlässt die düstere Graphic Novel Die lebende Tote aber einen etwas unfertigen Eindruck. Natürlich wird vieles, das zur Klärung der mysteriösen Allianz der dreibeinigen Kraken mit den Menschen beiträgt, durch die Erinnerungen des wiedererweckten Cyborgs aufgeklärt. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass die Hintergründe für den Hass der Monster auf die Menschen deutlicher herausgearbeitet worden wären. Oder sollte dieses Szenario nur eine Metapher sein, die Allmacht der Menschen zu bezweifeln und die Ausbreitung der Menschheit über den Mars hinaus zu verhindern?

Mit Alberto Varanda (Bloodline, Die Legende der Drachenritter) hat Vatine für diese Geschichte einen kongenialen Partner gewonnen, der die bedrückende Story angemessen umsetzt und dem sich langsam verbreitenden Horror einen adäquaten Stempel aufdrückt.


Nach dem Sturz: Lise am Grund der Ruine.

Mit Die lebende Tote begibt sich Vatine in einen Bereich, der viele Genres bedient und sich dabei an bekannten Vorbildern orientiert. Manchmal kann weniger mehr sein, vor allem, wenn der Autor sich auf eine begrenzte Seitenzahl beschränkt. Von der Geschichte geht durchaus ein Reiz aus, der aber auch nach mehrmaligem Lesen viele Fragen offenlässt.

Es wird auch eine Deluxe-Vorzugsausgabe geben, schwarz-weiß und im Großformat. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Format den Horror der Geschichte noch besser zum Ausdruck bringt.

[Stephan Schunck]

Abbildungen © 2019 Splitter


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