Am Samstag, den 11. Mai 2013, ist es soweit: Der Gratis Comic Tag 2013 lockt mit kostenlosen Comics in all die Comicfachgeschäfte und Buchhandlungen, die eine gut sortierte Comicabteilung haben. CRON hat auch dieses Jahr alle 30 Comics vorab für seine Leser unter die Lupe genommen. Matthiaz stellt sie in seinem Blog vor.
Comic heut' nich', Comic morg'n …
Rapid Comicz Commentz von Matthiaz Hofmann
2013/KW19 – Folge 11: GCT-Comics, Teil 1 von 5
Kinder wie die Zeit vergeht. In vier Tagen findet bereits der GCT 2013 statt. Mir kommt’s so vor, als hätte ich erst vor ein paar Wochen geschrieben, dass jeder, der (oder die) auch nur einen Funken Liebe für die wunderbare Welt der Comics in seinem (oder ihrem) Herzen trägt, am Samstag früh aufstehen, einen leeren Rucksack (wahlweise auch eine schmucke Einkaufstasche oder sonst was geräumiges) einpacken und mindestens einen Comicladen aufsuchen sollte. Dabei war das letztes Jahr …
30 Gratiscomics gibt es dieses Jahr zur Auswahl. Wieder erhielt ich vorab einen schönen Stapel Comics, um im Vorfeld meine Meinung zu äußern. Ich werde heute fünf Titel kommentieren, morgen 15 (schluck) und bis Freitagabend noch die restlichen zehn.
Zur Einstimmung gibt's hier den offiziellen Trailer zum Event:
Über Geschmack lässt sich nicht streiten (Sprichwort)
Ich gehe nach dem gleichen Prinzip vor wie letztes Jahr. Geschmäcker sind natürlich verschieden. Wenngleich meine persönlichen Interessen außergewöhnlich breit gefächert sind, habe natürlich auch ich Vorlieben, die nicht unbedingt typisch sein mögen für die breite Masse. Die Reihenfolge der kommentierten Hefte ist bewusst rein willkürlich und nicht nach Verlagen sortiert.
Auch wenn mich einige dafür hassen, habe ich mich zu einer kleinen, politisch korrekten Kategorisierung durchgerungen:
- »Haben-muss« (must-have )
- »Engere Auswahl« (short-list)
- »Kann man nehmen, muss man aber nicht« (nice-to-have)
Super Dinosaur
Cross Cult
Comics für KIDS
32 Seiten, Pilotgeschichte
Wie letztes Jahr bietet Cross Cult einen Titel von Robert Kirkman an. Auf The Walking Dead folgt nun Super Dinosaur (Zeichnungen: Jason Howard). Dies ist eine neue Serie, von welcher der Verlag die Bände 1 und 2 gerade vor zwei Wochen veröffentlicht hat. Es handelt sich hierbei um kleinformatige Kompaktpaperbacks, die zum Mitnahmepreis von 10 Euro zu haben sind.
Das GCT-Heft bietet die Einführungsstory. Es geht um den elfjährigen Jungen Derek Dynamo, der zwar megaschlau, aber kein Nerd, ist und als besten Kumpel einen vermenschelten, genetisch veränderten Tyrannosaurus Rex hat. Die beiden spielen nicht nur gemeinsam Playstation, sondern beschützen auch die Erde von dem bösen Max Maximus und seinen Dino-Schergen.
Super Dinosaur soll kleine Jungs begeistern und das tut es wohl auch. Die Charaktere sind leicht schablonenhaft, der Plot liest sich als wäre er nach dem Leitfaden »Kinderhelden für Anfänger« konstruiert. Geboten werden seitenweise Action, technische Gadgets und exotische Locations. In die charakterisierende Tiefe geht es, für Kirkman eher untypisch, nur in einzelnen Panels oder gar nur zwischen den Panels. Das ist nicht schlecht und bedeutet in erster Linie jede Menge Spaß. Für Kids. Nichts anderes wollte Kirkman erreichen. Ziel erreicht. Fazit deshalb: »Kann man nehmen, muss man aber nicht« (nice-to-have)
Barracuda: Sklaven
Ehapa Comic Collection
60 Seiten, komplettes Album
»Schon wieder ein Piraten-Comic«, möchte man anmerken, wenn man von Barracuda hört. Wurde das Genre nicht zuletzt multimedial briefmarkendünn ausgewalzt mit den Abenteuern von Jack Sparrow in den ganzen Fluch der Karibik Filmen?
Auf der anderen Seite stammt die Geschichte von Jean Dufaux, dem Mann der uns spannende, schöne Stoffe wie Murena, Jessica Blandy, Der Wald der Jungfrauen und gefühlt hundert andere Serien geschenkt hat. Dufaux ist ein Routinier im positiven Sinne, einer der belesen ist, von überall her seine Anregungen holt und selbst aus kaltem Kaffee, also einer eher laschen Grundessenz, einen unterhaltsamen Mix kreiert.
Und in der Tat. Der erste Band macht Laune. Die Story »Sklaven« ist der Auftakt eines Vierteilers, der vorwiegend der Exposition gewidmet ist. Drei junge Schicksale werden geschildert. Da ist der durchtriebene Piratensohn Raffy, der von Rachegelüsten getrieben wird, weil er zu Beginn der Geschichte in einem Duell vom Kapitän der spanischen Galeone gedemütigt wurde. Und da sind die beiden Kinder, die auf der Pirateninsel Puerto Blanco auf dem Sklavenmarkt verkauft und getrennt werden. Das Mädchen entwickelt daraufhin einen unbändigen Hass auf Männer. Der Junge entpuppt sich als androgyne Figur, die sowohl männliche, als auch weibliche Rollen spielt.
ECC bietet bei diesem Heft den kompletten ersten Band der Reihe, inklusive dem Vorwort von Dufaux, in dem er sich etwas für das Thema rechtfertigt und fast schon zu viel erklärt. Immerhin erzählt er, dass er nicht auf ein Genre aufspringt, weil es gerade durch Johnny Depp & Co. en vogue ist, sondern weil er bereits als Junge den Piratensäbel im Stile von Errol Flynn beim Spielen geschwungen hat. Filmklassiker von Michael Curtiz (Der Herr der sieben Meere), Henry King (Der Seeräuber) oder Jacques Tourneur (Die Piratenkönigin) haben ihn ebenso inspiriert wie Gore Verbinskis Megaerfolg.
Und dann ist da noch die Comicserie Long John Silver von Mathieu Lauffray und Xavier Dorison, das aktuell letzte und fast schon ultimative Wort zum Motiv der »Schatzinsel«, als Hommage an Robert Louis Stevensons Klassiker der Weltliteratur. In Grundzügen sind Motive aus diesem Abenteuerroman aus dem 19. Jahrhundert auch bei Barracuda zu finden. Die Suche nach einem sagenhaften Schatz. Es ist der Weg zum Ziel, der viel interessanter ist, als die eigentliche Belohnung.
Letztlich hat es Dufaux geschafft es, eine Art Piraten-Murena zu schreiben. Wer diese historische Serie kennt, weiß was es geschlagen hat.
Darüber hinaus muss man unbedingt die Zeichnungen von Jérémy erwähnen, der bislang die Comics von Philippe Delaby koloriert hat und hier erstmals mit einem eigenen 52seitigen Album debütiert. Seine Kunst ist realistisch, filmisch, adäquat koloriert und transportiert auch die teilweise sehr brutalen Szenen überzeugend und ohne große Effekthascherei. Ein beachtliches Debüt.
Langer Rede, kurzer Sinn: »Haben-muss« (must-have )
Hägar der Schreckliche: Sonntagsstrips von 1991 - 1996
Ehapa Comic Collection
Comics für KIDS
32 Seiten, Auswahl von Comicsstrips
Hägar der Schreckliche dürfte den meisten ein Begriff sein. Der Wikinger, der frisst und säuft wie ein guter Klischee-Skandinavier, der mit Freude brandschatzt und plündert, dessen Frau Helga heißt und dessen Tochter auf den Namen Honi hört und dessen »rechte Hand« der etwas doofe Pechvogel Sven Glückspilz ist, hat sich seit den 1970er Jahren in den Zeitungen dieser Welt festgefressen.
In diesem Heft sind jedoch nicht die guten alten Strips von Hägar-Erfinder Dik Browne zu finden, sondern die von dessen Sohn Chris. Zwar kann dieser auch zeichnen, aber die Gags sind längst nicht mehr so »Running« wie die seines Vaters, sondern eher »Standing«. Oder sagen wir abgestanden, respektive: extrem vorhersehbar.
Als Kids-Titel ist der Comicstrip jedoch nicht verkehrt. Die ECC hat immerhin eine inzwischen auf 23 Bände angewachsene Gesamtausgabe im Programm, die man ruhig mal wieder promoten und in Erinnerung rufen kann.
»Kann man nehmen, muss man aber nicht« (nice-to-have)
Toriko
KAZÉ Manga
32 Seiten, Zwei Episoden
Der Name ist Programm. Könnte man als westlicher Ahnungsloser meinen, wenn man die Worte »Mitsutoshi Shimabukuro« liest. Auch wenn Toriko im Grunde ein kulinarischer Manga ist, diese beiden Worte sind kein japanisches Gourmet-Gericht, sondern bilden den Namen des Zeichners.
Aber … es geht ums Kochen bzw. um die Abenteuer, die der Held Toriko beim Beschaffen seltener und erlesener Zutaten erlebt. Toriko ist nämlich ein sogenannter Delikatessenjäger.
Die Prämisse des Plots ist einigermaßen kurios und so schräg, dass wohl nur ein ordentlicher Japaner darauf kommen kann. Geboten werden zwei Kapitel aus einer typischen Manga-Endlosgeschichte, die nicht sofort zünden, aber erahnen lassen, um welchen Lesestoff es sich handelt. Das Motto lautet »Hinter jeder Mahlzeit steht eine große Geschichte!«, denn die ganze Welt ist verrückt nach gutem Essen. Delikatessenjäger sind hochspezialisierte Experten, die die Sterneküchen der Welt mit immer neuen Zutaten und Aromen versorgen, und weil die kostbarsten und exotischsten Zutaten nur bei den wilden Bestien zu finden sind, müssen die Jäger erfahrene Kämpfer sein.
Die »fangfähigkeitrelevanten Daten« von Toriko werden in die Kategorien Kraft, Schnelligkeit, Intelligenz, Besondere Fähigkeiten und Appetit unterteilt. Besonders gut kann er umgehen mit Messer und Gabel und dem Hammer. Und außerdem ist sein Geruchssinn besser als der von Hunden.
In den im Heft abgedruckten Gängen 22 und 23 geht es um einen Kampfwolf.
Toriko stammt wie Naruto und One Piece aus der Schmiede des Jungs-Magazins Shonen Jump. Abgefahrene Humor-Action-Melange, die der Zielgruppe gefallen sollte.
»Kann man nehmen, muss man aber nicht« (nice-to-have)
Marvel NOW!
Panini
32 Seiten, unvollständiges Album
Dieses Heft ist mehr ein Teaser für die neue große Titelwelle des Marvel-NOW!-Events, mit dem Marvel in den USA letztes Jahr über viele Monate hinweg fast alle seine regulären Superheldenserien neugestartet hat.
Geboten wird das US-Heft Uncanny Avengers #1, das da einsetzt, wo der große Battle Avengers Vs. X-Men aufgehört hat. Professor X hat das Zeitliche gesegnet. Menschen und Mutanten raufen sich zusammen. Die Avengers bieten den X-Men ihre Hilfe an. Das Leben muss weitergehen.
Die Story von Rick Remender ist überraschend gesprächig. Die Zeichnungen von John Cassaday sind gewohnt klar und geschmeidig. Wirklich viel passiert nicht, es ist die Ouvertüre für eine »spektakuläre neue Ära« im Marvel-Heldenuniversum, meint zumindest Christian Endres in seinem Vorwort zu dem Heft.
Der Rest des Hefts ist Werbung für die Hefte und Bücher, die da kommen. Das sorgt für Vorfreude und täuscht etwas darüber hinweg, dass dieses Heft comicmäßig etwas dünn ausgefallen ist.
»Kann man nehmen, muss man aber nicht« (nice-to-have)
Welten des Schreckens
Weissblech
32 Seiten, Auswahl von Kurzgeschichten
Weissblech Comics stehen für Trash, Pulp, Horror, Science Fiction, Fantasy, ruhig auch deftiger, ruhig auch mal »Nur für Erwachsene«. Die hier zusammengestellte Mischung repräsentiert die beiden Anthologie-Titel Welten des Schreckens und Horrorschocker ganz gut.
Zwei Mal Levin Kurio und einmal Kolja Schäfer werden diesmal geboten, u.a. eine Geschichte der barbusigen Kala, die auf einem Tyrannosaurus Rex reitet. Ich kann hier nur wiederholen, was ich früher schon zum besten gegeben haben: Kurio & Co. haben das Gespür für abgefahrene Unterhaltung im Geiste der alten EC-Comics wie Tales from the Crypt. Alle drei Geschichten sind gut gezeichnet und bringen das trashige Flair schön rüber.
Weissblech ist konstant einer der Verlage, die das GCT-Prinzip vollkommen verstanden haen. Man stellt den Verlag und sein Konzept vor, bietet Appetizer für seine Serien und macht umfassend Werbung für das restliche Programm.
Ich habe eine Schwäche für diese Art Comics, die mit einer klaren Vision und viel »Spaß an der Freud'« gemacht sind, deshalb »Engere Auswahl«.
Alle Hefte 2013 - Kurz kommentiert: Teil 1 - Teil 2 - Teil 3 - Teil 4 - Teil 5
Ältere Folgen des Blogs: Comic heut' nicht, Comic morg'n
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Über das Blog
Mit »Comic heut' nich', Comic morg'n …« räumt Matthiaz [sic!] auf, denn jede Woche flattern ziemlich viele Comics auf seinen Redaktionstisch. Nicht alles eignet sich für lange Abhandlungen, aber vieles ist es wert, dass man ein paar Worte darüber verliert. Also macht er es sich bequem und schreibt darüber. Und manchmal auch darüber hinaus …