US-Markt: Lauter Nummer Einsen bei DC Comics

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Apocalypse Now: DC Comics bläst zum Halali auf die letzten Comicleser

Kommentar von Matthias Hofmann

»This year, change is in the air at DC Comics«, schreibt David Hyde, einer der Autoren von The Source, dem hauseigenen Blog von DC Comics. Es liegt was in der Luft, in der Tat, denn die Ankündigung, dass DC Comics am 31. August das gesamte Comicprogramm rebooten wird, hat den Geschmack von Natriumcarbonat, Bergmehl und Nitroglycerin. Das heißt, wenn man das essen könnte, was man nicht kann, aber man kann Dynamit daraus machen …

Angriff ist die beste Verteidigung

Aber der Reihe nach: Der US-Comicmarkt ist krank. Diese Diagnose wurde in letzter Zeit oft gestellt. Die Leser bleiben weg, die Auflagenzahlen schrumpfen, der ganze Heftchenkram ist einfach zu teuer. Dreikommaneunundneunzig hart erarbeitete United States-Dollars für ein lappriges »Floppy« mit im grausamsten Fall rund 22 Comicseiten und viel Werbung? Wer soll das bezahlen? Wer hat so viel Pinkepinke?

Und dann die fiese Bedrohung durch den digitalen Moloch. Vor wenigen Tagen gab das große Online-Warenhaus Amazon bekannt, dass man in den USA inzwischen mehr eBooks als gedruckte Bücher verkauft. Auf ein Print-Buch kommt 1,05 Digital-Buch. »Hey, wen interessieren schon die Stellen nach dem Komma?« Aber natürlich dürfte dies nur das erste Zeichen an der Wand sein. Wer dieses lesen kann, ist klar im Vorteil. Und bei DC Comics liest man Zeichen, kann sich diese zusammenreimen und braucht dringend einen Vorteil.

Schaut man sich die Meldung von DC genauer an, so sind es im Grunde zwei Knalleffekte, die darin verborgen sind. Für die Comicfans gibt es einen Relaunch der Comicserien. Das gab es aber schon so oft, dass man hier nicht mehr groß punkten kann. Gerade DC hat in den letzten Jahren Comics so oft neu gestartet, dass man manche Serien regelrecht verbrannt hat. Spektakulär in den Sand gesetzt wurden immerhin Neustarts von großen Namen wie Flash oder Wonder Woman.

Also was macht man? Man startet ein ganzes Universum neu. Aber nicht für einen Monat wie in der Vergangenheit mit »One Million«, als man bei ein paar Serien zeigte, wie die Zukunft aussehen könnte oder bei »One Year Later«, als die Handlung ein Jahr in die Zukunft sprang. Nein, jetzt geht es wirklich ans Eingemachte. 52 (!) Serien werden neu gestartet. Stille. Durchatmen.

Genialer Schachzug oder Harakiri für Fortgeschrittene?

Flaggschifftitel wird eine neue Justice League Serie sein, geschrieben von Geoff Johns, DCs Bestseller-Autor, der den Titel »DC Entertainment Chief Creative Officer« auf seiner Visitenkarte trägt, und gezeichnet von Jim Lee, einer der Co-Verleger. Letzterer ist immer für hohe Verkaufszahlen gut, gilt aber auch als wenig ausdauernd und hat in der Vergangenheit schon oft bewiesen, dass er keinen monatlichen Comic zeichnen kann, weil er einfach permanent von anderen Dingen abgelenkt wird.

Justice League #1 wird am 31. August 2011 erscheinen. In dieser Woche sollte eigentlich gemäß DC-Marketing-Gag von vorletzter Woche nur Flashpoint #5 in die Läden kommen, aber wen interessiert schon das Geschwätz von gestern?

In einer beispiellosen Werbekampagne will man jede Woche neue Details enthüllen. Auch die landesweiten Medien springen an. Einen Tag später berichtete bereits die Tageszeitung USA Today über DCs neue Strategie auf dem Weg zur Nummer 1. Die Gerüchteküche brodelte aber schon seit einiger Zeit. Die Webseite Bleeding Cool berichtete bereits am 6. April von einer großen Neunummerierungsaktion.

Geglaubt haben das damals nicht so viele. Wieso sollte DC das tun? Die sind doch nicht bescheuert, dachte so mancher. Falsch gedacht. Und bereits gestern machten die nächsten Meldungen die Runde. Comic Book Resources listet acht Titel auf, die schon feststehen.

Darunter eine neue Superman-Serie von Grant Morrison, eine neue Green Lantern-Serie von Geoff Johns oder die bereits angekündigten neuen Serien von Aquaman und Hawkman. Alle neuen Serien sollen eins gemeinsam haben: die Charaktere und die Stories wurden flott gemacht für das aktuelle Jahrzehnt.

Alleine über die Meldung des Reboots wird im Internet bereits ausführlich diskutiert und gebloggt. Die Meinungen gehen wie stets weit auseinander. Während die gesamte Aktion inhaltlich höchst spannend ist, wirft sie jede Menge Fragen auf, die mit dem US-Comicmarkt zu tun haben. Beispielsweise diese: Kann der Markt eine solche Schwemme neuer Titel vertragen? Man kann argumentieren, dass nicht mehr Titel kommen, sondern »nur« die neuen die alten ersetzen. Aber der Reboot kommt einem Reset gleich. Alles auf null, alles ist möglich. Man kann überall neu einsteigen. Man kann aber auch komplett aufhören, DC Comics zu lesen.

Die digitale Bedrohung

Der zweite Knalleffekt der Meldung steckt in der Tatsache, dass DC Comics alle Superheldenserien ab dem 31. August 2011 auch als digitale Comics zum Download anbietet. Das soll zeitgleich passieren, also nicht erst ein paar Tage oder Wochen später. Damit verschafft man sich einen Vorsprung vor Konkurrent Marvel, dessen Digital-Programm zwar vorhanden, aber noch nicht so fortgeschritten ist. Auch hier wird höchstwahrscheinlich in der nächsten Zeit viel Bohei gemacht. Was passiert, wenn der moderne Comicleser seine Comics nicht mehr im Laden kauft, sondern bequem downloaded? Filme und Musik und Bücher laden sich ja auch schon viele aufs mobile Gerät und tragen die jeweilige digitale Daten-Bibliothek mit sich herum. Notfalls bis zum Strand.

CBR führt ganz aktuell eine Umfrage durch, die noch bis zum 1. Juli 2011 läuft: »Welchen Einfluss haben DCs digitale Comics in Zukunft auf deine wöchentliche Einkaufsliste?«.

Drei Antworten stehen zur Auswahl: »Ich sammle weiterhin nur gedruckte Comics.«, »Ich werde meinen Comic-Warenkorb mischen.«, »Endlich muss ich keine großen Comicsammelkisten mehr kaufen!« Der Stand vom 02.06.11 ergibt, dass fast jeder Zweite weiterhin Hefte und Tradepaperbacks kaufen will. Immerhin ein Viertel der Abstimmenden will komplett auf digital umsteigen (713 Stimmen von 2832, Zwischenstand). Fortsetzung folgt.

Was denkt der deutsche Superhelden-Fan über diese neuen Entwicklungen?


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US-Markt: DC Comics erfindet sich neu: ein Kommentar von Matthias Hofmann


Abbildungen: © DC Comics