Der zufällige Fund einer unscheinbaren Mappe mit Protokollen von Redaktionssitzungen des legendären belgischen Magazins Tintin auf einem Brüsseler Flohmarkt ist Anlass für ein Dossier des Fachmagazins REDDITION über die Anfänge einer Zeichenschule, die noch heute große Wirkung auf den europäischen Comic hat.
Die Aufzeichnungen stammen von Hergé persönlich
Die Mappe mit den Redaktionsprotokollen, deren Rückseiten mit zahlreichen Skizzen und Notizen von Tim und Struppi-Erfinder Hergé ausgestattet sind, tauchte bereits vor einigen Jahren auf und wurde seitdem schon zwei Mal auf Auktionen zum Kauf angeboten. Doch erst jetzt hat eine vom belgischen Comicfachmann Jean Smits geschriebene Artikelreihe für das Brabant Strip Magazine eine fundierte und spannende Analyse der Arbeitsprozesse bei einem der besten und langlebigsten Comicmagazine Europas möglich gemacht.
Das war für das Fachmagazin REDDITION Anlass genug, sich erneut mit der Geschichte vom Tintin-Magazin zu beschäftigen und einmal genauer hinter die Entstehung der neben der Marcinelle-Schule und der Ligne Claire wichtigsten Stilrichtung frankobelgischer Comics zu schauen. Den Begriff der sogenannten »École de Bruxelles«, also der »Brüsseler Schule«, prägte Zeichner und Autor Jacques Martin Anfang der 1970er Jahre und bezeichnete damit eine bestimmte Gruppe von Kollegen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt (den 1950er Jahren) in einer bestimmten Publikation (dem belgischen Magazin Tintin bzw. Kuifje), und darüber hinaus zumeist in einer bestimmten Stadt arbeiteten.
Es war eine ideale Konstellation von Ereignissen und Personen, die aus einer unter optimalen Bedingungen entstandenen Kreativität heraus den europäischen Comicmarkt nachhaltig veränderten. Das Dossier von Ausgabe 58 der REDDITION präsentiert neben einer allgemeinen Analyse der Entstehungsprozesse bei Tintin vom belgischen Comicfachmann Jean Smits auch die Porträts der Künstler Willy Vandersteen, Jacques Martin, Bob De Moor, Paul Cuvelier, Albert Weinberg, Francois Craenhals, Tibet und Jean Graton, die in ausführlichen Porträts und ausgewählten Bibliographien vorgestellt werden.
Und es wird ein Bogen geschlagen innerhalb der Beschäftigung mit dem belgischen Magazin in REDDITION, denn das Dossier stellt auch das historische Gegenstück zum Dossier über den Spirou-Redakteur Yvan Delporte dar, der für die Prägung der Marcinelle-Schule und damit für das in künstlerischer Hinsicht genaue Gegenteil der Brüsseler Schule verantwortlich war. Bei Spirou herrschte das Chaos und waren die Zeichner und Autoren in ihrer künstlerischen Gestaltung weitgehend frei – bei Tintinregierte die Ordnung, und jeder Zeichner ordnete sich mehr oder weniger freiwillig dem übermächtigen Hergé unter.
REDDITION 58 erscheint Ende August 2013. Hier gibt es weitere Informationen mit einer Leseprobe, die hier auch direkt anzusteuern ist.
Neben dem jährlich erscheinenden COMIC REPORT und dem neuen vierteljährlichen Comic-Informationsmagazin ALFONZ - Der Comicreporter wird die REDDITION weiterhin zwei Mal im Jahr in der Edition Alfons als monographisch ausgerichtetes Fachmagazin erscheinen. Als nächste Themen sind geplant: Der Warren Verlag (Wrightson, Frazetta, Corben, Toth etc.), die Hermann/Rustemagic-Connection sowie zum 30. Geburtstag der REDDITION im Frühsommer 2014 eine große Jubiläumsausgabe.
Internetseite der REDDITION: www.reddition.de