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Frisch Gelesen Folge 164: Vampire State Building 1

»Das ist kein Mensch. Er …. er saugt ihnen das Blut aus!«


FRISCH GELESEN: Archiv


Vampire State Building Band 1Das Cover von Band 1.

Story: Ange und Patrick Renault
Zeichnungen: Charlie Adlard

Splitter
Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 16,00 €
ISBN: 978-3-96219-511-3

Genre: Horror

Für alle, die das mögen: American Vampire, Dracula


 

Ich bin fasziniert vom Vampir-Mythos, seit ich mit 14 oder 15 Bram Stokers Dracula gelesen habe. Diese Mischung aus Kitsch und Brutalität hat mich nie wieder losgelassen. Von Tolstois Die Familie des Vampirs über die Fernsehserie The Strain bis hin zu Scott Snyders American Vampire habe ich alles verschlungen, auf allen medialen Kanälen, wenn es um die unheimlichen Blutsauger ging. Einzige Ausnahme ist bisher die völlig überbewertete Stephenie Meyer mit ihrer Biss-Reihe. Egal. Und nun also Vampire State Building, ein Zweiteiler, der vom The-Walking-Dead-Zeichner Charlie Adlard in Bilder gefasst wurde.

Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt. Mehr unfreiwillig als aus eigenen Stücken wird der amerikanische Soldat Terry Fisher dazu genötigt, sich vor seiner Abreise nach Afghanistan einen lustigen Abend mit seinen Freunden zu machen. Treffpunkt ist das Empire State Building bei Sonnenuntergang. Wer schon mal drauf war, weiß, dass das ein majestätischer Anblick ist. Für Terry ist es das aber nicht. Er ist ein gebrochener Mann und will seine Ruhe. Als die Aussichtsplattform auf der 86. Etage schließt, machen sich die Freunde auf den Weg nach unten, wo sie aber nie zusammen ankommen werden. Denn eine Armee Vampire beansprucht das Gebäude und alle Lebewesen in ihm für sich. Ein mächtiger Fürst der Finsternis ist zu neuem Leben erwacht.

Zeichner Charlie Adlard glückt der Spagat zwischen angedeutetem Grauen ...
Im Hochhaus ist die Hölle los: Vampire auf der Aussichtsplattform.

Das Horror-Vampir-Szenario in einem Hochhaus anzusiedeln, ist eine gute Idee. So entspinnt sich eine Geschichte, die nicht ohne Grund an die Stirb-langsam-Filmreihe erinnert. Beklemmende Kletterpartien an der Außenfassade des Hochhauses und die Erkenntnis der Protagonisten, dass zwischen ihnen und dem rettenden Erdboden die Vampire ihre blutdürstige Zentrale eingerichtet haben, lassen beim Lesen den Puls in die Höhe schnellen. Dazu tragen auch die Bilder von Adlard bei, der bei The Walking Dead bereits gezeigt hat, dass er den Spagat zwischen detaillierter Brutalität und angedeutetem Grauen perfekt beherrscht. Der britische Zeichner zeigt gerade so viele Details, wie nötig sind, um die Fantasie der Leser anzukurbeln, und spart so viele aus, damit das Grauen im Kopf weitergehen kann.

... und detaillierter Brutalität.
Gelungener Spagat zwischen detaillierter Brutalität und angedeutetem Grauen.

Das Szenario ist professionell, spannend und fesselnd. Ich würde hier allerdings einen Kritikpunkt anbringen wollen: Wenn auf Seite 9 des Bandes das erste Mal die Hand eines Vampirs durch die abgehängte Decke bricht, nimmt das Grauen viel zu schnell Fahrt auf. Denn bereits wenige Panels später macht eine ganze Horde der Blutsauger Jagd auf die im Hochhaus verbliebenen Menschen. Hier hat das Autorengespann eine gute Gelegenheit, Spannung aufzubauen, leider viel zu früh aus der Hand gegeben. Denn mal ehrlich: Was ist für uns so faszinierend an Vampiren? Ihr Treiben im Dunklen und dass die Menschen erst lange Zeit brauchen, bis sie einsehen, es mit Vampiren zu tun zu haben.

Erzählerisch geht allerdings vieles zu schnell.
Chance vertan: Nach der ersten Begegnung mit den Vampiren geht alles zu schnell.

Die Autoren Ange, ein äußerst produktives Zweier-Team, und Renault arbeiten hier mit dem Holzhammer. Statt den Horror langsam durchsickern zu lassen und den Menschen erst allmählich die Augen zu öffnen, legen sie gleich voll los. Das mag die ungeduldigen Leser freuen, ich hingegen erfreue mich an einer subtileren Erzählweise – gerade und vor allem bei Horrorszenarios.

Gut gemacht sind hingegen die Passagen, die die Polizeiarbeit außerhalb des Gebäudes zeigen.
Gut gemachte Passagen: die Polizeiarbeit außerhalb des Gebäudes.

Von dieser Schwäche einmal abgesehen, ist Vampire State Building eine solide Geschichte. Mit dem Verweben der Ureinwohner als Hort des Vampirismus haben die Autoren der Mythologie um die Beißer sogar eine lustige neue Nuance gegeben. Zudem werden im ersten Teil ausreichend Handlungsfäden gesponnen, die der Leser dankbar aufnimmt und sich deshalb auf den zweiten Teil der Geschichte freuen wird. Gut gemacht sind auch die eingestreuten Passagen, die vor dem Empire State Building spielen. Polizeiarbeit. So gewinnt die ausweglose Dramatik innerhalb des Gebäudes noch weiter an Brisanz.

Vampire State Building wird nicht wie Stephenie Meyer aus meiner Vampir-Bibliothek verbannt werden. Allerdings wird es auch nicht für einen Fensterplatz reichen. Eine Platzierung im Mittelfeld ist meines Erachtens eine zufriedenstellende Einordnung.

[Bernd Hinrichs]

Abbildungen © 2020 Splitter


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