Am morgigen Dienstag, dem 3. September, wird in der Hauptstadt nicht nur die Ausstellung »Comics in Berlin. Bilder einer Stadt« im Rahmen des 13. internationalen literaturfestival berlin (ilb) eröffnet. Die für heute anberaumte Pressekonferenz zur Ausstellung wurde auch dazu genutzt, ein Manifest zu verkünden, das von zahlreichen Comiczeichnern und Vertretern der Branche unterzeichnet wurde und wird, die sich für eine größere Anerkennung von Comics im Kulturbetrieb aussprechen.
13. internationales literaturfestival in Berlin
Das Comic-Manifest: Ein wichtiges Signal
Die am 3. September um 20 Uhr eröffnete Ausstellung »Comics in Berlin. Bilder einer Stadt« im Haus der Berliner Festspiele im Oberen Foyer ist während der gesamten Festivalzeit (4. bis 15. September) täglich von 15 bis 20 Uhr zu sehen. Die Ausstellung möchte nicht nur die starke kreative Energie der Berliner Szene vermitteln, sondern vor allem zeigen, wie die Stadt selbst zum Thema wird. Mit Blick auf die aktuelle und historische Entwicklung Berlins präsentiert sich der Comic als eine hoch sensible Kunstform, pointiert, reflexiv und von einem enormen stilistischen Reichtum. Zur Ausstellung erscheint der Katalog „Comics aus Berlin. Bilder einer Stadt“. Vom anarchischen Fanzine bis zur erzählerisch ausgefeilten Graphic Novel sind in Berlin alle bekannten Spielarten des Comics zu Hause, gestützt durch ein kommunikatives Netzwerk aus großen und kleinen Verlagen. Neben lokalen Künstlern nutzen deshalb immer mehr internationale Comiczeichner die Stadt als Inspirationsquelle und Standort für ihre Arbeiten. Der Katalog und die Ausstellung präsentieren Beiträge von Max Andersson, ATAK, Sharmila Banerjee, Susanne Buddenberg & Thomas Henseler, Paula Bulling, Tim Dinter, Martin Ernstsen, Chrigel Farner, Anke Feuchtenberger, Fil, Flix, Aisha Franz, Dominique Goblet & Kai Pfeiffer, Reinhard Kleist, Peter Auge Lorenz, Ulli Lust, Mawil, OL, Till Thomas und Henning Wagenbreth.
Im Zusammenhang mit der Ausstellung wurde auf Initiative des ilb mit Comic-KünstlerInnen, VerlegerInnen und LektorInnen der Berliner Comicszene ein Manifest für die Comic-Kunst formuliert. Damit setzen die Veranstalter ein wichtiges Signal in Richtung der Förderung von Kultur in Deutschland, das hoffentlich weit über die Grenzen Berlins hinaus für Aufmerksamkeit sorgen wird. Auf dem heutigen Pressegespräch wurde das Comic-Manifest vorgestellt, das nach seiner Verkündung und der möglichen Unterzeichnung weiterer Befürworter an den Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann, übergeben wird. Neben Comic-Schaffenden aus Berlin und ganz Deutschland wie den Zeichnern ATAK, Martin tom Dieck, Anke Feuchtenberger, Jens Harder, Mawil, Simon Schwartz, Gerhard Seyfried oder Barbara Yelin gehören auch Verleger oder Schriftsteller wie Cornelia Funke oder Ulrich Wickert zu den Unterzeichnern.
Wir freuen uns, hier den Originaltext wiedergeben zu können und hoffen auf eine rege Anteilnahme und Befürwortung.
Das Comic-Manifest
Deutsche Comics werden im Feuilleton gefeiert, sie werden in zahlreiche Sprachen übersetzt und erhalten Preise und Auszeichnungen auf internationalen Festivals. Comic-Lesungen und Comic-Ausstellungen finden regen Zuspruch, zumal beim jüngeren Publikum, und immer häufiger sind Comics Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten. Es sind die Comiczeichner, die Comicverleger und andere Akteure, die dem deutschen Comic praktisch ohne Hilfe von außen dieses Ansehen verschafft haben. Während Film, Theater, Musik und andere Künste — zu Recht — öffentlich gefördert werden, konnten die Zeichner, Szenaristen und Verlagsmitarbeiter ihre beachtlichen Erfolge nur durch Selbstausbeutung erreichen. Es liegt auf der Hand, dass sie mit größeren Ressourcen ihre Potenziale wesentlich stärker entfalten könnten.
Der zeitgenössische Comic ist formal innovativ und inhaltlich anspruchsvoll. Sein Spektrum reicht vom Comicstrip zur Graphic Novel. Eindringliche Geschichten zu gesellschaftlich relevanten Themen prägen heute sein Bild in den Medien. Die stilistische Bandbreite und die fortwährende experimentelle Erneuerung des Comics stehen für die künstlerische Modernität eines Mediums, dessen vielfältige Möglichkeiten längst noch nicht ausgeschöpft sind.
Niemand bezweifelt heute, dass der Comic eine eigenständige Kunstform ist, der ein gleichberechtigter Platz neben Literatur, Theater, Film oder Oper zusteht. Es ist ein Skandal, dass dies noch immer nicht allgemeiner Konsens ist.
Wir fordern daher, dass der Comic dieselbe Anerkennung erfährt wie die Literatur und bildende Kunst und entsprechend gefördert wird. Der Comic ist — wie alle anderen Künste — auf staatliche und private Unterstützung angewiesen.
Die Zahl hervorragender Nachwuchszeichner, die meist an den staatlichen Kunsthochschulen ausgebildet worden sind, wächst stetig, doch es gibt keine Stipendien, die talentierten Zeichnern den Weg zu einer Existenz als Künstler ebnen könnten. Eine Graphic Novel, ein Comicalbum zu schaffen dauert oft länger als ein Jahr, und kaum ein Verlag kann es sich leisten, den Lebensunterhalt eines Künstlers für so lange Zeit zu finanzieren.
Wir fordern daher die finanzielle Förderung von Comicprojekten.
Und schließlich: Förderung bedarf der Koordination und der Diskussion ihrer Maßstäbe. Noch immer fehlt eine eigene Comicprofessur in Deutschland, noch immer fehlt eine Institution, die als zentrale Anlaufstelle und kommunikative Begegnungsstätte mit europäischer Ausstrahlung für alle Protagonisten des Mediums dienen kann.
Wir fordern daher die Schaffung eines deutschen Comicinstitutes, das Künstler zusammenführt, ihre Arbeit wissenschaftlich reflektiert und der kulturellen Bildung dient.
COMIC IST KUNST. DAS MUSS JETZT AUCH DIE KULTURPOLITIK VERSTEHEN.
Weiterführende Links:
Homepage des Festivals: www.literaturfestival.com
Programmheft zum Download als PDF: Programmheft 2013