Lachwitz liest: Folge 3 - Web to Print

Kolumne

Lachwitz liest:

Streifzüge durch die Wunderbare Webcomics Welt

Folge 3: Vom Web zum Buch

→ von Alexander Lachwitz

Gemeinhin fristet der Webcomic ein genügsames Dasein. Etwas Webspace, ein paar Serverfunktionen und alles ist vorbereitet für einen steten Besucherstrom. Und doch machen sich mehr und mehr von ihnen auf den mühevollen Weg, um aus ihrer angestammten Heimat hinter dem Monitor hinüber in das traditionsreiche Bücherregal zu gelangen. Eine Reise voller Gefahren und Herausforderungen, dennoch stellen sich selbst scheinbar kleine Webcomics dieser Herausforderung. Wie kommt es dazu und welche Herausforderungen gilt es dabei zu meistern?

Der Künstler und sein Buch

Webcomics in gedruckter Form sind keine Neuheit oder ein Trend, der sich gerade erst entwickelt. Vermutlich jeder Zeichner sieht seine Werke gerne in gebundener Form in eleganter Aufmachung. Denn wie man schon an der Skepsis gegenüber eBooks sieht; nichts wirkt eleganter als ein Regal voller Bücher, da kann ein einzelner eBook-Reader in der gefühlten Wahrnehmung nicht mithalten.

Und Lesen ist und bleibt nun mal ein sehr gefühlslastiger Prozess. Damit möchte ich eBooks ihre Existenzrechte nicht absprechen. Sie sind sicherlich eine sinnvolle Ergänzung zu unseren literarischen Wahrnehmungsformen. Doch der Prozess des Blätterns in einem Buch, das Gefühl der Seiten in der Hand und das Wegstellen eines fertig gelesenen Buchs, all das und mehr, sind Elemente, die sich nur in gedruckter Form erleben lassen. Kurzum, was  das haptische Leseerlebnis angeht, wird auch auf lange Sicht kein Weg um bedrucktes Papier herumführen.

Tücken der Technik

Darum ist es nur recht und billig, wenn ein Autor gerne sein eigenes Werk in solch einer Form erleben möchte. Dank Digitaldruck und Kleinstauflagen ist dies inzwischen selbst für Autoren mit eher geringen Leserzahlen möglich. Früher war man noch auf die Unterstützung durch einen Verlag angewiesen, der natürlich entsprechende Absatzzahlen erwartet, ehe er in Vorleistung geht und die nicht geringe Summe für eine Auflage investiert.

Denn neben dem reinen Druck an sich sind noch viele weitere Arbeitsschritte nötig. Angefangen von der Auflösung. Während man im Internet noch mit 72dpi (Dots per Inch/Punkte pro Zoll) auskommt, ist für einen hochwertigen Druck eine Auflösung von mindestens 300dpi nötig. Wer hier also primär für das Web zeichnet und keine hochauflösende Arbeitsfassung seiner Werke hat, wird hier in erste Probleme geraten. Da hilft oft nur ein Neuzeichnen der entsprechenden Strips, da ein Hochskalieren in der Regel zu unschönen Randunschärfen sowie Artefakten führt.

Als nächstes steht das Layout an. Was auf dem Bildschirm gut aussieht, muss erst mal in ein passendes Druckformat gebracht werden. Hier ist man meist auf gängige Standardformate beschränkt, wenn man die Kosten nicht unnötig in die Höhe treiben will. Während man beim Heftdruck oft noch sehr flexibel ist, wird man bei dem aufwändigeren Buchdruck meist nur die Standardformate wählen können.

Strips im 2x2-Panel-Format lassen sich da noch am besten unterbringen, während Strips im Längsformat 1x4 oder auch im Hochformat 4x1 Probleme erhalten können. Hier kommt man oft zumindest um ein neues Lettering nicht herum, da ein gewisses Skalieren der Strips meist unumgänglich wird.

Die Erzählung im Bild

Desweiteren kommen dann noch Fragen wie die Seitenaufteilung, Beschriftung der Strips, Vorwort, Farbabgleich und so weiter hinzu. Während die Seitenaufteilung meist schon im vorhergehenden Schritt abgehandelt wird, sind die weiteren Schritte zwar meist schnell erledigt, aber gerade bei einer Eigenproduktion eine teuflische Ansammlung von Fallstricken. Das geht von der passenden Einleitungsformulierung, über Tippfehler bis hin zu der sinnvollen Aneinanderreihung der Strips einher.

Gerade die Anordnung kann hier manche Tücke beherbergen. Selbst Webcomics mit fortlaufenden Geschichten sind in der Regel doch auf das Konzept Ein-Strip-pro-Seite getrimmt. Allein die Tatsache, dass man nun beim Lesen immer zwei Seiten vor sich hat, kann da narrative Probleme geben. Kann man die Strips einer zusammenhängenden Geschichte passend auf die Seiten  verteilen oder entsteht zu füllender Leerraum?

Am einfachsten haben es wohl hier jene Webcomics, die sich eher dem Prinzip der lose aufeinanderfolgenden Erzählungen widmen. Doch auch hier sollte man beim Füllen der Seiten inne halten und prüfen, ob sich die narrative Idee des eigenen Comics, angemessen übertragen lässt.

Zuletzt benötigt jedes Buch eine Art abschließendes Ende, etwas dass der Webcomic an sich gar nicht kennt. Nicht selten wird dazu zu einem Trick g gegriffen, in Form von extra gezeichneten Strips, Werkstatteinblicken oder einer Sammlung an Gast-Strips, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben.

Bunter Gang durchs Regal

Exemplarisch, und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich einmal den Blick über mein Regal wandern lassen, um zu sehen was in der letzten Zeit so alles seinen Weg aus dem Digitalen ins Gedruckte gefunden hat. Es geht mir dabei nicht darum, Werbung für die einzelnen Hefte zu machen, sondern einen beispielhaften Überblick zu geben, in welchen verschiedenen Formen ein Webcomic seinen Weg ins Bücherregal finden kann.

Exemplarisch für die »großen« unter den Webcomicautoren kann man wohl Flix (www.der-flix.de) bezeichnen. Sein Heldentage umfasst nicht nur mehr als das erste Jahr seines Webtagebuchs, sondern wurde von Carlsen auch in sehr edler Aufmachung gefertigt. Dicker matter Karton, hochwertiges Papier und ein Format, das jedem Strip eine eigene Seite mit genug Raum lässt; das kann man wahrlich als Lesevergnügen bezeichnen. Allerdings hatte das Ganze mit 18 Euro auch einen für damalige Verhältnisse recht happigen Preis und es wundert wenig, dass der Carlsen Verlag den Nachfolgeband etwas weniger Opulent gestaltet hat.

Noch recht aktuell ist das im Zwerchfell-Verlag erschienene Das Leben ist kein Ponyhof von Sarah Burrini (http://sarahburrini.com/). Ein charmanter kleiner Hardcoverband mit je zwei Strips pro Seite, aufgelockert mit  einigen Werkskizzen. Bemerkenswert ist hier, dass sich wirklich alle Strips seit dem Beginn ihres Webcomics finden und man so sehr schön den nicht gerade geringen Wandel in ihrem Zeichenstil verfolgen kann. Zwar hätte das Format für die Strips etwas größer sein können (das oben erwähnte Problem beim Buchdruck), aber schlussendlich ist das Layout noch immer sehr lesefreundlich geraten. Mit 14 Euro auch kein sehr preiswerter Band, was aber hier der eher kleinen Verlagsgröße und dementsprechend einem höheren Kostenaufwand geschuldet ist.

Schon seit Mitte letzten Jahres verfügbar ist die Comicstripsammlung #01 von Demolitionsquad. David Malambre (www.Demolitionsquad.de) hat in dem schmalen Heftchen eine Auswahl seiner inzwischen nicht gerade geringen Menge an Comicstrips zum Thema Videospiele versammelt. Hier ist das Heftformat kompromisslos auf die Strips angepasst worden, so dass es zwar nicht zu den umfangreichsten gehört, aber dafür veranstaltet der Autor immer wieder kleine Verlosungen o.ä., bei denen man das Heft für lau abstauben kann. Das Heftchen als »Werbegeschenk« abzustempeln, wird dem aber bei weitem nicht gerecht. Wer sich in den letzten Jahren auch nur ansatzweise mit Videospielen beschäftigt hat, kriegt hier eine schöne Sammlung kurzweiliger und bisweilen bitterböser Strips zum Thema serviert.

Momentan arbeitet der Autor an der #2, die es wohl Ende Oktober auf der Messe SPIEL in Essen geben wird. Freunde von Videospiel- und Manga-Comics dürfen sich also freuen.

Sehr aktuell, und schon in der 2. Auflage, ist der Softcoverband Es wird ein Hase (http://www.es-wird-ein-hase.de), von Till & Cäcilia Felix, mit einem Cover von Thomas Gilke. Das nicht gerade dünne Werk beinhaltet alle Strips des gleichnamigen Webcomicprojekts, in dem Till Felix die Schwangerschaft seiner Frau in, mal sehr leisen, aber immer sehr wahren und manchmal auch sehr intimen Tönen schildert.

Wie bei Flix' Heldentage wurde auch hier jedem Strip genug Raum pro Seite gegeben, um selbstständig bestehen zu können. Ein sehr schönes Buch, das in einer Auflage von gerade mal 50 Stück erschien, aber gleichzeitig zeigt, was man im Eigenvertrieb alles auf die Beine stellen kann.

Zuletzt noch zwei weitere Nummer-Eins-Hefte. Zuerst einmal gibt es von Michael Roos(www.sachen-gibts.net), anlässlich des einjährigen Bestehens seines Webcomics, sein Das Beste aus einem Jahr Sachen Gibts...?! mit dem schönen Untertitel »Jetzt gedruckt und nicht in 3D!«. Für freundliche 6,50 Euro (inkl. Porto) gibt es das Beste aus dem ersten Jahr von Michaels Squareheads. Auch hier ist das Heftformat nahezu ideal an das Format der Strips angepasst worden, auch wenn man gerade bei einigen der ersten Einträge noch sehen kann, wie der Autor nach und nach zu seiner bevorzugten Form fand. Auch hier ging es beim Gestalten der Seiten nicht immer ohne neues Lettering bzw. auch mal ein Neuzeichnen der Strips über die Bühne. Doch die Mühe kann sich wohl sehen lassen.

Bemerkenswert ist der starke Schwarzweiß-Kontrast, den Michael Roos in seinen Comics nutzt und der im Druck hervorragend rüber kommt. Mit dem kleinen Heft kriegt man einen schönen Einblick in die Welt eines (mittlerweile) selbstständigen Kommunikationsdesigners, der sich auch mal einem zünftigen Videospiel nicht verwehrt.

Und last but not least, das womöglich geekigste Webcomicheft, das man kriegen kann. Natürlich ist die Rede von Mario Bühlings (www.katzenfuttergeleespritzer.de) Tales from the Web #1. Auch dieses Heft ist mit 6,20 Euro (inkl. Porto) preislich sehr kundenfreundlich kalkuliert. In voller Farbe gibt es hier eine sehr schöne Auswahl der bisherigen Strips von Katzenfuttergeleespritzer, Marios Webcomicseite.

Neben einigen Storylines rund um Frösche, Mafiaschildkröten, Zeitmaschinen und britischen Geheimagenten blieb auch noch genug Platz für diverse eigenständige Strips, die mal mehr, mal weniger starke Anspielungen auf die inzwischen fast allgegenwärtige Nerdkultur beinhalten. Das geht vom verspielten Büroalltag, über Trekkies und Rollenspiel bis hin zu Doctor Who und Konsorten.

Mit drei Strips pro Seite ist das dünne Heft kräftig gefüllt und auch die Farben kommen sehr gut zur Geltung. Das einzige was fehlt, wenn einem das Jammern auf hohem Niveau erlaubt ist, sind Beispiele von Marios Panelspielereien. Um diese zu sehen, muss man sich dann doch durch seine Webseite klickern. Vielleicht ja bei der Nummer 2. Von der Nummer 1 sind übrigens noch einige Exemplare auf Lager. Ein schönes Geschenk für den kleinen Geek in jedem von uns.

Zuletzt noch eine Ankündigung. Die hier schon einmal zeichnerisch vertretene Asja Wiegand (www.gestern-noch.de) wird auf der Frankfurter Buchmesse am 15.10.11 nicht nur mit dem Sondermann-Preis in der Kategorie Newcomer ausgezeichnet, sondern auch ihr erstes eigenes Buch präsentieren. Bisher ist bekannt, dass es wohl ca. zur Hälfte aus alten Tagebucheinträgen besteht, und zur Hälfte aus neuem Material. Erscheinen wird das gute Stück mit 48 Seiten im Label »turmoffline« beim Verlag Schwarzer Turm. Man darf gespannt sein.

Warum zum Buch greifen?

Diese Frage kommt immer wieder. Wie schon eingangs erwähnt, spricht in erster Linie die gänzlich andere Haptik und das intensivere Leseerlebnis für die Buchfassung. Desweiteren lässt sich ein Comic immer noch besser in gedruckter Form anderen Personen zeigen, als am Monitor. Allein bis man den oder die Lieblingsstrips gefunden hat; viel schneller blättert es sich noch immer durch ein Heft.

Nicht zuletzt muss man sagen, dass die meisten Webcomics in Druckform preislich recht knapp kalkuliert sind und so oft ein faires Angebot gegenüber dem Kunden darstellen. Ob man nun ein kleines Heftchen haben will, um mal etwas Neues zu entdecken, oder einen dickeren Wälzer, um schon bekannte Geschichten erneut abends in Ruhe im Bett lesen zu können, die Gründe sind vielfältig und die Preisgestaltung meist ausgesprochen fair. Gerade die oben aufgeführten Hefte sind in der Regel ein Paradebeispiel dafür, wie die Autoren ihre kleinen Schätze selbst einmal in gedruckter Form erleben wollen, und dafür in finanzielle Vorleistung gehen, mit der vagen Hoffnung, am Ende durch ausreichend Käufer zumindest kostendeckend gearbeitet zu haben.

Ich hoffe damit konnte ich euch einen kurzweiligen und interessanten Einblick in die facettenreiche Welt der gedruckten Webcomics geben. Man kann wohl darauf hoffen, dass auch in Zukunft immer mehr Webcomics einmalig, oder im Bestfall sogar als Wiederholungstäter, durch eine Druckerpresse wandern. Der Druck stellt schließlich keine Konkurrenz dar, sondern ist bloß eine natürliche Erweiterung in der Wahrnehmung.

Abbildungen:
Webcomics © Sarah Burrini (Das Leben ist kein Ponyhof); David Malambre (Demolitionsquad); Till Felix (Es wird ein Hase); Michael Roos (Sachen gibt's); Mario Bühling (Katzenfuttergeleespritzer), Asja Wiegand (Gestern noch).
Foto © Alexander Lachwitz


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Über den Autor
Alexander Lachwitz (Jahrgang 1982) studiert derzeit Medientechnik auf Bachelor in Emden. Nach einer Ausbildung zum Fachinformatiker (Systemintegration) entschied er sich, das digitale Know-How mittels eines Studiums auf den Medienbereich auszuweiten.

Neben der freien Beschäftigung im Bereich Webdesign und Layout schreibt er regelmäßig für verschiedene Webmagazine über Videospiele, Comics, Filme und Bücher. Webcomics haben sich dabei durch ihren starken Boom der letzten Jahre zu einem persönlichen Favoriten in der bunten Kulturlandschaft entwickelt.