Kolumne: Comicfachhandel
Comicladen-Report: Was den Handel bewegt
Folge 2: Der Handel als Partner der Verlage?
→ von Ekki Helbig und Björn Steckmeier
Auch wenn die derzeitige Titelvielfalt, die allmonatlich ihren Weg in die Regale von uns Händlern findet, etwas gegenteiliges vermuten lässt, so ist doch eines festzuhalten: der Comicmarkt in Deutschland ist ein sehr kleiner Markt. Viele Titel, gerade auch auf dem derzeit boomenden Albenmarkt, verkaufen sich in der Erstauslieferung gerade einmal im dreistelligen Bereich.
Die Weiten des Internets verführen die Verlage nicht zuletzt deswegen dazu, das Direktmarketing zu verstärken. Man umwirbt den Endverbraucher dabei mit eigenen Webshops, Sondereditionen und Exklusivinfos. Das ist natürlich schön für den Comicnerd in uns allen, aber als Händler sehen wir diese Entwicklung durchaus wachsam und mit Sorge.
So hat es uns z.B. gar nicht gefallen, dass der gerade frisch reaktivierte All-Verlag gleich seinen ersten Titel erst mal an Privatkunden verschickt hat, bevor dieser in den Fachhandel gelangte.
Auf der anderen Seite hat er es aber immerhin geschafft Touna Mara zwei Tage nach der offiziellen Präsentation auf der Kölner Messe an den Fachhandel zu liefern. Das ist zeitnah und aller Ehren wert.
Alteingesesene Verlage wie Salleck, Piredda und Mosaik haben das nicht geleistet – da hat es sage und schreibe zwölf Tage gedauert, bis der der Fachhandel die Neuheiten präsentieren konnte. Dies ist natürlich weder ein neues »Problem« noch Köln-typisch, denn auch andere Verlage »leisten« sich so etwas, wie z.B. Bunte Dimensionen, der dieses Jahr in München den zweiten Band von Arctica im Gepäck hatte, welcher erst ganze zwei Monate später auch von jedermann erworben werden konnte.
Wir wollen da keine Absicht unterstellen, aber das ist ärgerlich und unnötig.
Bei der derzeitigen Titelflut ist das Neuheitengeschäft ein zentraler Aspekt des Fachhandels, da sollten die Verlage doch sehen, dass die Titel – auch in Messezeiten – möglichst zeitgleich überall erhältlich sind.
Um das klarzustellen: Die Kleinverlage sollen ihre Neuheiten ruhig weiterhin vorab auf Messen präsentieren, sie machen ja oft auch schöne Signieraktionen etc. Auch der Direktumsatz sei ihnen gegönnt – aber der Fachhandel muss zeitnah beliefert werden. Alles andere ist unprofessionell. Und wenn Verlage und Fachhandel direkt um den Endverbraucher konkurrieren, wird es letztendlich für alle problematisch.
Was uns gleich zum nächsten Themenbereich führt – die Internetshops der Verlage.
Grundsätzlich ist es natürlich sinnvoll, diesen Vertriebsweg anzubieten. Nicht jeder hat einen Comicshop in der Nähe, da kann man die schönen bunten Bilder auch in die Provinz liefern.
Und man muss auch nicht alles der Krake Amazon in den Rachen werfen, die unterläuft ja schon lange alle unsere Geschäftsgrundlagen.
Deswegen ist es auch sehr löblich, wenn z.B. Andreas Mergenthaler von Cross Cult immer wieder betont, dass man den eigenen Webshop (und Amazon) doch bitte nur nutzen solle, wenn wirklich keine andere Option besteht, da man eher den Händler vor Ort unterstützen soll.
Problematisch ist es, wenn die Titel dort (oder auch im Barsortiment und damit bei Amazon & Co.) früher verfügbar sind als im Fachhandel.
Da entsteht dann wirklich eine Konkurrenzsituation zwischen Verlag und Fachhandel. Süffisant ist es natürlich, dass der Fachhandelsvertrieb PPM inzwischen die Privatkundenbelieferung für einige Verlage übernommen hat, da dürfen dann gar keine Fehler mehr passieren.
Schwierig ist auch, dass leicht übersehen wird, dass gerade im Albenbereich auch noch jede Menge analoge Kunden unterwegs sind (und die Bedeutung des Internets und Diskussionsforen dabei immer etwas überbewertet werden). Diese erfuhren dann zum Beispiel viel zu spät von der Jubiläumsaktion zum fünften Geburtstag von Splitter. Da war einfach zwischen Auslieferung des Kataloges und der Jubiläumsware zu wenig Zeit. Das heisst, die ersten Titel waren schon vergriffen, als die analogen Kunden nach ihnen gefragt haben. Schade eigentlich (die zu geringe Auflagenhöhe bei mindestens zwei der Titel steht dabei noch auf einem anderen Blatt).
Richtig ärgerlich wird es dann, wenn – wie uns ein Berliner Händler erzählte – einer seiner Stammkunden einen für den Handel als vergriffen gemeldeten Titel im Onlineshop bestellt und tatsächlich noch erhält. Da war der Händler zu Recht empört.
Bei limitierten Luxuseditionen wird man es aber wahrscheinlich nie allen recht machen können.
Was man aber durchaus verbessern könnte, wäre vielleicht die Kommunikation zwischen dem Verlag und uns Händlern.
Leider ist es nämlich wenig erfreulich, wenn wir den Ärger der Kunden abgekommen, weil ein Verlag die Fortführung einer Vorzugsausgabe einstellt. Konkret geht hier um den siebten Band der Reihe Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit, von dem es im Gegensatz zu den vorherigen Alben nur eine normale Softcover-Ausgabe gibt und die Fans deswegen im Internet lautstark ihren Unmut darüber äußern. Nach Verlagsangaben war eine Kleinstauflage nicht rentabel und so wurde das Produkt ganz gestrichen. Hier wäre es natürlich schön gewesen, wenn man mitunter mit den Händlern vorher Rücksprache gehalten und vielleicht eine grobe Übersicht über mögliche Vorbestellzahlen eingeholt hätte. Natürlich ist es bei so einer langlebigen Serie zunehmend schwerer, solch eine Variante zumindest nicht zu einem Minusgeschäft werden zu lassen, aber so hätte man bei zu niedrigen Bestellmengen auch auf jeden Fall ein griffiges Argument parat gehabt und sich damit wahrscheinlich viel Ärger erspart. Von möglichen anderen Lösungen mal ganz zu schweigen, aber das fällt dann natürlich nicht mehr in unseren Aufgabenbereich.
So hat der Verlag allerdings den Unmut der Fans und wir die enttäuschten Kunden im Laden – und dürfen denen dann erklären, warum ihre gewünschte Ausgabe nicht erhältlich ist.
Und enttäuschte Kunden können wir alle nun wirklich nicht gebrauchen!
Apropos enttäuschte Kunden: Ein bisschen veräppelt fühlen wir uns auch von Zwerchfell. Da produziert man zum »Gratis Comic Tag 2011« ein teures und tolles Werbeheft für Die Toten und dann sind die damit beworbenen zwei Comicbände bereits seit mehreren Monaten einfach nicht mehr lieferbar. Damit ist leider jeglicher Werbeeffekt verpufft!
Wirklich schade, aber hier wissen wir, dass dies für den Verlag aller Wahrscheinlichkeit nach genauso frustrierend ist.
Wenn dies eine um absolute Objektivität bemühte Kolumne wäre, müssten hier jetzt natürlich die Verlage zu Wort kommen und ihre Kritik am Handel äußern können.
Aber es geht uns um die Sichtweise des Handels und den Versuch den Verlagen ins Gedächtnis zu rufen, dass wir der erste Kunde ihrer Produkte sind. Und wir brauchen gute Produkte, die rechtzeitig eintreffen, genügend Infos über diese Produkte und einen kleinen Vorsprung vor dem Endverbrauchen. Dann bringen wir die Comics auch gerne unters Volk.
Unserer Meinung nach sollten Verlage, Vertriebe und Fachhandel in Zukunft wieder mehr miteinander reden und gemeinsame Verkaufsstrategien entwickeln.
Den schwarzen Peter von einem zum anderen zu schieben, hilft uns allen nicht weiter.
Deshalb zum Abschluss dieser Kolumne noch einen kurzen Bericht über eine wirklich gelungene Verkaufsaktion, die Verlag, Fachhandel und Vertrieb gemeinsam durchgeführt haben:
Im Mai 2011 lud der Reprodukt Verlag etwa 15 Comichändler zu sich nach Berlin ein. Der Verlag hatte festgestellt, dass sein Wachstum im normalen Buchhandel stetig nach oben geht und der Comichandel da doch deutlich zurückfiel. Bei manchen Graphic Novels war das Verkaufsverhältnis Buchhandel zu Comichandel 2:1 oder gar 3:1.
Also veranstaltete Reprodukt ein kleines Seminar für die Comichändler, auf dem sich der Verlag ausführlich vorstellte, das kommende Herbstprogramm präsentierte und gemeinsame Aktionen vorschlug. Neben Leseexemplaren, Aktionsrabatten etc. war der zentrale Vorschlag, dass man als Händler bei Abnahme von 50 Exemplaren von Craig Thompsons neuem Werk Habibi für jedes Exemplar einen signierten Druck erhält, was zu einem schicken Wettbewerbsvorteil gegenüber gewissen Buchhandelsketten (on- und offline) führen würde.
Allerdings haben vermutlich erst mal alle Händler geschluckt – über 1000.- Euro in nur einen Titel zu investieren, das klang doch sehr gewagt und führte zu einer lebhaften Diskussion zwischen den Händler untereinander und auch den Verlagsvertretern. Andererseits verdient so ein Titel auch besondere Präsentation im Laden. Und wenn auf einen Verlag die Beschreibung »flexibel« zutrifft, dann ist es wohl Reprodukt. Denn für nahezu jedes angesprochene Problem (Lagerkapazität? Finanzierung? Remissionsmöglichkeit?) fand sich schnell und unproblematisch eine für uns Händler akzeptable Lösung.
Letztendlich haben dann auch etwa 20 Läden bei der »Habibi plus Druck«-Aktion mitgemacht, manche dieser Läden haben schon nach gerade mal drei Wochen nachgeordert, keiner hat bisher ein Exemplar an den Verlag zurückschicken müssen – und nach wenigen Wochen war die Erstauflage von 5000 Stück ausverkauft und eine Nachauflage konnte in den Druck gehen.
Klar hat Habibi auch eine riesige Presseresonanz gekriegt, Craig Thompson ist nun mal ein Liebling des Feuilletons – so eine Aktion kann man nicht mit vielen Titeln durchführen.
Aber das Prinzip ließe sich kopieren – der Verlag nimmt den Comichändler als Kunden ernst, erklärt ihm, warum dieser Titel etwas besonderes ist, unterstützt mit Extras und flexiblem Bezug – und der Comichändler bringt das Buch hochmotiviert unter die Leute.
Klassisch-konservativer Buchhandel, der aber auch in den aufgeregten Zeiten des Internets hervorragend funktionieren kann. Wenn eben Verlag, Handel und Vertrieb gemeinsam an einem Strang ziehen.
Umso erfreulicher, dass Reprodukt mittlerweile nicht mehr der einzige Verlag ist, der sich Anregungen bei uns Händlern direkt holt.
Es gibt genügend neue Herausforderungen, denen wir uns alle stellen müssen, da tut es doch gut, sich auch mal auf alte Tugenden zu besinnen.
Abbildungen © All Verlag, Carlsen Comics, Zwerchfell Verlag, Reprodukt
Fotos © Bonner Comic Laden (Bonn); Terminal 3 (Frankfurt/Main)
Comicladen-Report: Was den Handel bewegt
Die Autoren
Ekki Helbig, Jahrgang 1958, liest seit seiner Kindheit begeistert Comics. Nach einem abgeschlossenen Germanistikstudium strandete er 1987 in der Comicbranche: erst als Aushilfe beim ersten deutschen Comicvertrieb »Riedel & Krebs«, von 1989 bis 1992 dann als Lagerchef von »R & K«.
1993 und 1994 war er Filialleiter vom »Comicladen« in der Berliner Strasse. Nach einem kurzen Intermezzo beim anderen Frankfurter Comicladen »Comica«, war er im August 1995 Mitbegründer von »T3 Terminal Entertainment«. Dort arbeitet er heute noch und ist für die deutschsprachigen Comics und die Organisation von Signierstunden zuständig. Standort: Frankfurt am Main
Björn Steckmeier, Baujahr 1980, befasst sich schon seit der frühesten Kindheit mit der Neunten Kunst. Ganz klassisch hat es mit der Micky Maus angefangen, aber auch diverse Comics, die sich in der väterlichen Sammlung befanden, hatten es ihm angetan.
Aktiver Comicsammler seit 1993 und dabei auf kein Gebiet beschränkt. Egal, ob Frankobelgier, Strampelmänner, Manga oder obskure Alternativ-Comics – gelesen wird alles, was gefällt.
Aber auch Literatur ohne Bilder ist vor ihm nicht sicher, vor allem, wenn es sich um Thriller von Douglas Preston und Lincoln Child oder gute Krimis handelt.
Weitere Hobbies sind Computerspiele, gemütliche Plauderabende mit Freunden und das Internet unsicher machen.
Nach einem abgebrochenen Studium für Technikjournalismus studiert er derzeit neben seiner Tätigkeit als Comicverkäufer Asienwissenschaft mit Schwerpunkt Japan an der Universität Bonn. Standort: Bonn