Endlich. Diese Woche kriegen wir Sonnenbrand. Mehr als 30 Grad werden’s im Süden der Republik. Also die neuste Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT eingepackt und zum nächsten Schwimmbad, Baggersee oder Privatpool geflitzt und den Artikel über die Comic-Anthologie Womanthology gelesen. Aber Obacht, man munkelt, die Seele des Texts wäre bereits in der FAZ abgedruckt worden …
Gefundenes Fressen: Das blinde Huhn und das Korn
Die ZEIT, die FAZ und die Frauenpower
Hier haben wir ein lustiges Scharmützel unter Journalisten, gerade rechtzeitig zur Saure-Gurken-Zeit. Die ZEIT berichtet über Comics. Das ist sehr löblich. Für den Artikel in der Ausgabe vom 19. Juli 2012 hat man sich aber nicht eines der gefühlt Hunderten von Themen ausgesucht, welche in Deutschland auf der Straße liegen, sondern ist in den USA fündig geworden. Dumm nur, dass ein Stoff bemüht wird, über den schon Monate vorher mit verdächtig ähnlichem Wortlaut veröffentlicht wurde. Aber wie schlimm ist das wirklich?
Und vor allem: Was ist passiert?
[Warnung: Langer Satz!] ALFONZ-Kolumnist Marc-Oliver Frisch deckt bei dem Onlinemagazin COMICGATE auf, dass der ZEIT-Artikel mit dem Titel »Boom!« der Autorin Chris Köver über die Comic-Anthologie Womanthology (IDW Publishing) in einigen Teilen »baugleich« mit dem Artikel von Oliver Ristau aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Titel: »Frauenpower in die Comics«) ist. Dieser erschien schon vor Monaten, am 24. März 2012.
Frisch vergleicht die beiden Texte bei COMICGATE und befragte sowohl Köver als auch Ristau zu dem Vorfall. Köver, die mit der feministischen Zeitschrift Missy Magazine (Aktuelle Ausgabe ist MISSY Nr. 02/12 – mit Dossier zum Thema »Körperbehaarung«!) selbst eine regelmäßige Publikation mitverantwortet, wird mutmaßlich mangelnde Ernsthaftigkeit im Umgang mit dem Medium Comic vorgeworfen, erkennbar sei das daran, dass sie nicht weiß, dass Spider-Man kein Capeträger ist.
Ob Chris Köver den Artikel mit journalistischem Herzblut oder doch eher mit einer gewissen gebremsten Hingabe zur Neunten Kunst geschrieben hat, wird sich nicht endgültig klären lassen. Viel interessanter ist doch ein Aspekt, der bei dieser Affäre völlig unberücksichtigt bleibt: Immer wieder flammt die Diskussion auf, ob Onlinejournalismus weniger Wert sei als Printjournalismus. Online werde viel kopiert, Quellenangaben seien mangelhaft und die Recherchearbeit wäre insgesamt kümmerlich. Und hier haben wir wieder ein lustiges Beispiel (was davon jetzt stimmt oder nicht, sei mal außen vor gelassen), dass in Print auch nicht alles Gold ist was glänzt. Irgendwie beruhigend. [MH]
Abbildungen © IDW
Weiterführender Link:
Artikel von Marc-Oliver Frisch: Die aufgewärmte Frauenpower der ZEIT