Lachwitz liest: Folge 2 - Webcomics

Kolumne

Lachwitz liest:

Streifzüge durch die Wunderbare Webcomics Welt

Folge 2: Destination »Webcomic«

→ von Alexander Lachwitz



Nachdem ich im ersten Beitrag dieser Kolumne mal so gar nichts über mich erzählt habe, will ich das jetzt nachholen, ehe am Ende noch der Eindruck entsteht, hier wird erwartet, dass mich jeder kennt. Das wäre zwar schön, irgendwie ... aber machen wir uns besser nichts vor, oder ich mir ...

Also, wie war er nun, mein Werdegang mit Comics und wie kam es zu diesen Webcomics, über die ich hier in Zukunft regelmäßig schreiben werde?

Durststrecke zwischen Kulleraugen und Strumpfhosen

Abgesehen von den letzten drei bis vier Jahren habe ich mich selbst eigentlich gar nicht als Comic-Fan betrachtet. Und wenn man heute in mein Regal schaut, wirkt der Bestand an Alben auch noch recht übersichtlich. Jahrelang hatte ich zu Comics nur sporadische Kontakte. Dabei waren die Grundvoraussetzungen durch das Elternhaus nicht die schlechtesten. Durch meinen Vater konnte ich schon früh die gesamte Asterix-Sammlung vertilgen, ebenso einige wenige Lucky-Luke-Hefte und natürlich zeitweise Tim & Struppi aus der Stadtbücherei. Der große Nick Knatterton-Sammelband gehörte ebenfalls dazu, auch wenn ich als kleiner Knilch noch nicht viel damit anfangen konnte. Aber sorgte all dies, inklusive der Suche nach bestimmten Tarzan-Reprints meines alten Herrn nie dafür dass der Funke auch bei mir zündete. Es blieb bei einer Jugendliebe, die mit den Jahren schlicht verblasste, ohne dass ich etwas davon mitbekam, welche interessanten Formen der Comic noch annehmen kann. Den Sprung vom kindlichen Disney-Comic zum inhaltlich reizvollen frankobelgischen Comic habe ich zwar so noch gut geschafft, doch reichte der Antrieb nie aus, um über den großen Teich zu springen und sich mit den großen US-Labels Marvel und DC auseinanderzusetzen. Obwohl ich zu den späten Hochzeiten beider Verlage genau das Zielgruppenalter hatte.

Comics im Kino und Internet, eine Entdeckung

Geändert hat sich dies erst langsam um die Jahrtausendwende. Mit dem Internet kamen die ersten Vorschaufilme der anstehenden Kinoumsetzungen. Zusammen mit den diversen Filmen (die mir fast ausnahmslos gut bis sehr gut gefallen haben) kam, auch dies wie von selbst, die Entdeckung verschiedener kleiner oder größerer Comicstrips und Toons im Netz. Viele davon habe ich erst gar nicht als Webcomics wahrgenommen, sondern als amüsante oder auch mal nachdenkliche Abwechslung zum Alltag.

Während Joscha Sauer mit Nichtlustig.de und Ralph Ruthe mit Ruthe.de inzwischen zu denen gehören, die »es geschafft haben«, gab es auch damals natürlich schon viele andere weniger bekannte Zeichner, wenn auch wohl nicht so viele wie heute. Besonders im Bereich Videospiele waren und sind Comics natürlich ein gern genommenes Stilmittel. Am populärsten waren hierzulande die Bender-Toons zu Counterstrike, die zwar technisch sehr banal waren, aber gekonnt die besonderen Eigenarten der eigenen Community aufs Korn nahmen. Auch Gunjack hat sich mit großem Verve dem Hobby Gaming gewidmet, auch wenn er mit seinem Stil durchaus das eine oder andere mal gezielt Geschmacksgrenzen überschritten hat.  Beide Zeichner haben inzwischen ihre aktive Phase hinter sich, auch wenn man bei Bender noch sporadisch mal neue Skribbles oder Toons findet. Aber natürlich gab es weit mehr als nur Videospielcomics ...

Ebenfalls sein zeichnerisches Tun reduziert hat leider Sven K., dessen Blog aber trotz allem eine oft unterhaltsame und nachdenkliche Lektüre für den etwas mehr interessierten Leser darstellt. Die Abenteuer seines Alter Egos Sven und der Thekenbedienung Ivy kann man zum Glück weiterhin unter ivy.de nachlesen, auch wenn es wohl hier ebenfalls keine Fortsetzung in dieser Art mehr geben wird.

Einige Comics aus der Tech-Scene wurden ebenso gerne konsumiert. Im deutschen Bereich hat es mir da dereinst besonders Eika & Hannibal von Tom Sausen angetan, Die amüsante Reihe mit dem Hund, der Katze und ihrem Apple-affinem Herrchen fand nach mehreren Neustarts 2007 leider doch ihr Ende.

Die große Schwemme, oder: Als der RSS-Reader explodierte...

Während man zu dieser Zeit noch bequem mittels Lesezeichen o.ä. alle paar Tage die überschaubare Liste an Comicseiten absurfen konnte, änderte sich das in den letzten Jahren  rapide. Rückblickend wirkt es fast, als wenn über Nacht Blogrolllisten aus dem Boden schossen und länger und länger wurden. Der Begriff »Webcomic« war zwar nicht geboren, aber bekam nun eine erkennbare breite Basis, die ihn auch für Laien verständlich machten.

Inzwischen hat sich mein analoger Comic-Konsum deutlich gesteigert, wobei ich eine Vorliebe für die etwas kleineren Serien entwickelt habe. Daran haben die vielen Webcomics mit ihren Verweisen und Referenzen oder den persönlichen Empfehlungen der Zeichner einen sehr großen Anteil.

Mit profanen Lesezeichen ließ sich die Flut an neuen Comics längst nicht mehr überblicken. Ich muss gestehen dass ich trotz meiner IT-Ausbildung nicht jedem Trend oder jedem neuen Gadget sofort folge. So war es auch mit der kleinen Surfhilfe die gemeinhin als RSS- oder Atom-Feed bekannt ist. Inzwischen ist diese Liste aber für mich Gold wert und täglich flattern neue Meldungen rein. Natürlich lese ich nicht alles sofort. Es kann durchaus passieren dass ich einige Seiten über Wochen kaum beachte, um dann aber in ruhiger Stunde die neuesten Strips und Toons nachzulesen. Inzwischen hat sich das zum festen Ritus gewandelt. Rückblickend kommen mir die letzten zwei bis drei Jahre deutlich länger vor, einfach weil inzwischen in der jungen Webcomic-Szene so viel passiert ist.

Zudem habe ich 2008 meine Ausbildung beendet und konnte kurz darauf mein Studium der Medientechnik anfangen. Das gab mir dann, so weit muss ich dem Klischee recht geben, auch etwas mehr Zeit um mich nun bewusster und ausführlicher mit dem Thema Comics und eben speziell meinen neuen Favoriten, den Webcomics, zu befassen. Praktischerweise konnte ich einige Zeit später auch für ein Webmagazin in unregelmäßigen Abständen Kritiken verfassen und so erste Gehversuche mit dem Rezensieren sammeln. Zwar war der Schwerpunkt anfangs noch auf Animes, Filme und »alles mit Fangzähnen« begrenzt, aber vor allem durch die freundlichen Kollegen kam rasch eine Schwemme interessanter, weniger bekannter Comics in mein Haus, bis ich mich dann schließlich dazu entschied, das Thema Webcomics nun journalistisch konkreter anzugehen. Im Ergebnis gab es einige Interviews, Vor-Ort-Berichte und natürlich Rezensionen auf der Seite und all dies führte schließlich hierher zum Comic Report.

Und sonst so?

Angekommen in der Gegenwart möchte ich am Ende noch zwei weitere Seiten etwas detaillierter schildern. Auch in den zukünftigen Kolumnenbeiträgen werde ich stets versuchen, euch neben den im Vorbeigehen verlinkten Seiten, auch nach Möglichkeit immer ein bis zwei Webcomics mit mehr als nur einem Link näherzubringen.

Wunderbare Buntstiftwelten

Maike Plenzke verweigert sich bis heute auf ihrer Seite a byoo-ti-ful DAY erfolgreich der Nutzung standardisierter Techniken wie Tusche und PC-Kolorierung. Maike zeichnet mit Buntstift, und das ist auch gut so! Ihr biographischer Webcomic dreht sich hauptsächlich um sie und ihren Freund Steven. Man kann ihm aber absolut nicht vorwerfen als Ego-Show zu dienen. Im Gegenteil, auf äußerst charmant-reizende Weise entblößt sie die Tücken des Alltags denen man erliegen kann, und die ein jeder nur all zu gut kennt. Allerdings sind einem diese oft so unangenehm, oder ärgerlich, dass wir sie schnell vergessen wollen. Maike reduziert sie mit weichen Farben auf das was sie sind; kleine Banalitäten die ein Ärgern kaum lohnen, über die man viel eher auch mal Schmunzeln sollte. Seien das nun Zwischenfälle beim Sex, oder irritierte Blicke aufgrund der eigenen Kleiderwahl.

Ein Beispiel für die oft ausgeblendeten Themen die uns selbst zu unangenehm, oder peinlich sein mögen, ist das banalste von der Welt: der Sex. Dem zur Folge widmet sich Maike auch diesem Thema immer wieder, und wer sich an diesem Thema stört, ist beim Besuch der Seite durch einen angepassten Header mit dem Verweis auf die heutige »Schweinskram-Edition« rechtzeitig gewarnt. Da darf sich also nun keiner auf den Schlips getreten fühlen.

Außer auf ihrer Seite findet man Werke von Maike auch regelmäßig in Veröffentlichungen, wie zum Beispiel Jazam (aktuell in Jazam Band 6 eine Geschichte die in Zusammenarbeit von ihr, Sebastian Koch und Martin Rathscheck.Für den interessierten Grafiker- und Illustrationsfreund sind auch ihre Skizzenseite und die Seite von Steven mehr als nur einen Blick wert.

Harte Linien im Großformat

Aus dem Bereich der nicht-biographischen Webcomics kommt Erik, der inzwischen zwei seiner Serien nicht mehr nur online, sondern auch in gedruckter Form vorliegen hat. Unter der Bezeichnung »Gruselige Krimis mit bösem Witz« läuft sein Detektiv Deschamps, kurz Dédé, von dem schon zwei Bände bei Epsilon erhältlich sind. Leider sind von diesem momentan nur Leseproben Online zu lesen, während man für den vollen Genuss zu den Druckbänden greifen muss.

Anders ist dies bei seinen beiden anderen Reihen. Unter Eiszeit veröffentlicht Erik nun Woche für Woche Seiten aus seinem 2000er Erstlingswerk, das bis jetzt unveröffentlicht gewesen ist. Der Sci-Fi-Comic schildert in klassischem A4-Seitenlayout eine ernste, gut recherchierte und auch actiongeladene Geschichte, die sich trotz ihres Alters nicht verstecken muss. Die Zeichnungen strotzen oft nur vor Details und man merkt, dass das Szenario hier nicht bloß dem Selbstzweck dient.

Ähnliches kann man von Eriks aktueller Reihe sagen. Deae ex machina wurde als Webcomic zuerst online veröffentlicht, dann im Magazin COMIX veröffentlicht und jetzt der erste Band der Reihe auch in Buchform aufgelegt (eine Rezension folgt in Kürze). Anders als bei Dédé lassen sich hier aber alle Folgen vom Anfang bis zum aktuellen Stand der Dinge schon online lesen.

Ob einem der detaillierte Zeichenstil auf dem Monitor gefällt, ist Geschmackssache. Erik zeichnet klar auf das klassische Format ausgerichtet und macht daraus keinen Hehl. Obgleich man seinen Werken einige frankobelgische Vorbilder deutlich ansieht, findet er ohne Mühe einen eigenen Stil und Erzählrhythmus. Der Humor ist natürlich eher auf ein reiferes Publikum ausgerichtet. So manche Pointe kommt dermaßen trocken herüber, dass sie erst auf den zweiten Blick hin zündet, dann aber umso lauter. Es ist zu begrüßen, wie offen er mit seinem Werk umgeht und es kostenlos zur Verfügung stellt.

Darüberhinaus finden sich auf seinen Seiten auch diverse Einblicke in seine Arbeitsprozesse, inklusive verschiedener Entwurfskizzen, Charakterinformationen und vielem mehr. Wer sich also mit biographischen Webcomics partout nicht anfreunden kann, findet dennoch mehr als genug lesenswertes Online-Futter.

Abbildungen:
Webcomics © Sven K. (ivy); Erik (Eiszeit), Maike Pletzke (a-byoo-ti-ful-DAY), Gunjack.


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Über den Autor
Alexander Lachwitz(Jahrgang 1982) studiert derzeit Medientechnik auf Bachelor in Emden. Nach einer Ausbildung zum Fachinformatiker (Systemintegration) entschied er sich, das digitale Know-How mittels eines Studiums auf den Medienbereich auszuweiten.

Neben der freien Beschäftigung im Bereich Webdesign und Layout schreibt er regelmäßig für verschiedene Webmagazine über Videospiele, Comics, Filme und Bücher. Webcomics haben sich dabei durch ihren starken Boom der letzten Jahre zu einem persönlichen Favoriten in der bunten Kulturlandschaft entwickelt.