»Sei nicht so gemein! In den letzten dreißig Jahren war ich etwas beschäftigt, das stimmt, aber heute habe ich dir Kekse mitgebracht!«
FRISCH GELESEN: Archiv
Trotz allem… Liebe
Story: Jordi Lafebre
Zeichnungen: Jordi Lafebre
Splitter
Hardcover | 152 Seiten | Farbe | 29,80 €
ISBN: 978-3-96792-136-6
Genre: Romantik
Für alle, die das mögen: Romantik, Liebesgeschichten
Trotz allem... Liebe ist die passende Graphic Novel für die dunkle Jahreszeit. Aus jeder Seite springt einem die Wärme des Lebens und der Liebe entgegen. Aber nicht nur deshalb sollte diese Erzählung mindestens zweimal gelesen werden. Denn die Geschichte wird in umgekehrter Reihenfolge erzählt. Wir schlagen den Band auf und beginnen bei Kapitel 20, in welchem die erzählte Geschichte endet. Langsam, Seite für Seite dringt der Leser tiefer in das Universum ein und bewegt sich dabei rückwärts durch die Handlung. Und – ich habe es versucht – die Geschichte funktioniert auch, wenn man klassisch bei Kapitel 1 (in diesem Fall am Ende des Buches) anfangen würde.
Das platonische Paar in jungen Jahren: Während Ana an ihrer Brücke arbeitet ...
Wir lernen Ana kennen, die gerade als Bürgermeisterin in den Ruhestand getreten ist, nachdem sie eines der größten Projekte ihres Lebens abgeschlossen hat – eine Brücke. Ihre Tochter ist erwachsen und unabhängig und ihre Beziehung zu ihrem Mann ist harmonisch. Zeno, ein Buchhändler, ist viele Jahre zur See gefahren und hat eben seine Doktorarbeit in Physik abgeschlossen, an der er sein ganzes Leben gearbeitet hat. Ana und Zeno sind zwei platonisch Verliebte, die dazu bestimmt sind, sich in der Ferne zu treffen; Protagonisten einer Romanze, in der das Ende eigentlich ein neuer Anfang ist. Das Leben schien darauf bedacht zu sein, sie auseinander zu halten, bis ihnen beiden die Ausreden für ein Wiedersehen ausgingen.
... fährt Zeno zur See – und schreibt Briefe nach Hause.
Im 20. Kapitel des Bandes dürfen wir die Wiedervereinigung zweier Liebender miterleben. Sie hatten eine für beide unvergessliche Liebesromanze als junge Menschen, haben sich seither nie aus den Augen verloren, fanden aber nie den richtigen Zeitpunkt, um ein gemeinsames Leben zu führen. Die folgenden Kapitel gehen in die Vergangenheit zurück und zeigen die Momente des Kontakts zwischen den beiden und die Episoden, die ihre Verbindung so viele Jahre später bestimmen.
Der Anfang ist das Ende ... ist ein Neuanfang?
Jordi Lafebre bietet uns eine süße und unwiderstehliche Geschichte von zwei Herzen, die im Einklang über Raum und Zeit hinweg schwingen, erzählt mit einer unglaublich einnehmenden Kühnheit. Der spanische Comickünstler Lafebre ist seit 2001 als Comiczeichner aktiv. Er lieferte verschiedene Arbeiten für das Spirou-Magazin ab und tat sich vor allem in der Zusammenarbeit mit Zidrou hervor. Trotz allem… Liebe ist seine erste Arbeit, bei der er sowohl das Skript liefert als auch den Zeichenstift führt.
Visuell zeigt die Geschichte den charakteristischen Stil des Autors, der die Ausdruckskraft der Figuren und das Verhältnis von Text und Bild hervorhebt. Die Erzählung wechselt zwischen Episoden von Begegnungen, wobei die Präsentation der Briefe, die sie austauschen, durch bedeutende Momente im Leben der Figuren illustriert wird – die langen Arbeitsstunden an der Kamera oder die Reisen auf hoher See.
Über die Jahre begegnen sich Ana und Zeno immer wieder, hier im botanischen Garten.
Lafebres Begabung fürs Schreiben ist schon nach wenigen Panels sichtbar. Denn die Art und Weise, wie die Geschichte präsentiert wird, ist originell. Am Ende spielt bei Lafebre die bei Liebesgeschichten alles entscheidende Frage (Werden sie sich bekommen?) keine Rolle mehr. Sondern durch seinen ungewöhnlichen Aufbau ist es die Reise, die zählt – was diese beiden Menschen dazu gebracht hat, den Moment des Wiederzusammenkommens immer wieder hinauszuschieben, und wie sie es geschafft haben, auf dem Weg dorthin keine Spannungen und Frustrationen anzuhäufen.
Zu Hause erwarten Ana Mann und Kind.
Dennoch bleibt ein bittersüßes Gefühl zurück. Einerseits weiß der Leser von Anfang an, wie die Geschichte endet, aber andererseits gibt es auch noch andere Personen, die von der Annäherung des Paares betroffen sind wie etwa Anas Mann. Sie ist ihm liebevoll zugewandt, bereut nicht die Zeit mit ihm und es rührt einen zu Tränen, wie besorgt und liebevoll die beiden miteinander umgehen – auch oder gerade in dem Moment, wo Ana aufbricht, um sich mit Zeno zu treffen. Es ist eine der großen Stärken des Bandes, dass Lafebre nicht konkret ausmalt, wie es mit der Beziehung zwischen Ana und Zeno weitergeht. Sie küssen sich und der Künstler schaltet das Licht aus. Was dann kommt? »Wenn wir das nur wüssten«, lässt Lafebre seine Protagonistin flüstern.
Diese Kombination aus erzählerischer Originalität und einfühlsamen und sympathischen Charakteren macht Trotz allem… Liebe zu einer der großartigsten Lektüren der letzten Zeit – eine Geschichte, die man halt zweimal lesen muss. Ich gebe zehn von zehn Amorpfeilen.
[Bernd Hinrichs]
Abbildungen © 2021 Splitter / Jordi Lafebre
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