Kolumne: Comicfachhandel
Comicladen-Report: Was den Handel bewegt
Folge 1: Die Gratis Comic Tage 2010 und 2011 im Vergleich
→ von Ekki Helbig und Björn Steckmeier
»Man könnte meinen, es gäbe was umsonst.«
Dieser so manches Mal locker hervorgebrachte Spruch trifft nun bereits seit zwei Jahren immer im Wonnemonat Mai auch auf die harte Realität des Händleralltags. Comics, die umsonst abgegeben werden. Für so manchen Vertreter unserer Zunft ein gar schrecklicher Gedanke. Dabei war schon der erste GCT 2010 rundum ein toller Erfolg. Den Händlern wurde sprichwörtlich die Bude eingerannt, es wurden Berge von Gratiscomics verteilt – und der Umsatz im Fachhandel war wie Weihnachten im Mai, da natürlich auch kräftig eingekauft wurde.
Mit diesem durchschlagenden Erfolg hatte niemand so wirklich gerechnet, aber manchmal lohnen sich Experimente halt und Abenteuerlust wird belohnt, zumal auch wirklich viele Kinder anzutreffen waren, also quasi die nächste Generation der Comicleser, die so gerne als »nicht-existent« deklariert wird.
Auch dieses Jahr war das nicht anders.
In Frankfurt warteten mindestens 50 Leute vor Ladenöffnung auf ihre Gratiscomics, Punkt 10 Uhr bildete sich eine Schlange vor dem Tresen, die die nächsten drei Stunden nicht mehr abriss. Streckenweise war der Laden so überfüllt, dass an einen normalen Betrieb, geschweige denn Verkauf, nicht zu denken war. Ab dem frühen Nachmittag wurde es dann etwas gemütlicher.
In Bonn war es ähnlich. Auch hier warteten ca. 40-50 Leute bereits vor 10 Uhr vor dem Laden (letztes Jahr waren es noch ca. 15 Leute, die sich bereits vor der Ladenöffnung eingefunden hatten) und auch hier riss der Strom an Publikum bis in den späten Nachmittag nicht ab, weswegen dieses Jahr natürlich das Personal für diesen Tag noch einmal aufgestockt wurde.
Auffallend war beim 2. Gratis-Comic-Tag, dass es sehr, sehr viele unbekannte Gesichter gab, nicht wenige davon waren allerdings auch wirklich nur wegen der Gratishefte gekommen und verschwanden nach Erhalt derselbigen sofort wieder, ohne den Laden eines weiteren Blickes zu würdigen. Aber auch hier kann man natürlich immer noch drauf hoffen, dass diese »Abstauber« sich zu einem späteren Zeitpunkt (und gemeint ist nicht der GCT 2012) doch noch wieder im Laden einfinden werden.
Am Ende eines langen und anstrengenden Tages war der Umsatz, trotz der zwischenzeitlichen Überfüllung des Ladens, wieder im bombigen Weihnnachtsgeschäftsbereich. In Bonn einen Tacken mehr als 2010, in Frankfurt einen Tacken weniger.
Aber natürlich weckt so ein Erfolg auch Begehrlichkeiten.
2011 wollte dann nahezu jeder Verlag und auch so manches Fanprojekt unbedingt dabei sein. Das Ergebnis war dann die Steigerung von 30 auf 44 Gratishefte, ein fast unlesbarer und nicht eindeutig verständlicher Flyer und ein weit höherer logistischer Aufwand der Vertriebe, die bis aufs Porto die Abwicklung ja kostenlos übernehmen. Mehr Arbeit und Unübersichtlichkeit in den Läden waren die Folge – 44 Hefte sind arg viel, da auch wir Händler an die Grenzen der Kapazitäten stoßen, was die anspruchsvolle Präsentation eben jener Hefte betrifft.
Es stellt sich natürlich auch die Frage, ob man gleich im 2. Jahr bereits mehr Titel anbieten musste, als die das Vorbild liefernden Amerikaner, die in einem Zeitraum von zehn Jahren ihren Output auch nur von ca. 10 Heften (2002) auf 40 Hefte (2011) angehoben haben. Außerdem sind selbst die Platzhirsche Marvel und DC dort nur mit je zwei Titeln vertreten und nicht gleich mit drei oder vier.
Ein paar Anmerkungen zu den in diesem Jahr gereichten Comic-Heften hätten wir aber auch im Repertoire:
Ziel des Events ist es, dass die Kunden auf den Geschmack gebracht werden, damit sie im Fachhandel später nach mehr verlangen. Die Hefte sollten also so ausgewählt werden, dass zum einen ein verkäufliches Produkt dahinter steht (und zumindest die komplette Backlist des am GCT angebotenen Titels sollte zudem lieferbar sein, sonst verpufft die Wirkung sofort) und zum anderen, dass die entsprechenden Serien tatsächlich über den Fachhandel verkauft werden können. Kleinverlage, die nicht über MSW oder PPM ausliefern, sind daher eher suboptimal, da die geneigten Händler nicht bei allen Verlagen direkt oder über diverse Minivertriebe bestellen können (klar, theoretisch schon, aber praktisch wohl kaum). Auch ist nicht jeder Händler an ein Barsortiment angeschlossen, um einen Teil der Produkte wenigstens über diesen Weg beziehen zu können.
Ebenso fraglich ist die Teilnahme von Institutionen wie ICOM. So gut gemacht das Heft auch war, der Gratiskunde hat es weitgehend ignoriert, weil ihm der Begriff ICOM nichts sagt. Das war halt nur was für Insider, und die sind eigentlich nicht das Ziel des Gratis-Comic-Tages.
Komplett am Ziel vorbei ging das Heft des Münchner Comicfestivals, auch wenn es nett zu lesen war. Fehlt nur noch, dass ein Comicladen ein Heft zum nächsten Mal beisteuert und sich diese Werbung dann von seinen Mitbewerbern finanzieren lässt. Denn genau das war dieses Heft: Werbung. Für eine Veranstaltung im Süden Deutschlands. Da wird wohl kaum ein Leser aus dem hohen Norden nach der Lektüre dieses Heftes spontan auf die Idee kommen, dort hinzufahren. Warum sollen also wir Händler das bezahlen?
Damit der GCT nachhaltig zum Erfolg wird, sollten nur richtige Verlage mitmachen, die auch ein paar Bücher im Jahr produzieren.
Für Kleinstverlage oder Fanprojekte finden sich sicherlich Wege, auch inoffiziell am GCT zu partizipieren. So produzierte dieses Jahr der Kieler Laden »Fantasy Reich« das Heft Pure Fruit, welches auch in anderen Comicshops zusätzlich als kostenloses Heft erhältlich war.
Bei »T3« in Frankfurt gab es ebenfalls ein zusätzliches Gratisheft namens Ei Gude, das von Zeichnern aus dem Frankfurter Raum in Eigenregie hergestellt wurde. Die Kleinstauflage wurde während einer Nachmittagssignierstunde der drei beteiligten Künstler Asja Wiegand (frischgebackene Gewinnerin des »Sondermann«-Newcomerpreises), Johanna Köhler und Alban Voss verteilt – das kam supergut bei den Kunden an.
Nicht verschweigen wollen wir allerdings, dass auch dieses Jahr ein paar wenige Comichändler das Wörtchen »gratis« komplett missverstanden haben und die Hefte sofort zum Verkauf angeboten haben. Das geht einfach gar nicht! Ein nachhaltiger Erfolg des Gratis-Comic-Tages kann sich nur einstellen, wenn sich auch alle Teilnehmer an die Spielregeln halten.
Und als letzte Anmerkung:
Sehr gefreut hat uns, dass die Veranstalter des GCT auf die Kritik einiger Comicläden reagiert haben, und den Termin der Veranstaltung verlegt haben, damit er sich nicht wie 2010 mit der Comicmesse »Intercomic« überschneidet.
Insofern: auf ein Neues – im Jahr 2012!
Abbildungen © GCT 2011
Fotos © Bonner Comic Laden (Bonn); Terminal 3 (Frankfurt/Main)
Comicladen-Report: Was den Handel bewegt
Die Autoren
Ekki Helbig, Jahrgang 1958, liest seit seiner Kindheit begeistert Comics. Nach einem abgeschlossenen Germanistikstudium strandete er 1987 in der Comicbranche: erst als Aushilfe beim ersten deutschen Comicvertrieb »Riedel & Krebs«, von 1989 bis 1992 dann als Lagerchef von »R & K«.
1993 und 1994 war er Filialleiter vom »Comicladen« in der Berliner Strasse. Nach einem kurzen Intermezzo beim anderen Frankfurter Comicladen »Comica«, war er im August 1995 Mitbegründer von »T3 Terminal Entertainment«. Dort arbeitet er heute noch und ist für die deutschsprachigen Comics und die Organisation von Signierstunden zuständig.
Björn Steckmeier, Baujahr 1980, befasst sich schon seit der frühesten Kindheit mit der Neunten Kunst. Ganz klassisch hat es mit der Micky Maus angefangen, aber auch diverse Comics, die sich in der väterlichen Sammlung befanden, hatten es ihm angetan.
Aktiver Comicsammler seit 1993 und dabei auf kein Gebiet beschränkt. Egal, ob Frankobelgier, Strampelmänner, Manga oder obskure Alternativ-Comics – gelesen wird alles, was gefällt.
Aber auch Literatur ohne Bilder ist vor ihm nicht sicher, vor allem, wenn es sich um Thriller von Douglas Preston und Lincoln Child oder gute Krimis handelt.
Weitere Hobbies sind Computerspiele, gemütliche Plauderabende mit Freunden und das Internet unsicher machen.
Nach einem abgebrochenen Studium für Technikjournalismus studiert er derzeit neben seiner Tätigkeit als Comicverkäufer Asienwissenschaft mit Schwerpunkt Japan an der Universität Bonn.
Standort: Bonn