»Schreibe eine Geschichte, als ob du ein Verbrechen verüben würdest. Schreib, als ob du in der Öffentlichkeit deinen nackten Körper zeigen würdest. Sei ein Exhibitionist wie die anderen Schriftsteller, die jedem ihr entblößtes Inneres zeigen.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Ein irrer Flitzer Band 1
Story: Hitoma Iruma
Zeichnungen: Hiroto Ida
Tokyopop
Taschenbuch-Großformat | 200 Seiten | schwarzweiß + 3 farbige Seiten | 12,00 €
ISBN 978-3-8420-1129-8
Genre: Selbstfindung, Aberwitz, Humor
Für alle, die das mögen: durchgeknallte Manga
Also eins ist sicher: Um Autos geht es hier nicht. Das wird schon klar, wenn man einen Blick aufs Titelbild wirft. Bei dem »irren Flitzer« handelt es sich um einen bekloppten Exhibitionisten, der sich mit den selbsterkenntnisreichen Worten »Hallo! Ich bin ein Idiot!« vorstellt. Das hat man nicht alle Tage. Nicht in einem Manga und schon gar nicht im realen Leben.
Schnell den Fuß hochgestreckt, der Typ ist ja nackt ...
Um was geht's? Der Umschlag macht neugierig. Auf dem Titelbild kommt einem der Flitzer entgegen. Sein Gemächt ist mit einem Aufkleber (»ZENSIERT«) verdeckt. Die lustigen Leute von Tokyopop haben es sich nicht nehmen lassen, diesen Aufkleber nicht einfach bloß aufzudrucken, sondern man kann ihn wirklich abziehen und dann in voller Glorie sehen, was sich dahinter verbirgt bzw. zwischen den Beinen des Flitzers hängt. Eine gewitzte Idee, die den Betrachter bzw. die Betrachterin sofort in eine Zwickmühle bringt, ob man dem Druck nachgibt, diesen Sticker abzuziehen und so das Risiko eingeht, dem dann Aufgedeckten standzuhalten oder es weicheimäßig einfach sein zu lassen.
Die Klappe des broschierten Umschlags bringt zunächst keine weitere Erkenntnis zum Inhalt. Denn schlägt man den Manga hinten auf, so kommt einem diese Frage entgegen: »Fühlt sich gut an, oder? Nackt zu sein.«
Auch am nächsten Tag ist der ungebetene Gast noch da ...
Nun ja, wie man's nimmt. Wenn man sich nicht auf Sauna, FKK-Strand oder die eigenen vier Wände samt Garten beschränkt, kommt man sogleich in den Genuss der Erregung öffentlicher Ärgernis. Dem Flitzer des vorliegenden japanischen Comics ist das alles komplett schnurzpiepegal. Er springt völlig nackt in der Gegend herum und landet mit einem riesigen Satz im Leben des namenlosen Protagonisten, dessen größter Wunsch es ist, Schriftsteller zu werden. Was natürlich nicht so richtig klappt. Alle seine Versuche, etwas zu veröffentlichen, sind bislang grandios gescheitert, was wiederum an seinem mangelnden Selbstbewusstsein liegen könnte. Es verhält sich nämlich umgekehrt proportional als bei Shoko Kei, die nicht nur mysteriös, sondern auch unheimlich erfolgreich ist.
Einmal da, ist der Flitzer nicht mehr zu vertreiben. Er lümmelt in der Wohnung herum, nur mit des Kaisers neuen Kleidern bedeckt, also splitterfasernackt, spielt Videospiele, labert und nervt, und drängt den »Helden« der Geschichte nicht nur an den Rand des Wahnsinns, sondern vehement aus der eigenen Komfortzone. Der Flitzer hat nämlich mehr oder minder heimlich in den Werken des Möchtegern-Schriftstellers gelesen und findet diese gut.
Inzwischen werden auch die Nachbarn neugierig ...
Dies ist der erste Streich eines Zweiteilers, den Toykopop im etwas größeren Special-Interest-Großformat für Leser ab 15 Jahren vermarktet. Die Metapher des Nacktseins für ein ungebremstes »Laufenlassen« und der Etablierung eines neuartigen Selbstbewusstseins ist Szenarist Hitoma Iruna gelungen. Und Mangaka Hiroto Ida schafft es, mit solider Manga-Artwork den Schniedel des Nackten immer wieder gekonnt (nicht) zu inszenieren. Und wenn er mal nicht von einem Arm, Bein, Tisch oder sonst was verdeckt wird, dann ist das auch völlig normal.
Ein irrer Flitzer ist eine schräge Geschichte, in der mehr steckt, als man beim ersten Lesen wahr haben will. Angehende Künstler, ob Schriftsteller oder Comiczeichner, dürfte er Extraspaß bereiten und durchaus auch Mut machen. Und wenn alles nichts mehr hilft, dann: »Sei ein Exhibitionist!« (natürlich nur im übertragenen Sinne).
[MH]
Wenn das große Vorbild, die jugendliche Schriftstellerin, kein Interesse zeigt ...
Abbildungen © 2014 Hitoma Iruna/Hiroto Ida/Kadokawa/Tokyopop
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