Lachwitz liest: Folge 4 - Leserkontakt

Kolumne

Lachwitz liest:

Streifzüge durch die Wunderbare Webcomics Welt

Folge 4: Webcomicautoren und ihre Leserschaft – eine digitale Symbiose!?

→ von Alexander Lachwitz

Der gemeine Webcomiczeichner hat in der Regel nur einen recht eingeschränkten Kontakt zu seiner Leserschaft. Der Großteil davon beschränkt sich auf digitale Nachrichten über Kommentare oder Soziale Netzwerke. Dies bietet zwar die große globalisierte Freiheit der weiten Welt, endet am Ende aber dennoch nur in Form verschiedener Pixel auf dem Monitor des Künstlers.

Gewollt kann man den Zustand nicht nennen, vielmehr handelt es sich um eine Notwendigkeit des Mediums. Dass weder die Schöpfer noch die Leser zu einer Kontaktscheuen Gattung gehören, kann man jedes Mal erleben, wenn sie bei verschiedensten Gelegenheiten aufeinandertreffen. Beliebt sind dafür traditionell Messen, spezielle Comic-Veranstaltungen, sowie Lesungen  und mehr. Bei solchen Gelegenheiten kann man sogar ein äußerst ausgeprägtes Sozialverhalten beobachten. Das gängige Vorurteil vieler Verhaltensforscher über unterentwickelte soziale Kompetenzen, lässt sich bei einer Betrachtung der gut besuchten Messestände nicht lange aufrecht erhalten. Gehen wir also ohne weiteres gleich in medias res.

Webcomics im analogen Leserkontakt

Auf der »Comic-Action«, der an die Messe »SPIEL« in Essen angegliederten Comicmesse, konnte sich Ende Oktober wieder jeder selbst ein Bild davon machen. Sowohl die Zeichnerallee, als auch der Comicgate/Zwerchfell-Stand waren während der vier Messetage gut besucht. Natürlich darf man keinen Vergleich mit dem Andrang bei Marvel und Panini anstellen. Doch keiner der Zeichner machte den Eindruck, von den Besucherzahlen unterfordert zu sein.

Nur wenige Wochen später folgte mit der »Intercomic« in Köln eine weitere Messe, welche aber rein auf den Comicmarkt zielt. Aufgrund der gemischteren Besuchergruppen, die auch aus dem Nicht-Comic-Bereich kamen, bleibe ich im Folgenden aber großteils bei den Beobachtungen aus Essen. Das meiste lässt sich aber auf fast alle größeren und kleineren Messen übertragen, die irgendwas mit Comics zu tun haben.

Naturgemäß ist eine solche Veranstaltung auch immer hilfreich, um neue Comics zu entdecken, bzw. um Feedback und Reaktionen von anderen Lesergruppen zu erhalten. Gerade bei den Lesern muss man allerdings differenzieren zwischen den eigenen Vorlieben und jenen Comicgenres, die nur am Rande, wenn überhaupt interessieren. Zwar lässt sich auch im letzteren Bereich immer wieder ein Blick über den Tellerrand beobachten, aber nur in wenigen Fällen entsteht dadurch auch ein tatsächlicher Zugang zu neuen Comics.

Neben den Comicheften oder Büchern, besitzen traditionell besonders die persönlichen Zeichnungen bei den Lesern einen hohen Sammelwert. Das kann sich in dem Sammeln verschiedenster zeichnerischer Interpretationen einer Schildkröte ausdrücken, oder schlicht auch der eigenen Lieblingsfigur aus anderen Comics, bzw. Serien. So unscheinbar das auch wirkt, man sollte sich wirklich einmal die Mühe machen und Besucher sowie Zeichner einige Zeit dabei beobachten. Nicht nur, dass viele Zeichner hier viel Mühe und Zeit für jede einzelne Zeichnung aufwenden, auch der persönliche Austausch scheint keine unnötige Scham zu kennen. Dieser Prozess selbst sagt eine Menge aus über den Webcomic, und natürlich jeden Zeichner und seinen Stil im Besonderen.

Wie jeder Kunstschaffende braucht auch der Comiczeichner Kritik, um sich zu verbessern. Der Webcomic steht hier in der Regel, dank der Mittel des Internets, sehr gut da, was den Wert persönlichen Feedbacks aber nicht schmälert. Auf Messen gewinnt dies noch eine ganz eigene Färbung durch den Kontext der anderen Aussteller, zwischen denen man sitzt. Lobende und ätzende Kommentare der Leser vor Ort, über die eigene Arbeit oder die es Kollegen, enden hier meist nicht in handfesten Raufereien unter Fans, sondern, mit etwas Glück für die Leser, in kritischen Diskussionen der Comiczeichner selbst. »Deine Leser finden meinen Kram Scheiße, aber meine Leser finden deinen Kram nett. Du hast ganz schön miese Leser!«

Ein Narr, wer hier echte Feindschaften wittert. Oft ist man sich aber für keine Vorlage zu schade, um die Leser zu unterhalten, dann darf's auch mal über den Kollegen hergehen. »Der kennt Firefly nicht? Das erklärt die mangelnde Qualität seiner Comics.« So entsteht, gerade durch die lockere Alberei, ein Umfeld, in dem auch negative Kritik konstruktiv aufgenommen werden kann und niemand Angst vor einer Maulschelle haben muss.

Besucher und Aussteller – Wer leistet wem einen Dienst?

So sehr der Besucher gemeinhin von einem hohen Interesse bis hin zu Bewunderung für den Zeichner geprägt ist, so sehr ist jener aber auch bemüht, dem Besucher in Form der persönlichen Zeichnung eine Freude zu bereiten. Diese einfache Erkenntnis lässt sich auch dadurch nicht relativieren, dass manche Zeichner als Gegenleistung für so eine Zeichnung den Kauf wenigstens eines Buchs, Hefts oder einer Postkarte zur Bedingung machen. Mit meist unter 10€ handelt es sich dabei immerhin um deutlich weniger, als das was man normalerweise für eine solche Skizze bezahlen müsste.

Ohne Messen und andere Live-Events wäre auch der Webcomic nicht ganz das, was er ist. Trotz des digitalen Übertragungsmediums steht noch immer der Austausch von Zeichner und Leser im Mittelpunkt. Einer will unterhalten werden, der andere freut sich über die Anerkennung für seine Arbeit, und wenn dem Künstler dies letztendlich gar hilft, daraus eine eigene Existenz zu sichern, so profitieren am Ende beide Seiten. Ohne Kitsch und rosarote Brille kann man also getrost von einer Win-Win-Situation reden.

Die persönliche Begegnung ist nur eine von vielen Komponenten, aber eine die wir Leser nie vergessen sollten, wenn wir uns wieder über eine gelungene Pointe oder einen herausragenden dramaturgischen Kniff freuen. Und wenn uns etwas einmal nicht gefällt, ist dies nur auf den ersten Blick ärgerlich. Schließlich gibt es gerade bei Webcomiczeichnern einen ungemein einfachen Weg, seine Freude oder Unzufriedenheit, am besten natürlich in Form konstruktiver und nicht beleidigend formulierter Kritik, mitzuteilen und sicherzugehen dass der Zeichner diese auch liest. Man schalte den PC aus und schreibe einen altmodischen Brief, aber bitte per Hand. Vermutlich wird sich jeder Autor über diese fast schon vergessene Form der Leserrückmeldung freuen. Dies sollte selbst bei einer negativen Kritik die 45 Cent Porto mehr als rechtfertigen.

Und sonst so?

Zwar besteht hier kein Anspruch absolut alle Neuigkeiten zu sammeln, dennoch ist in den letzten Wochen nicht gerade wenig passiert. Daher also gleich vier Empfehlungen über alte und neue Webcomics.

Schon letztes mal erwähnte ich zwei kommende Veröffentlichungen. Bei Demolitionsquad gibt es nun  die zweite Ausgabe der Demolitionsquad-Stripsammlung. Neben einem wunderbaren Cover beinhaltet das Heft diesmal mehrere vollständige Storylines aus den letzten Jahren. Von Asja Wiegand indess, ist nun ihr Buch Gestern noch - 3.300 KM beim Schwarzen Turm erschienen. Neben schon bekannten Strips aus ihrem Webcomic-Tagebuch, gibt es auch eine ganze Reihe neuer Strips, rund um einen besonderen Reisetrip.

Skizzierte Quadernase gegen moderne Windräder

Seit wenigen Wochen wird in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vier Mal pro Woche das neue Projekt von Flix abgedruckt. Nach dem Remake seiner eigenen Neu-Interpretation von Goethes Faust, geht es nun mit Don Quijote weiter. Wie schon bei Faust werden die Strips auch diesmal zeitgleich auf seiner Homepage veröffentlicht. Eine Buchveröffentlichung nach Fertigstellung der Reihe ist beim Carlsen Verlag für 2012 fest eingeplant.

Abgesehen davon, dass er auch hier wieder einen klassischen Stoff in ein modernes Gewand einkleidet, hat sich auch Flix' Zeichenstil selbst gewandelt. Während sein Webcomictagebuch weiterhin von kontrastreichen Quadernasen beherrscht wird, sind der knausrige Don und seine Kontrahenten in einem skizzenhaften, detailverliebten Stil gehalten, der zwar nie zu einer gänzlich klaren Linie findet, aber gerade durch diese Verweigerung viele Freiräume schafft. Dazu kommt eine merkliche Liebe für stille Panoramaansichten, die zwischen den hitzigen Figurengefechten immer wieder Platz zur Besinnung bieten.

Zauberei und Schwertgekloppe an der Schule

Auch vor kurzem frisch gestartet ist das neue Werk der Schöpfer von Sandra und Woo'. Mit Gaia schufen Powree (Zeichnerin) und Oliver Knörzer (Autor) eine fiktive Welt voller Magie, Helden und Schwertkämpfe. Die Verneigung vor den alten Final-Fantasy-Titeln und dem Genre der PC-Rollenspiele generell ist nicht übersehbar und verpasst der Handlung einen augenzwinkernden Charme. Zu selbiger kann man noch nicht viel sagen. Im Zentrum steht Ilias, Schüler einer Kampfmagierakademie, und seine scheinbar hoffnungslose Liebe zu der schönen Lilith.
Vermengt mit den üblichen Raufereien und Sticheleien, die an so einem Ort üblich sind, ergibt sich bisher, nicht nur durch den mangaesken Zeichenstil, ein sehr buntes und unterhaltsames Bild. Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung die Geschichte treibt und was aus der bisher nur schwach angedeuteten Verwicklung mit politischen Spannungen gemacht wird.

Klare Linie auf wirren Wegen

Schon seit geraumer Zeit geistert das Gehirn des Diplom-Designers Leander Aurel Taubner auf Abwegen durch die Webcomicwelt, und man darf wirklich froh darum sein. Leanders feine Linie ist dabei klar als zeichnerische Spielwiese deklariert, auf welcher der Zeichner seiner Fantasie freien Lauf lässt. Das kann zu solchen Kreaturen wie dem Schluderi oder eben den Abenteuern eines Gehirns auf Wanderschaft führen.
Erschreckend in all seinen Erkenntnissen ist dabei der extrem hohe Wiedererkennungswert für fast jeden Leser. All die kleinen chaotischen und nervenzerrüttenden Erlebnisse feiern bei ihm ein munteres  Best-of-Medley und lassen einen arg gelittenen Zeichner zurück.

Nach nicht mal einem Jahr kann man Leander zweifellos gratulieren wie sich seine feine Linie auf rustikal wirkendem Karton entwickelt hat. Eine klare, das Wortspiel sei mir verziehen... eigene Linie, gepaart mit einem guten Sinn für Pointen und Erzählung, abgeschmeckt mit etwas Mut für Experimente.

Tristesse mit Schlagkraft

Keine Scheu vor bissigen Themen findet man seit ziemlich genau einem Jahr bei Christian Schmitt. Sein Comicblog sad but awesome lebt von einem betont harmlos wirkenden Strich. Locker geführt soll er den Leser vermutlich bei Strips über Motivation im Berufsleben sowie die Qualifikationen von Putzbier in trügerische Sicherheit wiegen.

Derart eingelullt, erwischen einen dann die harten Attacken, geführt von Fragen nach V-Mann-Qualifikationen und dem Nutzen von Allerheiligen.

Die Schärfe entsteht dabei aus der gleichmäßigen Ruhe, die der Autor mit seinen Zeichnungen ausstrahlt. Man weiß am Anfang eines Strips fast nie in welche Richtung er  geht. Während gemeinhin oft das letzte Panel als kritischer Wendepunkt für eine Pointe genutzt wird, wird damit auf dem gesamten Weg über alle Panels hinweg gearbeitet. Dieses Konzept spricht zwar nicht jeden an, verpasst dem Comic aber den Charakter eines unbequemen Fragenstellers, über den aber am Ende doch alle irgendwie froh sind, dass jemand das mal zur Sprache gebracht hat.

Abbildungen:
Webcomics © Flix (Don Quijote); Powree & Oliver Knörzer (Gaia); Leander Aurel Taubner (Leanders feine Linie); Christian Schmitt (sad but awesome.
Fotos COMIC ACTION 2011 © Alexander Lachwitz


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Über den Autor
Alexander Lachwitz (Jahrgang 1982) studiert derzeit Medientechnik auf Bachelor in Emden. Nach einer Ausbildung zum Fachinformatiker (Systemintegration) entschied er sich, das digitale Know-How mittels eines Studiums auf den Medienbereich auszuweiten.

Neben der freien Beschäftigung im Bereich Webdesign und Layout schreibt er regelmäßig für verschiedene Webmagazine über Videospiele, Comics, Filme und Bücher. Webcomics haben sich dabei durch ihren starken Boom der letzten Jahre zu einem persönlichen Favoriten in der bunten Kulturlandschaft entwickelt.